Die Kirche St. Christophorus in Hannover-Stöcken wird abgerissen

Aus Kirche wird Heimstatt

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Ein Abriss und ein Neubau – die Kirche St. Christophorus in Hannover-Stöcken weicht für den Bau von 40 Wohnungen. Doch das Gotteshaus soll nicht vergessen werden.


Drei Wochen wird es dauern, bis die Kirche St. Christophorus in Hannover-Stöcken abgerissen ist. | Fotos: Wala

Das Gelände ist weiträumig eingezäunt. Eine Abrissbirne schlägt große Löcher in die Kirche St. Christophorus. Mit Räumlöffeln und Greifern werden Holz und Stein erst getrennt geschichtet, dann abtransportiert. Bauarbeiter bewässern immer wieder den Abbruch, um zu viel Staub zu vermeiden. Passanten bleiben kurz stehen, lassen die Arbeiten auf sich wirken und gehen dann weiter. Nicht ohne einen Blick auf die am Bauzaun angebrachten Transparente zu werfen. Dort ist zu sehen und zu lesen, was passiert: Die Kirche weicht 40 Wohnungen. Aus Beten wird Wohnen.

Auch Jürgen Kaiser schaut zu, wie die Kirche Stein um Stein, Brett um Brett verschwindet. Er ist Vorstand des Heimatwerkes Hannover. Die Wohnungsbaugesellschaft hat bereits im September 2015 das Gelände der Kirche gekauft – von der Pfarrgemeinde St. Maria, zu der St. Christophorus gehörte. Noch länger liegt der Beschluss zurück, die Kirche zu profanieren. Das war bereits 2009. Doch erst ein Jahrzehnt und viele Verhandlungen später (mit anderen Interessenten und später mit der Stadt Hannover über den Bauantrag), wurde die letzte Heilige Messe gefeiert. Große Teile der Innenausstattung wurden über die Deutsch-Kroatische Gesellschaft nach Bosnien, in das Bistum Banja Luca vermittelt (die KiZ berichtete).

Der Abriss dauert mindestens drei Wochen

Nun aber sind die Bagger angerollt. „Drei, vier Wochen wird der Abriss dauern“, sagt Jürgen Kaiser. Am 1. Juli fällt der Startschuss für den Neubau – mit einer Grube, die für eine Tiefgarage ausgehoben wird. Darauf entstehen 40 Mietwohnungen, 26 davon sind Zweizimmerwohnungen. „Danach besteht in Hannover eine große Nachfrage“, sagt Kaiser. Die Landeshauptstadt gilt als das deutschlandweit größte Gemeinwesen mit Single-Haushalten. Schon jetzt gibt es eine Warteliste. Die Planung sieht aber auch Vierzimmerwohnungen für Familien vor – und Wohnungen, für die Mieter später einen Berechtigungsschein vorzulegen haben. „Umgangssprachlich heißt das Sozialwohnungen“, erläutert Kaiser.
 


Heimatwerk-Vorstand Jürgen Kaiser vor dem Modell des neuen Wohnhauses.

Weiter in der Planung: Ein großer Gemeinschaftsraum für die künftigen Bewohner. „Dieser Raum ist uns als Genossenschaft sehr wichtig“, betont Kaiser. Gelebte Nachbarschaft ist heute nicht mehr selbstverständlich. Für Kaiser ein Anzeichen dafür, dass so auch der soziale Zusammenhalt in einer Stadt verloren geht. „Deshalb statten wir diesen Raum hochwertig aus, auch mit einer Küche.“ Die Idee: Die Bewohner können diesen Raum für Feiern gegen einen kleinen Unkostenbeitrag mieten. „In anderen unserer Häuser organisieren Mieter abwechslungsreiche Angebote für die Hausgemeinschaft“, berichtet Kaiser. Falls es dazu in Stöcken einen Anstoß braucht, steht das Heimatwerk parat. Normalerweise ist dieser Gemeinschaftsraum für die Mieter reserviert. Hier wird das Heimatwerk aber eine Ausnahme machen. Aus gutem Grund: „Wir möchten diesen Raum dann auch den Gruppen zur Verfügung stellen, die sich bisher in St. Christophorus getroffen haben.“

Caritas Wohnen nutzt neues Gebäude

Auch wenn es bis dahin noch etwas hin ist: Das Heimatwerk plant mit zwei Jahren Bauzeit. So lange müssten die Gemeindegruppen im Stadtteil ausweichen. „Aber das Angebot besteht“, unterstreicht Kaiser.

Zurzeit ist Kaiser zudem in engen Beratungen mit Caritas Wohnen Hannover. Die Einrichtung in Trägerschaft der Stiftung Katholische Behindertenhilfe im Bistum Hildesheim bietet an fünf Standorten in Hannover Wohnangebote für Menschen mit Beeinträchtigung. Zwei davon in Stöcken, eine im ehemaligen Pfarrhaus von St. Christophorus. So wird dann Caritas Wohnen nicht nur im Erdgeschoss des neuen Gebäudes mit einer Verwaltung und einem Anlaufpunkt für ihre Bewohner einziehen. Mehrere Wohnungen werden speziell für behinderte Bewohner geplant und gebaut, sodass sie dort in Zweier-Wohngemeinschaften leben können: „Auch das gehört für uns als Genossenschaft zu unserer Vorstellung von Nachbarschaft“, betont Kaiser.

Die Geschichte der Kirche bleibt sichtbar

Bereits beim Kauf des Grundstücks hat er zugesichert, dass die Geschichte der Kirche im neuen Gebäude sichtbar bleibt. Eine Statue des Patrons wird im künftigen Gemeinschaftsraum einen deutlich sichtbaren Platz finden. Zwölf zum Teil beschädigte Apos­teltafeln aus der Kirche wird das Heimatwerk restaurieren lassen, damit auch sie pünktlich zum Einzug der ersten Mieter ausgestellt werden. Das Taufbecken von St. Christophorus wird im Gemeinschaftsgarten an die Vergangenheit als Gotteshaus erinnern.

Gesichert hat sich das Heimatwerk darüber hinaus eines der Kirchenfenster. Nach den Überlegungen von Kaiser wird es gereinigt, von einer Streulichtscheibe, mit Streben ummantelt und mit einem Beleuchtungselement versehen. So dauerbeleuchtet wird es im Treppenhaus oder im Gemeinschaftsraum ausgestellt werden.

Kostenpunkt des Neubaus: „Mit allem Drum und Dran kalkulieren wir mit 15 Millionen Euro“, sagt Kaiser. Auch für eine Genossenschaft mit 3000 Mitgliedern in der Region Hannover ein großes Projekt. Wichtig ist ihm, jetzt weiterhin im Gespräch mit der Kirchengemeinde zu bleiben: „Es bleibt ein ganz schmerzhafter Einschnitt in das Leben der Menschen, die sich zu St. Christophorus gezählt haben.“ Kurz vor dem Abriss wurde ihm der Grundstein der 1962 gebauten Kirche überreicht – durch Mitglieder des Kirchort-Teams von St. Christophorus. „Das war schon ein besonderer Moment“, sagt Kaiser.

Rüdiger Wala