Krankenwallfahrt nach Lage

Altbischof spendet Trost und Segen

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Altbischof Bode spendet einer Pilgerin den persönlichen Segen.
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Foto: Thomas Osterfeld

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Altbischof Franz-Josef Bode predigte bei der Krankenwallfahrt in Lage. Foto: Thomas Osterfeld

Zahlreiche Pilger aus dem Bistum Osnabrück haben am vergangenen Sonntag die Messe unter freiem Himmel vor der Wallfahrtskirche von Lage gefeiert. Im Anschluss an die Messe spendeten Priester und Diakone einen persönlichen Segen.

 Altbischof Franz-Josef Bode stellte in seiner Predigt den Evangeliumstext des Tages in den Mittelpunkt. Darin ging es um den Sturm auf dem See, den Gegenwind, dem sich die Jünger stellen müssen. Jesus im Sturm zu erkennen, sich in allen Widrigkeiten von ihm bei der Hand nehmen zu lassen, sei die Perspektive und die Hoffnung, die das Kreuz für uns bedeute. Deshalb gebe es seit Jahrhunderten Orte wie Lage, sie seien Orte der Hoffnung und Zuversicht in Leid und Not. Bode: „So kann Kirche auch in Zeiten weniger Priester und weniger Eucharistiefeiern leben und sich vom Gekreuzigten beleben und aufrichten lassen.“ 

Die Predigt im Wortlaut:

Predigt von Bischof em. Dr. Franz-Josef Bode

 

 

„…denn sie hatten Gegenwind.“ – Liebe Schwestern und Brüder, Gegenwind bläst auch uns heute in der Kirche in vielfältiger Weise ins Gesicht. Ja so sehr, dass auch wir manchmal schreien möchten vor Angst. Aus Angst vor dem Zerbrechen und aus Angst vor dem Untergang, aus Angst vor der Zukunft überhaupt. Und das nicht nur in der Kirche, sondern durchaus auch in der Gesellschaft – und auch im Blick auf die Situation der Welt, der Schöpfung, der ganzen Menschheit. 

Der Gegenwind trifft uns hart, zumal die Kirche gern mit einem Schiff verglichen wird. Die See ist für uns rauh und gefährlich geworden durch die fortschreitende Säkularisierung, durch Traditionsabbrüche sondergleichen, durch zunehmenden Individualismus, der kaum noch gemeinsames Denken und Handeln hervorbringt, durch zunehmenden Populismus, in dem es nur schwarz-weiß gibt und die Vereinfachungen grassieren, weil man differenzierter, auch geschichtsbezogener Urteile nicht mehr fähig ist. Und natürlich durch die Missbrauchsskandale und den Umgang damit auf den verschiedenen Verantwortungsebenen.

Umso mehr dürfen wir heute dankbar sein, dass wir uns wieder – in diesem Jahr zum 28. Mal – auf Lage vor dem Kreuz Jesu begegnen dürfen, vor diesem Kreuz, das Menschen schon über Jahrhunderte Trost und Ermutigung geschenkt hat. Das Kreuz wird ja auch mit dem Mast des Schiffes Kirche verglichen, dem Mast, der steht und an dem die Segel in Sturm und Wind ihren festen Halt haben. Noch eingängiger ist das Bild von der Schiffsplanke, das in einem uralten Kreuzhymnus vorkommt: „Du, die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt.“

Oft genug aber haben wir das Gefühl, dass das Schiff unseres Lebens, das Schiff unserer Kirche, das Schiff unserer Welt übermächtigt wird in den Fluten aus reißenden Strömen, sei es aus der heutigen Klimakrise oder von den Unmengen an Bildern und Reizen, an tatsächlichen und vermeintlichen Problemen. Die Angst vor dem Untergang scheint stetig zu wachsen – oder sie wird übertönt und übertüncht durch alles Mögliche an Ablenkung und Vergnügen, um ja nicht der Wirklichkeit ins Gesicht sehen zu müssen.

... Anders als erwartet, oft übersehen und verkannt, aber er kommt ...

Aber gerade da ist Jesus im Kommen. Das will uns die bekannte Geschichte vom Seesturm doch sagen. Gerade da kommt er, anders als erwartet, oft übersehen und verkannt, aber er kommt und ruft uns zu: „Habt Vertrauen, ich bin es!“ Ja selbst in dem bitteren Leiden am Kreuz, in der größten Ohnmacht, ruft Jesus uns zu: Habt Vertrauen, ich bin es! Ich lasse euch in Leid und Tod nicht allein, da ich selbst als Mensch und Gott alles schon durchlitten habe, um bei euch zu sein auch in schwierigsten Zeiten.

Petrus erkennt die Lage und will dem Herrn entgegeneilen, auch auf den wilden Wellen. Hochherzig verlässt er das Gewohnte, das Schiff, den festen Halt, und im festen Blick auf Jesus gelingt ihm der Gang auf dem Wasser. Aber als er den Blick abwendet und nur noch die Gefahr sieht, droht er in die Tiefe zu rutschen, und er schreit: „Herr, rette mich!“ – Das ist der Schrei all derer, die wirklich am Ende sind und den Untergang fürchten. 

