Wissenschaftler Markus Vogt fordert einen ökologischen Humanismus
Klimawandel ist Brennpunkt
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Die christliche Perspektive könne eine gute Grundlage sein, die Herausforderungen des Klimawandels und der Bewahrung der Schöpfung zu meistern, ist sich Markus Vogt sicher. Die christliche Transzendenz, der Ausgang vom Kreuz her, ermögliche eine andere Sicht der Dinge. Vogt: „Christen wissen um die Verletzlichkeit, sie wissen, dass zum Leben nicht nur das Glück, sondern auch das Leid, das Scheitern gehört.“ Christen wissen, dass es nicht immer geradeaus weiter geht.
Dem gegenüber stehe ein weltlicher Fortschrittsglaube. Dieser gehe davon aus, dass die Wirtschaft weiter wächst und sich jedes Problem irgendwann irgendwie lösen lasse, Mit Blick auf die Klimakrise sei dies schwierig. In ihr könne der weltliche Wachstums- und Fortschrittsglaube zur Ideologie werden. Christliche Schöpfungsbewahrung hingegen könne hier gegensteuern, Gesprächsgrundlage sein. Markus Vogt: „Es geht um die kritische Zuversicht als Alternative zum Sinnversprechen der ,Wachstumsdroge‘.“
Professor Markus Vogt ist Inhaber des Lehrstuhls für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war Gast des Winterseminars in der Leipziger Propstei. Hier sprach er auf Einladung der Katholischen Akademie und des Umweltrates des Dekanates Leipzig zum Thema „Klimagerechtes Handeln als christliche Glaubenspraxis“.
Zu Beginn wies Vogt darauf hin, dass der Klimawandel sowie die Migration die „größten Risiken für die globale Sicherheit seien“. So formulierte es auch die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz. Über drei Milliarden Menschen würden Mitte des Jahrhunderts in ihrer Existenz am Klimawandel leiden. Auch die deutsche Bischofskonferenz betonte schon 2007, dass der Klimawandel der Brennpunkt globaler ökologischer Gerechtigkeit sei. Heute, so Vogt, seien die Lebensbedingungen, in denen sich der Mensch entwickelt hat, verändert. Daraus entstehe ein Handlungsdruck, „grundsätzlicher über die Zukunft des Menschen und unser Gesellschaftsmodell nachzudenken.“
Rettung der Erde ist heute eine Gerechtigkeitsfrage
Die „Versöhnung mit der Erde“ sei heute eine Gerechtigkeitsfrage, betonte Vogt. Dabei erinnerte er an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021. Darin wird der Staat zum Klimaschutz verpflichtet. „Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität“, so der Referent. Damit habe das Gericht das höchste Gut der Gesellschaft neu definiert: Die Freiheit. Der ökologisch blinde Liberalismus, der nur auf das eigene Wohl bedacht ist, verstoße seither gegen das Grundgesetz, so der Referent.
Vogt favorisierte als einen Lösungsansatz einen künftigen Ökologischen Humanismus. Dieser, so Vogt, fordere eine neue Generation der Menschenrechte. Neben den Freiheits- und gesellschaftlichen Rechten bedarf es heute der ökologischen Existenzrechte. Basis des ökologischen Humanismus könne die christliche Umweltethik sein. „Vielleicht“, so Vogt, „stehen wir 500 Jahre nach der Reformation durch Luther wieder an der Schwelle einer solchen Wende, einer kulturellen Reformation.“Die christliche Umweltethik könne ihr Lebenswissen sein. Wie aber kann ein Kurswechsel gelingen? Unter anderem im Wandel der Schöpfungssicht jedes einzelnen Christen. Vogt sieht hier eine Suchbewegung, die Ökologie werde zur Gottesrede. Er sagt: „Gottesglaube ist heute Schöpfungsglaube, Naturerfahrung ist Gotteserfahrung.“ Gott könne in der Hinwendung zur Erde neu erfahren werden. „Wir müssen uns als Teil der Schöpfung sehen und eine Beziehung zur Natur und den Tieren haben.“ Das könne sehr emotional und heilsam werden.
Markus Vogt forderte dazu auf, die Schönheit der Schöpfung neu wahrzunehmen, sie zu genießen, sich aber auch in die Verantwortung nehmen zu lassen. Praktische Tipps dafür hatte unter anderem die Deutsche Bischofskonferenz in einer Handlungsempfehlung gegeben. Darin heißt es unter anderem:„Die Schöpfungsspiritualität soll bewusster in der Verkündigung und der Liturgie verortet werden.“ Und die kirchlichen Traditionen wie das Fasten sollen, so die Bischöfe, im Blick auf die Schöpfungsverantwortung neu fruchtbar werden.
Markus Vogt ist insgesamt optimistisch. Aus christlicher biblischer Sicht argumentiert er, dass Geld und Öl „Regime unserer Zeit“ seien, die ihre Zukunft schon hinter sich hätten. Im Menschen sieht Vogt immer das Streben nach Verbesserung. Er könne auf den Klimawandel reagieren und Lösungen finden.