Ökumenische Pilgergruppe erkundet Rom
„Eine Reise der Superlative“
Fotos: Ruth Weinhold-Heße
Es war eine geradezu typische Szene für die bunte Gruppe, die sich Anfang Oktober gemeinsam auf eine Pilgerreise nach Rom begeben hatte: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert trug am letzten Abend bei einem Zwischenstop auf der Rückfahrt einen Stapel Pizzakartons zu einem der zwei Reisebusse. 80 Pizzen wurden kurz darauf genüsslich am Ufer des Gardasees von den Dresdner Kapellknaben, einer Gruppe ökumenischer Pilger und mitgereisten Journalisten verspeist. Schon vorher, auf dem Weg von einem Pilgertermin zum nächsten, in der Altstadt Roms, sagte die Katholikin Monika Klimpel aus Bischofswerda: „Diese Pilgerreise hat mir bewusst gemacht, dass wir alle gleich sind vor Gott“ und ergänzte: „Das ist eine Reise der Superlative, die noch lange nachwirken wird.“
In der Heiligen Stadt waren zu der Pilgergruppe die zwei Bischöfe Heinrich Timmerevers (Bistum Dresden-Meißen) und Tobias Bilz (Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens) sowie Sachsens Staatsministerin Barbara Klepsch (CDU) dazu gekommen. Was Monika Klimpel dabei so faszinierte, war, dass es bei dem vollen Programm, den Gottesdiensten und den persönlichen Begegnungen keinen Unterschied mehr machte, welches Amt jemand innehatte. Jeder nahm etwas für sich mit: viele erlebten eine intensive Gemeinschaft, etliche machten spirituelle Erfahrungen und andere erfreuten sich vor allem an einem herausragenden Kulturprogramm.
Pilgern bedeute, vertraute Orte zu verlassen, erklärte Sebastian Kieslich vor der Abfahrt in Dresden. „Es ist eine Chance, Kraft und Mut für den Alltag zu sammeln.“ Der Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Dresden-Meißen hatte diese ökumenische Reise mit seinem evangelischen Kollegen Erik Panzig vorbereitet. Die sächsische Ministerin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch, sah die Reise als Möglichkeit, „das Pilgern als eine wunderbare Art der spirituellen Erneuerung bekannter zu machen“.
Offen für neue Erfahrungen
Gestartet war die Gruppe am Abend des 30. September und fuhr mit Zwischenstopp in Assisi nach Rom. „Pilgern muss auch ein bisschen weh tun“, kommentierte Erik Panzig die rund 18-stündige Busfahrt lachend. „Pilgern bedeutet für mich in Gemeinschaft mit einem besonderen Ort oder ins Ungewisse zu wandern, dort zu beten und Zeit mit Gott zu verbringen“, erklärte Kapellknabe Conrad Diettrich am Ende der Reise. Fand der 11-Jährige trotz zahlreicher Gottesdienste und Konzerte dazu noch Zeit? „Vor den Konzerten haben wir immer eine Ruhepause, da hatte ich besonders das Gefühl, Gott nahe zu sein“, erzählte er. Die knapp 40 Jungen und Männer im Chor hatten in Rom ein intensives Programm absolviert und glänzten unter anderem mit dem „Messiah“ von Händel in der Basilika Santi Silvestro e Martino ai Monti. Ein besonders erhebender Moment war, als am Ende alle Zuschauer ins „Hallelujah“ einstimmten.
Die evangelische Christin Cornelia Behr aus Dresden fasste am Ende der Fahrt zusammen: „Ich fand die täglichen geistlichen Impulse am besten – das hat den Unterschied gemacht“ zu einer gewöhnlichen touristischen Reise nach Rom.
Neben diesen Kurzandachten der mitreisenden Geistlichen standen viele offizielle Termine an: Für die meisten der wichtigste Höhepunkt war die Privataudienz bei Papst Franziskus, früh um acht am 2. Oktober. Gleich im Anschluss feierte die sächsische Gruppe den Eröffnungsgottesdienst der katholischen Weltsynode auf dem Petersplatz gemeinsam mit dem Kirchenoberhaupt und rund 300 Bischöfen aus aller Welt, die Dresdner Kapellknaben wirkten musikalisch mit.
Der Heilige Vater betonte in seiner Ansprache während der Audienz an die Pilgergruppe, dass die Einheit der Jünger Jesu ein wichtiges Zeugnis bei der Weitergabe des Glaubens sei und sagte: „Im Namen der Kirche danke ich euch, dass ihr diesen ökumenischen Auftrag Jesu ernst nehmt und danach strebt, ihn zu verwirklichen“ – ob bei der gemeinsamen Pilgerfahrt oder im Alltag. Sein besonderer Dank galt dabei denen, die sich ehrenamtlich für das Pilgern einsetzen.
Diana Ziesch aus Crostwitz war tief gerührt davon, Papst Franziskus zu treffen: „Die persönliche Begegnung mit dem Papst war glaubensbestärkend. Franziskus hatte etwas Liebes, Authentisches“, erzählt sie direkt im Anschluss an die Audienz. Oberbürgermeister Dirk Hilbert überreichte dem Pontifex ein kleines Stück der eingestürzten Carola-Brücke. Er zeigte sich dankbar, dass niemand bei dem Einsturz in Dresden zu Schaden gekommen war.
