Zum Dürre-Sommer 2022

Das Klima geht uns alle an

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Hitze, Dürre, Waldbrände: In diesem Sommer haben viele Menschen in Deutschland so direkt wie noch nie gespürt, wie dramatisch die Erderhitzung uns bedroht. Das kann auch eine Chance sein.

Foto: imago/Christoph Hardt
Der Rhein in Köln im August 2022: Hitze und Regenmangel haben den Pegel extrem sinken lassen. Am Ufer sind weite steinige Flächen freigelegt. Die Schifffahrt ist stark eingeschränkt. Foto: imago/Christoph Hardt

Von Andreas Lesch

Langsam, viel zu langsam geht der Sommer zu Ende. Die Sonne brennt nicht mehr ganz so brutal, sie geht später auf und früher unter. Welch eine Erleichterung! Die vergangenen Monate haben die Menschen, die Tiere und die Pflanzen in Deutschland wie in so vielen Ländern geschlaucht, weil sie viel zu heiß und viel zu trocken waren. Sie haben erahnen lassen, wie furchtbar die Klimakrise noch werden kann, die ja gerade erst beginnt.

Dieser Sommer hat etwas verändert: Viele Menschen haben jetzt am eigenen Leib erfahren, was die Erderhitzung für uns alle bedeutet. Nicht irgendwann und irgendwo, sondern hier und jetzt. Die Hobbygärtner haben gesehen, wie ihre Tomaten verdorren, ihre Blumen verwelken und ihre Rasenflächen verbrennen. Die Kinder haben gestöhnt, weil sie sich in der Hitze schlecht auf Schule und Hausaufgaben konzentrieren konnten – und die Erwachsenen, weil sie bei der Arbeit kaum noch einen klaren Gedanken gefasst bekamen. Alte haben an Atemnot gelitten. Nachts haben viele unruhig geschlafen, so sehr drückte die Luft. Den Bauern sind ihre Früchte auf den Feldern verkümmert, und sie müssen sie viel zu früh ernten. Im Urlaub haben die einen in Frankreich oder Spanien den Gestank von Waldbränden gerochen, die anderen haben in Südtirol gesehen, dass von einem einstigen Gletscher nicht mehr viel übrig ist. Wieder andere haben sich vor ausgetrockneten Flüssen erschreckt.

Die menschengemachte Erderhitzung ist nach diesem Sommer nicht mehr nur ein Zeitungstext über die Flut in Pakistan, ein Fernsehbeitrag über die Dürre in China, eine Warnung von Wissenschaftlern, sondern sie wird zum ständigen Gesprächsthema – am Frühstückstisch, im Kirchenchor, im Kegelclub. Ihre Dramatik ist jetzt auch für jene konkret, die sie bisher für ein abstraktes Thema gehalten haben. Sie spüren: Die Erderhitzung betrifft jeden, massiv und persönlich. Niemand wird ihren Auswirkungen auf Dauer entkommen können. 


Wir haben viel zu verlieren, aber auch viel zu gewinnen

Dieses neue Gefahrenbewusstsein ist eine Chance. Denn wer wirklich verstanden hat, wie sehr wir bedroht sind, der ist eher bereit, etwas zu verändern. Also zum einen selbst klimafreundlicher zu leben – und zum anderen Druck auf die Politik zu machen, damit sie die Energiewende endlich entschlossen vorantreibt und die Menschen bei der Änderung ihres Lebensstils unterstützt. Etwa indem sie den Öffentlichen Nahverkehr ausbaut, modernisiert und günstig macht. Und den Ausbau von Sonnen- und Windenergie beschleunigt. Und Kerosin endlich besteuert, damit Flugreisen teurer und unattraktiver werden.

Die Veränderungen, die durch die Erderhitzung auf uns zukommen, werden massiv sein, so oder so. Noch können wir sie gestalten und an einer besseren Zukunft arbeiten. Doch die Zeit drängt. Bald drohen laut führenden Forschern Kipppunkte im Klimasystem überschritten zu werden. Dann wird die Erderhitzung unumkehrbar, und ihre Folgen werden unermessliches Leid verursachen. 

Die Klimakrise ist eine Menschheitskrise; es geht um unser Überleben. Und um ein gutes Leben. Wir haben also gerade sehr viel zu verlieren. Aber eben auch sehr viel zu gewinnen.