Neue Ordnung für Wort-Gottes-Feiern im Bistum Dresden-Meißen
„Es ist keine Messfeier light“
Foto: Michael Baudisch
„Wenn ich nach der Leitung einer Wort-Gottes-Feier nach Hause fahre, bin ich völlig ausgelaugt“, bekennt Elisabeth Meuser. „Aber positiv ausgelaugt, denn es liegt daran, dass ich von den vielen Eindrücken überwältigt bin und sie erst mal verarbeiten muss.“ Seit über vier Jahren leitet die 65-Jährige aus der Pfarrei St. Martin Dresden-Nord dort als ehrenamtliche Gottesdienstbeauftragte Wort-Gottes-Feiern.
„Es war schon eine Berufungsgeschichte“, sagt Elisabeth Meuser über ihre Beauftragung, die gerade um vier weitere Jahre verlängert wurde. Der erste Impuls kam in einer Lebensphase, in der ihr vieles schwer zusetzte. Als sie zufällig von der Ausbildung zur Gottesdienstbeauftragten erfuhr, habe sie sofort gemerkt: „Ich hatte wieder auf etwas Lust, spürte ein inneres Feuer in mir.“
Sich mit Theologie auseinanderzusetzen, war der langjährigen Pressestellenmitarbeiterin des Bistums nicht neu. Über mehrere Jahre arbeitete sie für die Jesuiten-Zeitschrift „Geist und Leben“, danach im Sekretariat der ebenfalls ignatianisch geprägten Gemeinschaft Christlichen Lebens. „Glaube und Leben in Verbindung zu bringen, ist mir deshalb schon länger vertraut.“
An den sieben Orten der Pfarrei St. Martin Wort-Gottes-Feiern leiten, sagt sie, sei vor allem eines: Teamwork. Neun Köpfe zählt dort der Kreis der Gottesdienstbeauftragten: acht Laien – drei Männer und fünf Frauen – und ein ständiger Diakon mit Zivilberuf. „Dadurch, dass wir relativ viele sind, können wir auch mal im Tandem agieren. Das entlastet uns, und die Gemeinde hört während des Gottesdienstes nicht nur dieselbe Stimme.“
Meuser: „Wir sind nicht die Ersatz-Pfarrer“
Während sie eine Wort-Gottes-Feier leite, erzählt Elisabeth Meuser, trage sie stets eine Albe. „Einfach, weil ich in diesem Moment für Gott, für Jesus da bin und diese Rolle einnehme. Der Gemeinde ist aber klar, dass wir Gottesdienstbeauftragten aus ihrer Mitte kommen, wir also nicht die Ersatzpfarrer sind.“
Dass Wort-Gottes-Feiern auch eine pragmatische Antwort auf den Priestermangel sind, ist für sie unstrittig. Es sei aber mehr als das. Denn während in der heiligen Messe die Gegenwart des Leibes Christi im Zentrum stehe, sei bei den Wort-Gottes-Feiern der Name Programm. „In ihnen wollen wir das Wort Gottes stärker wahrnehmen und auf diese Weise mit ihm in Verbindung treten. Es ist weder eine ‚Messfeier light‘ noch eine Konkurrenz zur Eucharistiefeier.“
Ähnlich drückt es Pfarrer Stephan George aus: „Aus Worten und Zeichen soll eine Feier werden“, erklärt der im Bistum für die Ausbildung der Gottesdienstbeauftragten Mitverantwortliche. Voraussetzung dafür sei, „eine gewisse Dramaturgie, ein Gespür für einen Raum zu entwickeln. Dafür braucht es Einfühlungsvermögen.“ Er betont: „Es geht nicht darum, die heilige Messe zu verdrängen. Die Wort-Gottes-Feiern sind eine gute und wertvolle Ergänzung.“ Die neue bistumsweite Ordnung für Wort-Gottes-Feiern, die am 1. Advent in Kraft tritt, so George, unterstreiche dies.
Dass damit das Verhältnis zur Eucharistiefeier noch deutlicher geregelt werde, findet Elisabeth Meuser gut. So tue sie sich zum Beispiel etwas schwer damit, wenn am Ende von Wort-Gottes-Feiern die Kommunion gespendet wird. „Das widerspricht etwas dem Gedanken, das Wort ins Zentrum zu rücken.“ Zur Kommunion, die ihr persönlich weiterhin sehr wichtig sei, gehört für sie zudem auch die Wandlung selbst. Sie könne aber verstehen, wenn einige auf eine Spendung der zuvor andernorts gewandelten Hostien Wert legten – „gerade, wenn in manchen Gemeinden oder Pfarreien über längere Zeit keine Eucharistiefeier stattfindet“.
Die feiernde Gemeinde stärker einbeziehen
An Wort-Gottes-Feiern schätzt sie die Freiheit bei der Gestaltung und die Möglichkeit, die Mitfeierenden stärker einzubeziehen. „In der Messfeier ist der Ablauf auf ihren Höhepunkt ausgerichtet: die Kommunion. Wort-Gottes-Feiern leben von anderen Elementen.“ Die Gestaltung richte sich inhaltlich nach dem Tagesevangelium. Als es darum ging, wie Jesus seine Jünger fragte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15), ermunterte sie die Feiernden, nach vorn zu kommen, eine Kerze anzuzünden und die Frage für sich ganz persönlich zu beantworten – laut hörbar für alle oder im Stillen für sich. Auch Lobpreis-Formate habe sie schon eingebunden. „Oder eine Prozession, bei der die Kinder mit Kerzen hinter dem Lektionar hergehen.“ Sie erinnert sich an eine Wort-Gottes-Feier um das Gleichnis vom barmherzigen Vater (Lk 15,11-32). „Wir standen zu fünft vorn und lasen die Erzählung mit verteilten Rollen.“ Später habe der Organist zu ihr gesagt: „Heute habe ich dieses Evangelium ganz neu gehört.“
Eben das macht für Ausbilder Stephan George den Reiz der Feiern aus: „Gottesdienstbeauftragte sollen keine Funktionäre sein, sondern mit den anderen gemeinsam feiern.“ Wie gut eine Wort-Gottes-Feier gelingt, sagt Elisabeth Meuser, hänge deshalb auch immer von der Bereitschaft der Gemeinde ab, sich einzulassen und mitzumachen. „Andererseits gibt es auch Menschen, für die der Gottesdienst die eine Stunde in der Woche ist, in der keiner was von ihnen will. Das kann ich voll und ganz nachvollziehen und respektieren.“
Am meisten Freude mache es aber mit einer aktiven Gemeinde. Sie berichtet von einem weiteren „Gänsehautmoment“: „Als wir einmal das Lied ‚Groß sein lässt meine Seele den Herrn‘ sangen, geriet der Organist in einer Strophe etwas aus dem Tritt und pausierte spontan. Doch die Gemeinde sang einfach voller Inbrunst weiter, die Kirche dröhnte regelrecht.“ Wenn die Anwesenden sich so mit einbrächten, sagt Elisabeth Meuser, „wird Gottes Gegenwart im Hören und Feiern des Wortes Gottes spürbar“.