Für Sieglinde Goldberg, die sich in Cunewalde ehrenamtlich in der größten evangelischen Dorfkirche Deutschlands engagiert, war die Privataudienz mit Papst Franziskus ein heilsamer Moment. Die Rentnerin erzählte im Anschluss von der Erfahrung, als Kind keinen Gottesdienst gemeinsam mit beiden Eltern besuchen zu können. Ihr Vater war evangelischer Christ, ihre Mutter Katholikin, sie selbst wurde evangelisch getauft und konfirmiert. „Das war für mich nicht schön, so etwas vergisst man nicht“, sagte sie. „Es war gut, hier in Rom zu sein, der jetzige Papst will ja die Ökumene fördern“, erklärte sie und zeigte sich beeindruckt davon, auf dem Petersplatz am Eröffnungsgottesdienst der Weltsynode teilnehmen zu können.
Für Ökumene nimmt sich Franziskus Zeit
Dass die Gruppe von rund 80 Menschen aus Sachsen eine ökumenische war, war der Türöffner für die Privataudienz bei Papst Franziskus, verriet Bischof Timmerevers. Eigentlich waren wegen der Weltsynode gar keine Audienztermine vorgesehen. Für die Gruppe aus Dresden ermöglichte Franziskus aber, dass sie ihn noch vor dem Eröffnungsgottesdienst treffen konnte – deshalb hieß es, früh aufzustehen, denn der Papst – so lernten die Teilnehmer – kommt öfter vor dem vereinten Termin. Bei Sonnenaufgang sangen sich die Kapellknaben vor den Mauern des Vatikan ein.
„Dass sich der Papst so viel Zeit für uns genommen hat, jeden persönlich grüßt, war schon sehr besonders“, sagte Bischof Timmerevers. Das Kirchenoberhaupt reichte jedem der Teilnehmer persönlich die Hand. Zu den Geschenken, die die Gäste nach Rom mitgebracht hatten, gehörte das Stück „Laudato si“ (Sei gelobt, mein Herr), das Domkapellmeister Christian Bonath für diesen Anlass komponiert hatte. Im Anschluss an die Uraufführung bekam der Papst die Partitur überreicht. „Ich kenne den Chor seit gut zwei Jahren, aber so still und konzentriert wie vor der Papstaudienz habe ich die Kapellknaben noch nie gesehen“, sagte der Domkapellmeister. Die Sänger waren sichtlich aufgeregt. Einige Kapellknaben ließen sich von Franziskus Autogramme geben oder etwa selbst gebastelte Rosenkränze segnen und der Papst machte gern mit.
Im Anschluss an den Besuch im Vatikan empfing der Deutsche Botschafter am Heiligen Stuhl, Bernhard Kotsch, die Gruppe. In der Botschaft gaben die Kapellknaben wiederum ein Kurzkonzert und die beiden Bischöfe aus Dresden erinnerten in einer gemeinsamen Ansprache an eine Reihe von Pilgern, in die sich die Gruppe aus Sachsen einfüge – auch Martin Luther pilgerte einst hierher. Barbara Klepsch, selbst Katholikin, dankte den Kapellknaben für das „großartige Geschenk“, den Papst treffen zu können und die Dresdner Kapellknaben dabei singen zu hören. „Etwas Größeres gibt es nicht! Ich bin unglaublich stolz, dass ich heute dabei sein kann,“ meinte sie sichtlich gerührt. Am Vorabend der Feier zur Wiedervereinigung Deutschlands betonte sie: „Vor 35 Jahren wäre es nicht selbstverständlich gewesen, dass wir nach Rom kommen.“
Am 3. Oktober feierte die Gruppe mit der deutschen katholischen Gemeinde Roms eine ökumenische Dankandacht im Päpstlichen Institut St. Maria dell’ Anima. Dabei wurde immer wieder die Hoffnung ausgesprochen, Brückenbauer zu sein – zwischen den Konfessionen, in der deutschen Gesellschaft, aber auch in den eigenen Familien.
Abendmahl und Eucharistie
Im weiteren Verlauf der Pilgerreise besuchte die Gruppe auch die evangelisch-lutherische Christusgemeinde in Rom, in der sie ein evangelisches Abendmahl feierte, sowie die Domitilla-Katakomben – einen Ort, an dem viele frühe christliche Märtyrer begraben liegen. In der dortigen Katakomben-Basilika, die um 390 erbaut wurde, feierte die Gruppe zum Abschluss gemeinsam die heilige Messe und alle waren eingeladen, an der Eucharistiefeier teilzunehmen. „Wir wollen an diesem Ort bitten für die noch nicht geeinte Christenheit und bitten den Herrn, dass er uns den Weg weist“, betete Bischof Timmerevers.
Auch Pfarrer Christian Böck, Direktor des (katholischen) Pilgerzentrums in Rom bestätigte seinen Besuchern: „Unser missionarisches Grundanliegen ist, dass Menschen spirituell wachsen“ und fügte mit einem Lachen hinzu: „Wir schließen keine Konfession aus – das wäre ja Blödsinn.“
Erik Panzig, der für das Pilgern in Sachsen und über Ländergrenzen hinweg wirbt, verriet: „Das war sehr wahrscheinlich nicht unsere letzte gemeinsame ökumenische Pilgerreise.“