Als Paar zusammenleben

„Dann geh doch zu deiner Mutter!"

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Als Paar zusammenzuleben, das kann eine große Herausforderung sein. Besonders, wenn Erwartungen aufeinanderprallen. Kann man Eskalationen vorbeugen? In besonderen Kursen bekommen nicht nur junge Paare dafür das Rüstzeug.


Hitzige Diskussionen bringen oft nicht viel. Die Paare sollten besser Argumente austauschen. Das kann man lernen. | Foto: istockphoto

Lena hat alles vorbereitet: Kerze, Rotwein, ein festliches Essen. Dafür  hat sie sich extra heute Nachmittag freigenommen, es ist schließlich ein besonderer Tag! Genau heute vor drei Jahren hat sie Bernd kennengelernt. Womit er sie wohl überraschen wird? Doch dann aus dem Flur seine Stimme. „Du Schatz, ich hab nur ganz kurz Zeit. Der Chef will unbedingt bis morgen die aktuellen Zahlen auf dem Tisch haben.“ Als er den festlich gedeckten Tisch sieht, fragt er: „Hab‘ ich was verpasst? Ist heute etwa was Besonderes?“

Die geeignete Szene für einen handfesten Streit. Mit Wut, mit Tränen, mit Enttäuschungen. Von „Ja, weißt du denn nicht?“ bis „So unwichtig ist dir also unsere Beziehung!“. So etwas kann eskalieren. Besonders dann, wenn Paare das Streiten nie gelernt haben. Genau da setzen die Kurse an, mit denen die Kirche seit den 80er Jahren Paare unterstützt. Deren meistgenutzter Name, das Kürzel „EPL“, steht dabei für „Ein Partnerschaftliches Lernprogramm“. Die Grundidee: Die Fähigkeit zu partnerschaftlichem Umgang ist nicht angeboren, aber man kann sie erlernen und trainieren. Der Erfolg von EPL in den USA hat die Deutsche Bischofskonferenz veranlasst, das Angebot von Experten weiterzuentwickeln und in der Ehevorbereitung einsetzen zu lassen. Alfons Gierse, einer der ersten EPL-Trainer im Bistum Münster, betont: „Heute hat nicht mehr einer automatisch das Sagen, es wird alles besprochen und ausgehandelt. Von der Kinderbetreuung bis zur Aufteilung der Hausarbeit. Man muss miteinander reden und das ist nicht selbstverständlich.

Immer vier Paare und zwei Trainer in sechs Trainingseinheiten, entweder kompakt an einem Tag, über ein Wochenende oder einmal in der Woche – so laufen die Kurse. Gierse bevorzugt wöchentliche Treffen, „weil die Paare dann länger damit beschäftigt sind“. Gleich zu Beginn lernen sie, wie schwierig Reden und Zuhören sein können. Bei einer Übung sollen sie dem anderen beschreiben, was sie sehen. Alfons Gierse: „Sie merken schnell: Das ist gar nicht so leicht. Und schon ist man beim Thema Kommunikation.“

Auch über positive Gefühle sprechen

Es sind einfache Regeln, die die Paare schon am Anfang erklärt bekommen und in den folgenden Kursstunden immer wieder trainieren sollen. Dem anderen nicht ins Wort zu fallen, zum Beispiel. Von sich selbst sprechen und beim Thema bleiben. Der Zuhörer soll zeigen, dass er zuhört, indem er das Wichtigste zusammenfasst, nach Wünschen und Gefühlen fragt, das Gesprächsverhalten des anderen lobt und erklärt, was dessen Worte bei ihm auslösen. „Gerade dominante Partner erleben, was Zuhören bedeutet“, sagt Gierse. „Einer, der in der Firma eine große Nummer ist, wird dabei vielleicht erkennen, dass partnerschaftliche Kommunikation etwas anderes ist als betriebliche.“ Zuhören sei heute mit das Schwierigste überhaupt. „Weil es ja – zum Bespiel bei einem Streit – das Normale ist, dass ich mir schon eine Erwiderung zurechtlege und eben nicht mehr zuhöre. Und damit bekomme ich gar nicht mit, was der andere sagt.“

Es kommen aber nicht nur Streitthemen auf den Tisch, auch über positive Gefühle sollen die Paare sprechen: „Wie es mir geht, was ich erlebt habe, worüber ich mich freue. Auch das ist wichtig: Sich bestärkend Gutes zu sagen“, so Gierse.

Die Paare sitzen sich gegenüber, der Trainer daneben. „Zunächst sind es unverfängliche Themen, über die sie zehn Minuten lang diskutieren“, erklärt Gierse. „Mein Hobby“, „Was würde ich mit 1000 Euro anfangen?“, so etwas. Die Regeln haben die Paare auf einem Plakat vor Augen, der Trainer souffliert, bestärkt oder korrigiert. In der Gruppe sprechen alle gemeinsam über ihre Erfahrungen mit den Diskussionen.

In der zweiten Runde geht es um unangenehme Gefühle. Zuerst schlüpfen die Partner in vorgegebene Rollen. Erst in der dritten und vierten Stufe geht es um eigene Konflikte. Zum Beispiel: Wie teilen wir die Hausarbeit auf? Nehmen wir uns eine Putzfrau? Was bedeutet das? Die Paare sollen lernen, im Gespräch in Schritten eine Lösung zu diskutieren. Also zunächst das Problem beschreiben, Auswege und ihre Vor- und Nachteile erarbeiten, das Passende auswählen und Schritte zur Umsetzung vereinbaren. Wie in den ersten Diskussionen wieder unterstützt von einem Trainer. Was wie eine einfache Übung klingt, berge oft genug Ansatzpunkte für Streit, so Gierses Erfahrung. Wenn hinter dem einen Problem ein anderes stecke: „Etwa bei der Aufteilung der Hausarbeit. Wenn zum Beispiel eine Frau sich von ihrem Mann nicht genügend wertgeschätzt fühlt.“

Die Paare sollen lernen, eine Lösung zu diskutieren

Auch in den nächsten beiden Einheiten geht es um Inhalte: Die Partner füllen jeder für sich Fragebögen aus. Mit Fragen dazu, was ihnen wichtig ist, auf Feldern wie Sexualität, Zusammenleben, Kinderwunsch, Zukunft. Anschließend folgen  Gespräche, wieder mit Trainer.  Wenn es zu intim wird, können die Paare eine sogenannte Ampelkarte ziehen. Als Zeichen dafür, dass der Trainer nicht dabei sein soll. In der letzten Einheit folgen klassische Fragen der Vorbereitung auf eine christlichen Ehe. „Der Idealfall ist, dass Paare zum Beispiel den Trauritus durchgehen“, erklärt Gierse.

Das ist etwas, das gerade erfahrenen Paaren interessante Erfahrungen beschere. Auch sie meldeten sich für EPL-Kurse an, weil sie sich einen Impuls wünschten, besser miteinander umzugehen, so Gierse. Er sieht hier eine wichtige Chance: „Wenn Menschen kommen, weil sie sich etwas Gutes tun möchten.“ Schon öfter habe er Eheleute erlebt, „die sich den Trauritus nach Jahrzehnten Ehe noch einmal gesagt haben. Das war so toll, das noch einmal miteinander zu besprechen. Weil wir das als junges Paar in der Situation gar nicht wahrgenommen haben.“

Michael Rottmann