Erinnerung an eine persönliche Begegnung mit Kardinal Karl Lehmann

Auf ein Wiedersehen beim Herrn!

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Jede kurze Unterhaltung mit Kardinal Karl Lehmann wurde zur persönlichen Begegnung: „Unser Bischof“ war ein zugewandter und humorvoller Sympathieträger der Mainzer Kirche. Von Maria Weißenberger.

Ein Segen zum Abschied: Kardinal Lehmann beim Schlusssegen im Gottesdienst zu seinem 80. Geburtstag. Foto: Archiv/Hörnlein
Ein Segen zum Abschied: Kardinal Lehmann beim Schlusssegen im Gottesdienst
zu seinem 80. Geburtstag. Foto: Archiv/Hörnlein

Wann genau ich Bischof Karl Lehmann zum ersten Mal begegnet bin? Ich weiß es nicht mehr genau. Wie sehr er mich überrascht hat, als wir uns zum zweiten Mal sahen, das werde ich wohl nie vergessen: Er kannte mich tatsächlich noch mit Namen.

Auch mehr als 30 Jahre später faszinierte es viele Menschen, wie schnell sich Kardinal Lehmann Gesichter und Namen einprägte – eine Gabe, durch die jede noch so kurze Begrüßung, jede kurze Unterhaltung mit ihm am Rande einer Veranstaltung sofort zur persönlichen Begegnung wurde. Das haben mir Menschen aus allen Gegenden des Bistums immer wieder erzählt.

Karl Lehmann besaß die Gabe, Herzen zu gewinnen – nicht nur die der Katholiken in seinem Bistum. Ich habe im Lauf der Jahre so manche evangelischen Mitchristen in Mainz und Umgebung von „unserem Bischof“ reden hören. In weiten Kreisen der Bevölkerung genoss er Ansehen und Respekt, nicht nur weil er der Bischof und ein begnadeter Theologe war. Gleichzeitig schenkten ihm viele Menschen ihre Zuneigung. „Standing Ovations“ im Fußballstadion der 05er sind nur ein Beispiel für die Wellen der Sympathie, die er auslöste.

Karl Lehmann war bekannt dafür, dass er hart arbeitete – nicht selten bis weit in die Nacht hinein. Aber er konnte auch das Leben genießen, in geselliger Runde essen und trinken. Und er konnte herzlich lachen – mit ansteckender Wirkung. Da fällt mir ein, wie ihm die gesamte „Frauenmannschaft“ der Redaktion mit einer (gebastelten und nicht zum Verzehr geeigneten) „Glaube und Leben“-Torte zum 80. Geburtstag gratulierte. Als die Rede auf die leckeren Kuchen von Schwester Ruza kam, die (nicht nur) in der Küche des Bischofshauses wirkte, erwähnte eine Mitarbeiterin Lehmanns, dass es den guten Rhabarberkuchen leider nicht mehr gibt, „weil unser Chef Rhabarber nicht mag“. Nein, so ist das nicht, korrigierte er sofort. „Der Arzt hat mir geraten, auf Rhabarber zu verzichten.“ Schmunzelte und fügte hinzu: „Ich muss allerdings gestehen, dass mir das nicht schwerfällt.“

Das letzte Fest, bei dem ich Karl Lehmann erlebte, war die Feier zur Bischofsweihe seines Nachfolgers. Obwohl gesundheitlich sichtlich angeschlagen, hatte er es sich nicht nehmen lassen, Professor Peter Kohlgraf die Weihe zu spenden. Nachmittags entdeckte ich ihn auf dem Marktplatz – und tatsächlich gelang es mir, die Security-Männer zu überzeugen, dass sie die „Glaube und Leben“-Redakteurin in den abgesperrten Bereich vorlassen dürften.

„Der Kardinal“ – wie ihn viele nannten, als gäbe es weltweit nur den einen – war jedenfalls nicht böse, als ich mit der Kamera auftauchte. Er begrüßte mich mit einem strahlenden Lächeln, ließ sich gern fotografieren und plauderte locker über die Geschenke, die er für Bischof Kohlgraf vorbereitet hatte. Dazu gehört ein kleines Bischofskreuz, das er von seinem Vorgänger Hermann Volk erhalten hatte und das von Bischof Ketteler stammen soll. Es war ihm ein Anliegen, dass darüber in der Bistumszeitung etwas erscheint.
Als ich ihn einige Tage später im Bischofshaus besuchte und mit den Geschenken fotografierte, verabschiedete ich mich von einem Karl Lehmann, der noch große Pläne hatte. Er arbeite an einem Vortrag über Romano Guardini, den er 2018 halten würde. „Sobald ich damit fertig bin, melde ich mich.“

Dazu sollte es nicht mehr kommen. Adieu, lieber Herr Kardinal! Auf ein Wiedersehen beim Herrn!