Diözesanversammlung in Mainz

Aufbruch zu einer Kirche des Teilens

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Der Weg des Bistums Mainz in die Zukunft – wie sieht er aus, was ist das Ziel? Die „Botschaft“, von vielen Menschen mit Spannung erwartet, kam jetzt in der Diözesanversammlung. Bischof Peter Kohlgraf präsentierte Ideen für einen pastoralen Weg – der vor allem auch ein geistlicher Weg sein soll. Von Maria Weißenberger.

„Wir wollen eine Kirche des Teilens werden“, sagt der Bischof. Das Teilen bezeichnet er als roten Faden seiner Ideen, die das Ergebnis vieler Gespräche seit seinem Amtsantritt sind. Und die, wie er betont, nicht in Stein gemeißelt sind: Vieles solle in den Gremien noch diskutiert werden.

Jeder Einzelne ist Teil des Organismus

Bischof Peter Kohlgraf hat den Vorsitz der Diözesanversammlung. Links die geschäftsführende Vorsitzende Dr. Hildegard Dziuk, rechts die Geschäftsführerin der diözesanen Räte, Martina Reißfelder. | Foto: Tobias Blum/Bistum Mainz
Bischof Peter Kohlgraf hat den Vorsitz der Diözesanversammlung. Links die geschäftsführende Vorsitzende Dr. Hildegard Dziuk, rechts die Geschäftsführerin der diözesanen Räte, Martina Reißfelder. | Foto: Tobias Blum/Bistum Mainz

Klar ist: Es geht darum, teilen zu lernen – Leben und Glauben, aber auch die vorhandenen Ressourcen. Und die Verantwortung – das heißt, es muss über neue Leitungsmodelle nachgedacht werden. Das Selbstverständnis Hauptamtlicher, „Ich bin für alles zuständig und verantwortlich“, gelte es aufzubrechen.

Nicht nur Priester und Hauptamtliche sind „Berufene“, betont Kohlgraf.  Alle sollten sich ihrer Geistesgaben bewusst sein und einander nicht als Konkurrenten sehen. Vielmehr sei es wichtig, dass sich jeder als „Teil des Organismus“ begreife. In dieser neuen Kultur des Miteinanders sei es die wichtigste Aufgabe der Leitenden, Visionen zu entwickeln und zu vermitteln: „Bilder von Zukunft, die in uns Leidenschaft entfachen“,  wie der Bischof es ausdrückt. An der Entwicklung der Visionen mitzuwirken und sie „am Kochen zu halten“, das sieht Kohlgraf als wesentliche Aufgabe der Räte.

Eine Hauptrolle in seiner Vision einer „Kirche des Teilens“ spielt die Frage: Bekommen die Menschen, was sie brauchen – und brauchen sie das, was sie von uns bekommen? Dabei sieht er besondere Optionen für die Armen, für die Jugend und die Familien in der ganzen Vielfalt heutiger Formen, aber auch für die Alten.

Zum Dienst an den Menschen gehört es für den Bischof, zu einer „Logik der Dienstkategorien“ zu finden, wie sie der Pastoraltheologe Rainer Bucher beschreibt. Auf Nähe, Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit, auf eine offene Grundhaltung gilt es demnach zu setzen. Dies trotz größerer Pfarreien, die auch im Bistum Mainz kommen werden. Denn vor den rückläufigen Zahlen der Priester und anderer Hauptamtlicher (siehe „Stichwort“), von Kirchenmitgliedern und Kirchensteuern kann niemand die Augen verschließen. Und da nach dem Kirchenrecht in der Regel ein Priester Gemeindeleiter ist, kann die Zahl der Pfarreien nicht so bleiben, wie sie ist.

Pfarrei, Gemeinde, Kirchort – was ist was?

Wobei Kohlgraf großen Wert auf die Klärung der Begriffe legt: Die Pfarrei versteht er als Verwaltungseinheit, während der Begriff Gemeinde die lokale Gemeinschaft von Christen in ihrer Vielfalt bezeichnet. „Mitzudenken“ sind auch „Kirchorte“ darüber hinaus: Schulen und Kindertagesstätten, Caritas-Einrichtungen, Verbände, geistliche Gemeinschaften ...

