Pfarrei St. Elisabeth Tangermünde gehört ab 2025 zu Stendal
Pfarrei beantragt eigene Aufhebung
Foto: Oliver Gierens
Meistens kämpfen Pfarreien darum, eigenständig zu bleiben. In Tangermünde im nördlichen Sachsen-Anhalt ist das anders: Die Pfarrei St. Elisabeth hat um ihre Aufhebung gebeten und will sich der Nachbarpfarrei in Stendal anschließen. Von den rund 600 verbliebenen Mitgliedern wollen sich offenbar nur noch wenige engagieren. Die Wahl eines Leitungsteams kam mangels Kandidaten vor einigen Monaten nicht zustande. Nachdem die Gremien – Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand – entsprechende Beschlüsse gefasst hatten, beschloss im Februar eine Pfarreiversammlung, den Magdeburger Bischof Gerhard Feige um die Aufhebung der Pfarrei zu bitten.
Seitdem nehmen die Dinge ihren Lauf: Ende Juni nahm der Bischof den Rücktritt des Kirchenvorstandes an. Zum 1. Juli setzte er Diakon Matthias Marcinkowski als Verwalter der Pfarrei Tangermünde ein. Seine Aufgabe: Er soll die Pfarrgemeinde abwickeln und für einen ordnungsgemäßen Übergang sorgen. Denn am 31. Dezember ist Schluss: Dann wird die Pfarrei Geschichte sein und an die Nachbarn von St. Anna in Stendal angegliedert.
So ganz einfach ist das allerdings nicht, wie das Ordinariat in Magdeburg betont. Denn es handle sich um einen staatskirchenrechtlichen Akt. Dieses Verfahren werde in Kürze eröffnet. Das Bistum geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Länder, Kommunen und Landkreise die Entscheidung des Bischofs mittragen. Das Verfahren soll im Dezember beendet sein, heißt es.
Abschied von Gemeinde und Kirche
Ebenfalls zum Jahresende müssen sich die Gemeindemitglieder noch von einer ihrer Kirchen verabschieden. St. Josef in Steckelsdorf bei Rathenow (Brandenburg) wird auf Antrag des Kirchenvorstandes am 7. Dezember nach einer letzten heiligen Messe profaniert, anschließend sollen Kirche und Grundstück verkauft werden. Doch die Gläubigen sollen den gesamten Monat Zeit haben, ihrer Kirche „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Die dortigen Gottesdienste sollen demnächst in ökumenischer Eintracht in den Räumen der evangelischen Gemeinde gefeiert werden, wie das Bistum mitteilte.
Erhalten bleibe allerdings die Kirche Zur Heiligen Dreifaltigkeit in Tangermünde. Dort werde es weiterhin Gottesdienste geben, erklärte das Bistum weiter. Der Stendaler Pfarradministrator Stephan Lorek werde dann für die fusionierte Pfarrei zuständig sein. Auch die eigentlich für November anstehenden Gremienwahlen werden aufgrund der Fusion auf den 15. und 16. März kommenden Jahres verschoben. „So können sich interessierte Mitglieder aus Tangermünde zur Wahl aufstellen lassen und weiter beteiligen“, sagt Diakon Marcinkowski. Auf diesem Wege sei auch eine Wahrnehmung als Gesamtpfarrei besser möglich.
„Wir haben im Pfarrgemeinderat (PGR) beschlossen, die Stendaler zu bitten, uns in ihre breiten Arme aufzunehmen“, sagt die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Ursula Rensmann im Gespräch mit dem Tag des Herrn. In Tangermünde habe sich kein Leitungsteam gefunden. Auch sie selber stehe aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. „Vor Ort sind überwiegend ältere Personen. Die jammern schon, dass sie künftig zehn Kilometer nach Stendal fahren müssen“, erzählt die PGR-Vorsitzende. Andere wollten sich nur um die Gemeinde in ihrem Ortsteil kümmern. „Es ist auch eine Frage dieser riesigen Entfernung“, sagt Rensmann.
