„Alte Mauern – neues Leben“: Neu-Bamberg

Auf Meeresfels gebaut

Image
alte_mauern_2021.jpg

„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt diese Reiseseite zu Stätten, an denen einst kirchliches Leben blühte. Auch heute wird in den Mauern über Neu-Bamberg Gottesdienst gefeiert. Die Kirche St. Dionysius wurde dort auf den Überresten einer Burgkapelle errichtet. Von Anja Weiffen



Blick vom Ort Neu-Bamberg auf die Burgruine mit am Berghang blühenden Schwertlilien.


Hoch über Neu-Bamberg thront die Burgruine. Wie ein angespitzter Bleistift ragt ein Kirchturm aus dem Mauerwerk hervor. Im Spätmittelalter wurde hier die Neue Baumburg (siehe „Chronik“) gebaut. An deren Fuß entstand eine Siedlung. Ein mittelalterlicher Uhrturm und historische Gebäude erinnern im heutigen  Neu-Bamberg  an  frühere Zeiten. Ein Kleinod, dieser Ort. Meta und Hans Espenschied sind hier zuhause. Geboren und aufgewachsen. Auf dem Weg zur Kirche St. Dionysius können sie zu fast jedem Haus eine kleine Geschichte erzählen.
Angesichts geologischer Zeiträume, die der Erdboden hier offenbart, kommt das spätmittelalterliche Neu-Bamberg allerdings recht jugendlich daher. Meta Espenschied zeigt eine versteinerte Auster, die sie mitgebracht hat. „Wir stehen hier auf Meeresboden. Rund 30 Millionen Jahre alt.“ Nicht selten würden sich in der Umgebung Versteinerungen finden lassen, so oft, „dass auch mal die Kommunionkinder solche Steine als Geschenk mitbekommen“, erzählt sie. „In unserem Garten haben wir sogar Haifischzähne gefunden“, berichtet Hans Espenschied. Seine Frau verweist auf die Bibelstelle Matthäus 16,18: „Unsere Kirche ist wirklich auf Fels gebaut.“
Vor dem blauen Himmel blendet die frisch getünchte Seitenwand von Sankt Dionysius. Die kleine schmucke Kirche gehört zur Pfarrgruppe Rheinhessische Schweiz. Das Ehepaar Espenschied kümmert sich um das Gotteshaus: Meta Espenschied ist als Küsterin tätig, auch für Hans, Mitglied im Katholischen  Männerverein Neu-Bamberg, gibt es an und in dem Gebäude immer etwas zu tun.
Doch wie kommt das katholische Kirchlein in einem überwiegend evangelisch geprägten Ort in solch eine, wortwörtlich, Spitzenposition? Meta und Hans Espenschied wissen so einiges über die teils tragische Geschichte der evangelischen und katholischen Christen hier in früheren Epochen zu berichten. Lange Zeit wurde die evangelische Kirche
St. Georg von beiden Konfessionen genutzt. Doch da der Ort zu Kurmainz gehörte, sogar mit eigenem Amt, zogen Katholiken zu. Es gab Spannungen. 1756 wurden Fakten geschaffen: Auf die Überreste der Burgkapelle bauten die Katholiken eine neue Kirche. 1881/82 wurde sie um vier Meter verlängert und um den Dachreiter und die Sakristei erweitert.

Ökumenisch und vernetzt der Zeit voraus

„Wie tief gespalten die Ortsgemeinschaft damals war, zeigen etwa Einzelgräber von Witwern und Witwen, die auf den Friedhöfen zu finden sind“, erzählen die Espenschieds. Konfessionsverschiedene Ehepaare, die man früher getrennt auf dem evangelischen und auf dem katholischen Friedhof beisetzte. „Heute steht nur der Friedhof an der evangelischen Kirche für den gesamten Ort zur Verfügung“, erläutert Hans Espenschied. „Wir wollen die Grabsteine des alten katholischen Friedhofs am Ortsrand aber erhalten.“ Die Zeiten haben sich geändert: Mit der Ökumene läuft es gut, finden die beiden, schließlich leben auch sie selbst die Ökumene. Denn Meta Espenschied ist evangelisch, in St. Georg getauft und konfirmiert, ihr Mann Hans katholisch. St Dionysius liegt beiden am Herzen.
Zwar ist das katholische Kirchlein von alten Mauern umgeben, aber in Sachen Vernetzung –, wie sie gerade in vielen Bistümern im Zuge von Strukturveränderungen gefordert wird, – sind die Katholiken hier der Zeit voraus. „Wir hatten noch nie eigene Gemeinschaftsräume“, sagt Hans Espenschied. „Aber die Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Gemeinde ist gut, wir können ihre Räume mitnutzen.“ Ein weiterer Treffpunkt für die Gemeindemitglieder befindet sich in St. Dionysius selbst, im hinteren Teil der Kirche an einer Marienstatue. Regelmäßig findet hier das „Café Maria“ statt, Gottesdienst und gemütliches Beisammensein. Auch draußen vor der Kirche lässt es sich gut treffen. Denn wer den Schlossberg erklommen hat, der wird mit einem grandiosen Blick belohnt: Hier scheinen die Hügel von Rheinhessen – der Millionen Jahre alte Meeresgrund –  direkt an den Himmel zu stoßen.

Von Anja Weiffen