Tag der Deutschen Einheit im Eichsfeld
Ein beachtenswertes Geschenk
Dorothee Wanzek
Der Fall der Grenzen zwischen Ost und West war ein Geschenk, hielt der Hildesheimer Priester Christian Hennecke den Hülfensberg-Pilgern am 3. Oktober vor Augen – ein Geschenk, wie es Christen in jeder Eucharistiefeier erbitten: „Schau auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden.“
In einer Zeit, in der Einheit nicht auf dem Vormarsch sei und sich stattdessen in Gesellschaft und Kirche Polarisierungen verschärfen, empfahl Hennecke seinen Zuhörern, sich wieder an das erhaltene Geschenk zu erinnern. „Als Christen haben wir das nicht bekommen, weil wir besser wären als alle anderen, sondern, um daraus zu leben. „Wir haben eine Berufung, uns für Frieden und Einheit einzusetzen“, sagte der Gastprediger.
Ein Berg als Kraft- und Sehnsuchtsort
Rudolf Mock aus Kalteneber hat Christian Hennecke mit seiner Predigt aus der Seele gesprochen. Er ist dankbar für die Einheit Deutschlands, für die zurückgewonnene Freiheit. Trotz aller Krisen im Kleinen wie im Großen ist er mit seinem Leben zufrieden. Das Franziskanerkloster auf dem Hülfensberg war für ihn immer schon ein Ort, an dem er für sein Leben als Christ Bestärkung und Ermutigung erfuhr. Als Kind habe er die 15 Kilometer von seinem Heimatort bis zum Hülfensberg mit seinem Vater sogar einmal zu Fuß zurückgelegt. Er erinnert sich noch gut daran, wie erschöpft und zugleich glücklich er war, als er wieder zu Hause ankam. In den Jahrzehnten, in denen es nur wenigen mit einer Sondergenehmigung möglich war, die Wallfahrtskirche zu besuchen, wurde der Berg für ihn zum Sehnsuchtsort. Noch vor dem 3. Oktober 1990 nutzte er die erste Möglichkeit, wieder zum Hülfensberg zu kommen, damals noch mit Ausweiskontrolle. Seither hat er kaum eine Wallfahrt zum Tag der deutschen Einheit ausgelassen.
Werner Gorsler aus Geismar gehört zu denen, die er hier regelmäßig trifft. Auch ihn verbinden Kindheitserinnerungen mit dem Hülfensberg: „Meine Oma wohnte in Bebendorf“, sagte er. „Wenn wir sie besuchten, ging es im Sommer jeden Sonntag zur heiligen Messe auf den Berg. Im Winter war die Straße wegen des vielen Schnees oft unpassierbar.“
Brunhilde Leister aus Struth ist wehmütig, wenn sie an frühere Wallfahrten denkt: „Damals kamen viel mehr Pilger, auch Familien mit Kindern. Ich würde den Jüngeren so gerne weitergeben, welch ein Kraftort der Hülfensberg für uns ist“, sagt sie. Zu DDR-Zeiten ist es ihr ein einziges Mal gelungen, dorthin zu pilgern. Der Pfarrer von Lengenfeld unterm Stein gab ihrem Bitten nach und setzte ihren Namen auf eine Pilgerliste, obwohl der Zugang zum Berg eigentlich nur für Bewohner des Sperrgebiets erlaubt war. „Ich weiß noch, wie mein Herz klopfte, als die Ausweise verlangt wurden. Würde ich jetzt verhaftet werden? Zum Glück ging alles gut“, erzählte sie.
Als großes Vorbild der Treue und Genügsamkeit sieht sie bis heute den Franziskaner Erwin Schollmeyer, der am 18. Oktober vor 30 Jahren starb. 27 Jahre lebte er auf dem Hülfensberg. „Zu hören, dass er hier die letzten Jahre ganz allein die Stellung hielt, kontrolliert von den Russen, die hier einquartiert waren, hat mich sehr berührt“, sagte Leister. Die Kohlen und das wenige, was er sonst brauchte, habe er im Rucksack auf den Berg getragen. Die Strutherin freut sich darüber, dass heute vier Mönche den Wallfahrtsort lebendig halten.