Dabei seien Kirche und Gemeinderäume in Tangermünde durchaus in einem guten Zustand – aber nicht die Gemeinde, beklagt Rensmann. Vom Bistum fühle man sich im Stich gelassen. Eine Gemeindereferentin sei dauerhaft erkrankt und werde nicht mehr zurückkehren. Eine andere Mitarbeiterin falle wegen Mutterschaftsurlaub aus. Zudem gebe es nur noch einen Pfarrer für die gesamte Region Stendal/Tangermünde. In Tangermünde komme noch eine halbtags tätige Schreibkraft hinzu. Mit dieser Personalsituation sei die Arbeit für Ehrenamtliche nicht zu bewältigen, meint die PGR-Vorsitzende. „Da müsste vom Bistum mehr Unterstützung kommen.“ In der Diözese gebe es zwar wirtschaftliche und personelle Probleme. „Aber es kann nicht sein, dass eine Region völlig ausblutet. Das kriegt man später nicht mehr so leicht belebt“, meint die PGR-Vorsitzende. Junge Menschen ließen sich in einer solchen Situation kaum begeistern.
Etwas Leben ist noch vorhanden
So seien die Pfarreigruppen vor Ort kaum noch aktiv. Die Aktiven seien immer älter geworden und aus den mittleren Jahrgängen komme fast kein Nachwuchs. Einen Chor gebe es noch, sogar einen Jazz-Chor. Hier und da existierten noch Seniorenkreise, andere organisieren Wort-Gottes-Feiern mit anschließendem Kaffeetrinken. „Ein wenig tut sich noch. Es ist nicht so, dass alles tot wäre“, berichtet Rensmann. Die Flüchtlingsberatung habe vor allem die mittlerweile erkrankte Gemeindereferentin gestemmt.
Die Situation in Tangermünde hat auch Auswirkungen auf die Ökumene, bestätigt Superintendent Michael Kleemann, leitender Geistlicher im Evangelischen Kirchenkreis Stendal. „Ich habe noch Zeiten erlebt, da hatte die Altmark rund 15 katholische Pfarrbereiche, jetzt sind es noch zwei auf einer Fläche, die doppelt so groß ist wie das Saarland.“ Manche meinten bereits, so sehe es auch in 20 Jahren in den evangelischen Gemeinden aus, berichtet Kleemann. „Das glaube ich zwar nicht, aber wir müssen vor Augen haben, was unser früherer Landesbischof Axel Noack immer gesagt hat: fröhlich kleiner werden und trotzdem wachsen.“ Das sei einer Herkulesaufgabe, sich immer wieder Mut zu machen und nicht wie das Kaninchen auf die Schlange zu blicken. Es gehe darum, zu schauen, wo es Menschen gebe, welches geistliches Interesse sie hätten und wie man sie erreichen könne.
Allerdings macht der Superintendent auch deutlich: Der Wille, ökumenisch miteinander unterwegs zu sein, hänge nicht von Zahlen ab. „Ich merke aber, unter welchem unglaublichen Druck der katholische Kollege in Stendal steht, die nötigen Veränderungsprozesse zu kommunizieren, selbst auszuhalten und dabei trotzdem noch fröhlich das Evangelium zu verkünden.“
Auch Bischof Feige sieht in der Aufhebung der Tangermünder Pfarrei eine Chance für die Ökumene. Man reagiere mit der Maßnahme auf die gegenwärtigen Herausforderungen. In einem persönlichen Schreiben an die Gemeindemitglieder schreibt er: „Ich bin mir bewusst, dass diese Entscheidung ein großer Einschnitt für Sie als Pfarrei bedeutet. Dennoch hoffe ich, dass Sie sich davon nicht entmutigen lassen, sondern es auch als Chance verstehen.“ Dieser Schritt sei womöglich auch eine Gelegenheit, die ökumenischen Kontakte auszubauen und gemeinsam Christ zu sein.