Anstoss 20/2018
Das Hörende Herz
In diesen Wochen höre ich frühmorgens das Vogelgezwitscher im Außenbereich unseres Klosters. Es ist pure Unterhaltung am frühen Morgen.
Und auch wenn ich – im Gegensatz zu einem meiner Mitbrüder – nicht heraushöre, welcher Vogel gerade singt, so erlebe ich doch ihren Gesang als ein Geschenk.
Was ich daraus entnehme, gilt auch für unser Zusammenleben. Da bin ich aufgerufen, aus dem Stimmengewirr herauszuhören, wer mir etwas sagen will. Ein gutes Gehör ist ein Geschenk. Nicht nur als Seelsorger braucht es gute Ohren, um zu verstehen, was der Andere nicht nur mit Worten, sondern auch aus dem Herzen sagen will. Es braucht dazu eines guten Hörgerätes, um das Gesagte zu verstehen und zu deuten, um dann erst darauf zu antworten. Oft sind es Worte, die es aus der Tiefe zu heben gilt, so wie es der Psalmist sagt, wenn er zu Gott spricht: „Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir, Herr höre meine Stimme, wende dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen.“ Und nicht nur Gott ist ein Hörender, sondern auch ich möchte immer mehr ein guter Hörender sein, so wie es mein Namenspatron der heilige Josef war, der wachsam war für Gottes Wort und für die Worte des Engels. Dessen Worte waren Wegweisungen, etwas zu tun oder zu lassen.
Und nicht nur die großen Heiligen waren Hörende, bei denen das Hören und der Gehorsam eine Einheit bilden, sondern auch wir sind eingeladen, Hörende zu sein, unsere Ohren auf Empfang zu stellen und unser Hörgerät anzuschalten. Zuweilen muss auch mal die Batterie gewechselt werden.
Und da sind wir bei Pfingsten, auch da geht es um das Hören. Das Pfingstereignis ist ein Hörwunder, wo die vielen Menschen aus den vielen Nationen und mit den unterschiedlichen Sprachen, doch alle gemeinsam hören und verstehen, was die Jünger ihnen verkünden. Für mich ist die Antwort, die Zuhörer hören nicht nur mit den Ohren, sondern sie hören mit den Herzen. Das Hörende Herz überwindet Sprachgrenzen, überwindet Landesgrenzen und Konfessionen. Das Hörende Herz versteht alles, hört alles, spürt alles. Solch ein Hörendes Herz ist ein Geschenk. Pfingsten heißt für mich Sendung. Und das Hörende Herz ist dann auf Sendung. Und diese Sendung braucht gute Sprecher und Zuhörer.
P. Josef kleine Bornhorst, Dominikanerkloster Leipzig