Priesterwechsel im Bistum Dresden-Meißen
Auf dem Priesterkarussell
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Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, schrieb Hermann Hesse. Pfarrer Ralph Kochinka fühlt sich von diesen Worten seit Monaten herausgefordert. Das Gedicht „Stufen“ liegt stets griffbereit auf seinem Tisch in Falkenstein, neben einem Kreuz. Seit Monaten weiß er, dass seine Zeit im Vogtland begrenzt ist. Sein nächstes Ziel: Leipzig, um dort Propst zu werden.
Zunächst war er skeptisch. Er hatte sich im Vogtland eingelebt, die Menschen schätzten ihn und er sie. Beim Gedanken an einen Wechsel kamen Zweifel: Ist er bereit, Propst in Leipzig zu werden? Ist es klug, in eine Gemeinde zurückzukehren, in der er einst Kaplan war? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Gemeinden brauchen unterschiedliche Verkündigungsstile
Sein Vorgänger in Leipzig, Gregor Giele, steht ebenfalls vor einem Wechsel. Nach 16 Jahren in Leipzig zieht es ihn nach Zwickau. Er mag Leipzig, findet aber, dass Veränderung gut ist. Auch Gemeinden sollten nicht eng auf einen bestimmten Verkündigungsstil hin geführt werden. „Priester haben ihren eigenen Zungenschlag, theologische Schwerpunkte und setzen seelsorgerische Akzente“, sagt Giele. „Irgendwann ist man eingefahren.“ Es sei wichtig, dass Gemeinden über die Zeit von verschiedenen Priestern begleitet werden.
„Jesus hat es nirgendwo lange ausgehalten, nicht mal im Grab“, sagt Giele. Christus zog es weiter, selbst wenn die Menschen den Wunderheiler nicht gern gehen ließen.
Wechsel sind essenziell im Priesterberuf. Etwa alle zehn Jahre wechseln Priester ihre Stelle. Das aktuelle „Priesterkarussell“ betrifft mehrere Priester. Kochinka war überrascht von der Anfrage, da er erst sieben Jahre im Vogtland ist. Giele hingegen hatte bereits vor fünf Jahren um den Wechsel gebeten.
Markus Böhme, Pfarrer in Zwickau, war ebenfalls überrascht. Er hatte gerade einen intensiven Prozess der Gemeindeneugründung hinter sich und wollte das Zusammenwachsen noch einige Jahre begleiten, außerdem das herausfordernde Immobilienkonzept abschließen. Doch der Bischof entschied anders. Böhme fühlte sich gedrängt, gab aber schließlich nach und wird im Sommer 2024 gehen.
„Was ist, wenn Gott das will?“ – Geistlicher Prozess im Hintergrund
Priester können theoretisch Nein zu einem Wechsel sagen. Praktisch wissen sie jedoch, dass sie dann andere aufhalten. „Dann verzögert sich das Karussell und dann blockieren die Räder“, sagt Kochinka. Er hatte Gründe gegen den Wechsel für das Personalgespräch vorbereitet, doch dann traf ihn ein Gedanke: „Was ist, wenn Gott das will?“
Er bat um Bedenkzeit und durchlief einen intensiven geistlichen Prozess. Bei einem Bischofsbesuch fragte Kochinka: „Nehmen Sie mich, weil der Kochinka nicht Nein sagen kann? Oder haben Sie sich im Gebet geprüft?“ Der Bischof bestätigte, dass er sich im Gebet geprüft habe und immer wieder auf Kochinka für Leipzig gekommen sei. „Da ist für mich deutlich geworden, das ist kein Befehl und ich muss gehorchen, sondern das ist für alle ein geistlicher Prozess“, sagt Kochinka.
„Versetzung schmeckt nach Irritation“
Giele freut sich auf das Neue in Zwickau. Er sieht die Veränderung als Verjüngungskur im Denken. Alles ist neu und man muss sich vertraut machen. Herausfordernd, aber herrlich, findet er. „Versetzung schmeckt nach Irritation“, sagt er, „denn ich kann nicht einfach weitermachen wie bisher.“
Kochinka wurde bisher von Menschen an allen Orten gütig aufgenommen und unterstützt. Das hilft. Auch, dass er nicht allein ist, sondern in ein bestehendes Team kommt. Das mindert Unsicherheit und Aufregung. Auch sein Kollege Böhme freut sich inzwischen auf seine neuen Aufgaben in Kamenz. In Zwickau müsse er aber einen klaren Schlussstrich ziehen. „Jeder Pfarrer hat das Recht, die Dinge auch anders zu machen“, betont er. Nach seinem Weggang will er sich nicht mehr einmischen.
Bis sie ihre neuen Stellen antreten, feiern sie Erntedank: Anerkennende Worte, Schulterklopfen, Tränen. Sie spüren, was gewachsen ist, auch, was hätte noch werden können. Und sie sind demütig: Nicht alles hängt an ihnen.
Der Glaube erfordert Beweglichkeit und Neugier
Böhme erinnert sich an eine Liedzeile die er vor zwei Jahren schrieb: „Bleib nicht stehen, geh den Weg, den er dir weist. Bleib nicht stehen, dich begleitet Gottes Geist.“ Giele betont, dass das Festgelegte und Enge nicht zum Glauben passt. „Wir nennen uns Katholiken und das heißt allumfassend. Das braucht Weite, Beweglichkeit und Neugier.“ Sonst droht Erschlaffung, liest Kochinka weiter bei Hesse. „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“