Aber da streckt Jesus seine Hand aus und greift nach der Hand des Petrus. Diese Hand Jesu hat es mir an diesem Evangelium immer besonders angetan, weil sie gerade den Zweifelnden entgegengestreckt wird. Das ist ein Ur-Bild unserer Erlösung, ein Ur-Bild dessen, der eben größer ist als Wind und Wellen, als aller Gegenwind und Sturm, der uns selbst im Untergang nicht verlässt und an dessen Hand wir überleben können.

Freilich, liebe Schwestern und Brüder, spüren wir nicht immer sofort diese Hand im Getöse aller Widrigkeiten in unserem Leben, in Kirche und Welt. Aber sie ist da, mal mehr, mal weniger spürbar und erfahrbar. Darauf dürfen wir vertrauen. Und im Blick auf Jesus, vor allem im Blick auf den Gekreuzigten, werden wir mitten in den Fluten gestärkt und getragen. „Du, die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt.“

Unzählige Menschen haben das durch die Jahrhunderte auf Lage erfahren, wenn sie das zentnerschwere Kreuz auf die Schultern nahmen und dabei spürten, dass ein anderer sie trägt und alle ihre Leiden mitträgt.

Die Jünger im Boot fielen nieder und beteten diesen Jesus an, der sie in der Gefahr nicht losließ. Wir kommen seit vielen Jahren hierher als Wallfahrer, bei diesem Fest oder eben in kleinen Gruppen oder als Einzelne, um es den Jüngern gleichzutun: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“

... Das ist die Perspektive und die Hoffnung, die das Kreuz für uns bedeutet, vor allem nach der Auferstehung Jesu ...

Jesus im Sturm erkennen, im festen Blick auf Jesus das Gewohnte verlassen und Neues wagen, sich in allen Widrigkeiten von ihm bei der Hand nehmen lassen und in der Stille und Ruhe anbeten, das ist die Perspektive und die Hoffnung, die das Kreuz für uns bedeutet, vor allem nach der Auferstehung Jesu, die uns zeigt, dass das Kreuz der Weg zum Leben ist.

In der alttestamentlichen Lesung wird schon in der Wüste bei der vergifteten und verbissenen Atmosphäre im Volk Israel die Feuerschlange, die eherne Schlange zum wirksamen Zeichen des Lebens, wenn man zu ihr aufblickt. Da wird uns erst recht der Aufblick zum Kreuz Leben und Heil schenken in unserer vergifteten und verbissenen Welt.

Vom Baum des Paradieses kam durch die Schlange das Unheil, vom Baum des Kreuzes kommt durch den Gottessohn selbst Leben und Heil. Oder wie es in der 2. Lesung heißt in dem uralten Hymnus des Philipperbriefs: Gott hat ihn, den Erniedrigten und Entäußerten, erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen und bekennen: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.

Deshalb gibt es diesen Ort seit Jahrhunderten als Ort der Hoffnung und Zuversicht in Leid und Not. Solche Orte der Hoffnung werden umso wichtiger, je weniger Menschen sich in unseren Gemeinden verbinden lassen durch den Sonntagsgottesdienst und andere regelmäßige Beziehungen. So manche suchen dann eben solche Orte wie hier auf, von denen etwas ausgeht, das andere über die Jahrhunderte als Heil erfahren haben. Hier kann sich jeder und jede einfinden, hier können alle Gruppen das Kreuz tragen, ob sie der Kirche nahestehen oder nicht, ja auch wenn sie ausgetreten sind. Hier bietet Jesus seine erlösende Hand allen an, die auf ihn und sein Leben blicken und sich selbst um ein Leben in seiner Spur bemühen, bewusst oder unbewusst.

Viele solche Hoffnungsorte wünsche ich unserer Diözese weiterhin, vor allem auch an Wallfahrtsorten und Gebetsstätten. Dieses Netzwerk von Hoffnungsorten kann uns halten, wie auch und mehr noch das Netzwerk von Hoffnungsworten, wenn wir uns um das Wort Gottes scharen in kleinen oder großen Gruppen etwa zum Bibelteilen, wenn wir uns gegenseitig die Worte verstehen lehren und lernen, immer tiefer auf Gottes Wort zu hören, so wie die Jünger im Boot hörten: „Habt Vertrauen, ich bin es!

So kann Kirche auch in Zeiten weniger Priester und weniger Eucharistiefeiern leben und sich vom Gekreuzigten beleben und aufrichten lassen, der seine Arme am Kreuz ausgebreitet hat, um alle an sich zu ziehen. Liebe Schwestern und Brüder, möge das Kreuz von Lage auch in Zukunft ein Anziehungs- und Sendungsort der Hoffnung sein und bleiben. Amen.