Gebetsschule

"Beten ist Handwerk"

Image

Das Gebet gerät ins Stocken: Es wird viel über Gott gesprochen, aber wenig mit ihm, sagt Emmaus-Bruder Franz Keimel. Gebetslehrer raten, sich regelmäßig an Gott zu wenden. Vorformulierte Gebete sind dazu ein erster Schritt.

Foto: kna/Corinne Simon/CIRIC
Für das Gebet gilt, was für viele Fertigkeiten gilt: Übung macht den Meister. Foto: kna/Corinne Simon/CIRIC


Über das Beten spricht man gewöhnlich nicht viel. Man tut es, oder, was leider inzwischen auch recht häufig vorkommt, man lässt es. Wolfgang J. Bittner, der langjährige Beauftragte für Spiritualität der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs, hat einmal gesagt: „Elementare Dinge, wie bete ich, wie meditiere ich, wie lese ich die Bibel, wurden von der Kirche lange Zeit nicht vermittelt.“ Vor allem spirituell hungrige Menschen wandten sich daher ab. 

Doch sogar unter gläubigen Christen scheint das Gebet nach Angaben etlicher Geistlicher ins Stocken geraten zu sein. Emmaus-Bruder Franz Keimel hat beobachtet, dass „heute viel über Gott geredet wird, aber nicht mehr mit ihm“. Wieder andere Gläubige zeigen sich vom Gebetsleben enttäuscht, wenn die gewünschten Effekte ausbleiben. Doch Gebet funktioniert nicht wie ein Medikament, das man einnimmt und schon sind alle Schmerzen oder negativen Gefühle verschwunden. Dann wäre es einfach. Gebet ist ein Prozess, ein Lebensweg, sagen Gebetslehrer wie der katholische Pfarrer und Autor Peter Dyckhoff oder der Jesuitenpater Franz Jalics. 

Grafik: Dom Medien GmbHMit Gebetskreisen, Exerzitien, Einkehrtagen und Gebetskursen steuern sie und viele andere geistliche Lehrer der spirituellen Austrocknung ihrer Schüler entgegen. Denn Übung macht den Meister. Davon ist auch der Theologe Fulbert Steffensky überzeugt: „Beten ist Handwerk. Man kann es lernen wie Kochen oder Backen.“ 

Um Christen wieder stärker für das Gebet zu begeistern, hat das Portal der katholischen Kirche Deutschlands „katholisch.de“ jüngst „Zehn Tipps für ein gutes Gebet“ vorgestellt. Darin wird empfohlen, sich für das Gebet – wie schon Jesus Chris-
tus sagte – ins stille Kämmerlein zurückzuziehen. Klar reiche manchmal ein einfaches Bitte, Danke oder Stoßgebet aus. Besser aber sei es, sich regelmäßig Zeit zu nehmen: „Mindestens so viel, dass Sie es schaffen, zunächst das Gedankenkarussell im Kopf abzustellen und sich zu sammeln.“ Rituale wie ein Kreuzzeichen helfen beim Einstieg. Ebenso vorformulierte Gebete. 

Dabei jedoch sollte man nicht stehenbleiben, sondern lieber möglichst bald „frei von der Leber weg“ beten. Das sieht auch Benediktinerpater Anselm Grün so. Er empfiehlt „das offene Zwiegespräch. Wir sollten uns Gott anvertrauen, wie wir uns einem geliebten Menschen anvertrauen. Mit unserem tiefsten Sehnen und all unseren Beschränkungen und Fehlern“. 

„Wir können Gott sowieso nichts verheimlichen“, sagte einst auch Jesuitenpater Hubertus Tommek, dessen Gebetskreis in Berlin zu Hochzeiten weit mehr als 100 Menschen anzog. Laut Kirchenlehrer Johannes Cassian gibt es für Christen vier grundlegende Gebetsweisen: die Bitte, die Fürbitte, die Danksagung. Am Ende aber stehe die stille Anbetung. 

Am Ball bleiben auch in Zeiten der Lustlosigkeit

In einem Interview mit dieser Zeitung hat Pater Jalics einmal gesagt: „Wenn jemand nicht weiß, wie er sich an Gott wenden soll, kann er sich durch Gebetstexte an Gott wenden, die von Menschen mit Erfahrung beim Gebet geschrieben wurden.“ Das Beten vorformulierter Gebete aber ist für Jalics, den Autor des Buches „Lernen wir beten“, ähnlich wie die Bitte nur der erste Schritt zu einer echten Kommunikation mit Gott. Denn so wie „ein Bettler schlecht mit mir über etwas anderes reden kann als seinen Wunsch nach Geld“, so ähnlich verhalte es sich auch mit dem Gebet. Beten sei – wie jede Kommunikation – ein Prozess. 

Geübtere Beter betrachten die Bibel, stellen Fragen und bringen ihre Emotionen vor Gott, ihre Zweifel, ihre Begeisterung, ihren Dank und ihr Lob und ihre Liebe. Ziel des Gebetsweges ist für Jalics sowie für zahlreiche christliche Mystiker oder moderne Gebetslehrer „die Hingabe, das Verweilen in Gottes Gegenwart, die Anbetung“. 

Fast sämtliche geistlichen Lehrer betonen den Wert der Disziplin auch in spirituellen Angelegenheiten. So gelte es, auch in Zeiten der Lustlosigkeit am Ball zu bleiben. Jalics sieht in den Phasen des Zweifels oder der Trockenheit sogar eine Art Läuterung: „Wenn einer wegen dieser Unzufriedenheit das Gebet nicht unterbricht, sondern darin verharrt, werden die unbewussten Gefühle bewusst und können sich langsam lösen. Wir erkennen, dass nicht Gott der Verantwortliche für die Trockenheit ist, sondern die Ursache in uns liegt.“

In vielen Gebetsschulen werden Gläubige neuerdings verstärkt ermuntert, einfache Gebetsformeln immer und immer wieder innerlich zu wiederholen – etwa ausgesuchte Psalmworte oder Stoßgebete wie „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes erbarme dich meiner“. Wer dies regelmäßig tut, kommt oft leichter zur Ruhe und hat zudem die gute Chance, eine Art Standleitung zum Höchsten zu entwickeln. 

Andreas Kaiser