Längster Aufsatz des emeritierten Papstes

Benedikt äußert sich zum Missbrauchsskandal

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. äußert sich in einem langen Aufsatz zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.

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In seinem längsten Aufsatz als emeritierter Papst äußert sich Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Foto: kna


Der Text von Benedikt XVI. zur Missbrauchskrise in der katholischen Kirche, der am Donnerstag bekannt wurde, ist der bisher längste Beitrag, den der emeritierte Papst aus seinem Ruhesitz in die Welt sendet. Ausführlicher als alle Vorworte, Briefe oder der jüngste Aufsatz zum jüdisch-katholischen Dialog. Gedacht als klärender Beitrag zum oft kritisierten Umgang der katholischen Kirchenspitze mit dem Missbrauchsskandal sorgt er indes für weitere Fragen und neue Kritik.

Anliegen des fast 92-Jährigen ist es, "den einen oder anderen Hinweis zur Hilfe in dieser schweren Stunde" beizutragen. Sein Aufsatz ist keine systematische Analyse der Missbrauchskrise. Ziel des Krisengipfels im Februar war es seiner Ansicht nach, die "Kirche wieder wirklich als Licht unter den Völkern und als helfende Kraft gegenüber den zerstörerischen Mächten glaubhaft zu machen". Benedikt XVI. geht es um die Kirche - auch in seinem eigenen Beitrag.

Die Situation der Opfer und ihre Perspektive kommen so gut wie nicht vor. Ebenso wenig erwähnt der frühere Papst weitere Ursachen für Missbrauch, zumal in Regionen, in denen die von ihm gegeißelte sexuelle Revolution der 1960er bis 1980er Jahre keinen Einfluss hatte. Er will vor aus seiner Sicht falschen Folgerungen und Reaktionen warnen. Was gerne von interessierter Seite weiterverbreitet wird.

 

Text erschien ursprünglich im bayerischen "Klerusblatt"

Der Text erschien auf Internetseiten des privaten katholischen Mediennetzwerks CNA/EWTN zuerst auf Englisch, später auf Deutsch und in anderen Sprachen. Benedikt XVI. selbst wollte seine, wie er schreibt, über Wochen zusammengetragenen "Notizen" hingegen ursprünglich in einem Medium mit eher geringer Reichweite veröffentlicht sehen: dem bayerischen "Klerusblatt", dessen gedruckte April-Ausgabe erst an diesem Donnerstag verschickt wird.

Zur Frage, ob dieser Text mit dem im Internet verbreiteten identisch ist, wollte man sich beim "Klerusblatt" in München nicht äußern. Mit "der Initiative" von CNA/EWTN sowie in der Folge anderen Portalen wie kath.net und LifeSiteNews habe man "nichts zu tun", hieß es.

Beiträge auf diesen Plattformen sehen die Ursachen für Missbrauch vor allem in nachlassender Sexualmoral und geduldeter Homosexualität. Fragen nach Klerikalismus, Machtmissbrauch, Schweigekultur tauchen dort weniger auf und fehlen auch in den Ausführungen von Benedikt XVI.

Als wesentliche Ursachen des Missbrauchsskandals benennt er eine veränderte gesellschaftliche Sexualmoral sowie "falsche" Entwicklungen in katholischer Moraltheologie und Klerikerausbildung. Bei letzterer behandelt er jedoch nur den Umgang mit dem Thema Sexualität und einen vermeintlich zu lockeren Umgang mit nicht-zölibatären Studienkollegen. Die Erziehung zu einem überzogenen und falschen Amtsverständnis etwa, das Klerikalismus begünstigt, erwähnt er nicht.

 

Benedikt warnt vor weitgehenden Reformen

Was den emeritierten Papst zudem umtreibt, sind Überlegungen in manchen Bischofskonferenzen, wegen der systemischen Ursachen der Missbrauchskrise weitergehende Reformen in der Kirche anzugehen: "Die Idee einer von uns selbst besser gemachten Kirche ist in Wirklichkeit ein Vorschlag des Teufels, mit dem er uns vom lebendigen Gott abbringen will durch eine lügnerische Logik, auf die wir zu leicht hereinfallen."

Sein Nachfolger Franziskus formuliert das schon mal ähnlich - etwa, als er etwa beim Anti-Missbrauchsgipfel warnte: "So wie wir alle praktischen Maßnahmen ergreifen müssen, die der gesunde Menschenverstand, die Wissenschaften und die Gesellschaft uns bieten, so dürfen wir diese Wirklichkeit (das Böse - Anmerkung der Redaktion) nicht aus dem Blick verlieren und müssen die geistlichen Maßnahmen treffen, die der Herr selbst uns lehrt: Demütigung, Selbstanklage, Gebet, Buße."

In den Rückblicken von Benedikt XVI. geht es auch um Auseinandersetzungen mit Moraltheologen, mit denen er als Theologieprofessor und Präfekt der Glaubenskongregation über Kreuz lag. In der Debatte, ob es böse Taten gebe, die unter keinen Umständen zu relativieren oder gar zu rechtfertigen seien, werde nun "jählings spürbar", dass sie existierten - etwa die Pädophilie.

Dass Joseph Ratzinger als Glaubenspräfekt die Kirchenleitung seinerzeit nur gegen Widerstände zu mehr Einsatz gegen Missbrauch bewegen konnte, wurde in den Debatten der vergangenen Monate des öfteren betont. Er selber erinnert jetzt kurz daran und räumt ein, dass diese Bemühungen nicht ausreichten. Deshalb habe Franziskus weitere Reformen einleiten müssen. Zu denen gehört vor allem auch - da sind sich beide einig - die Bekehrung zu Gott.

kna