Der Bischof geht davon aus, dass es künftig rund 60 Pfarreien im Bistum gibt, und schlägt zwei Modelle vor: „Pfarreien mit Mittelpunkt“ und „Pfarreien aus Einzelgemeinden“. In beiden Fällen fusionieren bestehende Pfarreien, es gibt nur noch einen Pfarrgemeinderat und einen Verwaltungsrat. Kohlgraf strebt an, in jedem Team möglichst zwei Priester einzusetzen: einen mit zentraler Leitungs- und Verwaltungskompetenz und einen mit pastoraler Grundkompetenz, dazu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Seelsorgeberufe. Eine wesentliche Rolle kommt auch den Ehrenamtlichen zu.

Vorgesehen ist, dass die Menschen in den 20 Dekanaten ihren Weg selbst gestalten und die passenden Modelle wählen. In diesem Prozess wird sie ein Moderator unterstützen. Bis zum Sommer 2021 soll das entsprechende Konzept vorliegen; die Umsetzung erfolgt bis 2030. Für den Prozess ist eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die der Pastoralreferent Dr. Wolfgang Fritzen leitet.

 

Zur Sache: Kommunion-Handreichung

Über die von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Pastorale Handreichung zur gemeinsamen Teilnahme konfessionsverbindender Ehepaare an der Kommunion will Bischof Peter Kohlgraf mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums „breit diskutieren“. Es ist ihm wichtig, dass sowohl Befürworter als auch Kritiker zu Wort kommen. Dazu sollen regionale Gesprächstage im Bistum dienen. Dabei möchte der Bischof über den Stand der ökumenischen Theologie informieren und den Zweck der Handreichung ausführlich erklären. Auch Paare aus konfessionsverbindenden Ehen sollen zu Wort kommen. Nach den Gesprächen soll zu dem Thema eine Pastorale Leitlinie für das Bistum veröffentlicht werden.
Der Vorsitzende des Sachausschusses Ökumene, Propst Tobias Schäfer aus Worms, begrüßte die geplanten Gespräche. Er betonte die Bedeutung der Ökumene. Diese müsse in der Ausbildung stärker berücksichtigt werden. (mw)

 

Stichwort: Zukunftszahlen

Voraussichtlich wird sich die Zahl der aktiven Priester von derzeit 198 auf 104 im Jahr 2030 verringern. Die Zahl der Pastoralreferent(inn)en geht von 140 auf 101 zurück; statt den heute 238 Gemeindereferent(inn)en sind 2030 noch 153 im Dienst. Die Zahl der hauptamtlichen Diakone geht von 28 auf zehn zurück.
Aufgrund der demographischen Veränderungen wird mit einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen von rund 220 Millionen Euro pro Jahr heute auf unter 200 Millionen Euro. (mbn)

 

Meinung: Los geht's!

Maria Weißenberger Foto: privat
Redakteurin
Maria Weißenberger

Keine Panikmache, keine Horrorvisionen, kein Gejammer: Die Diözesanversammlung ist von einer positiven Grundstimmung geprägt. Wohlgemerkt nicht von Blauäugigkeit, Illusionen oder untertänigem sich Fügen ins Unvermeidliche. Es fehlt nicht an Diskussion, an kritisch-konstruktiven Anmerkungen zur Gestaltung des Wegs. Ja, es wird eine Lust am Gestalten spürbar, die sich hoffentlich auch in den Dekanaten zeigt, wenn es „losgeht“ mit den Überlegungen für das regional passende Konzept. Schade, dass es erst „negative“ Zahlen braucht, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist eben nicht der unbedingte Erhalt des Bestehenden. Sondern die Frage, was wir als Kirche wollen. Es wird nicht völlig schmerzfrei gehen. Aber die Aussicht auf einen spannenden Prozess, der das Denken und die Kreativität vieler herausfordert, motiviert. Jetzt geht’s los!