Francesca Šimuniová war evangelisch und ist heute Äbtissin
Das Wichtigste: Hören auf Gott
Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass „der Geist weht, wo er will“. Schwester Francesca Šimuniová hat einen alles andere als geradlinigen Lebensweg. Es erinnert an die Sprachen und Völker des Pfingstereignisses, dass die evangelisch getaufte Frau seit 2021 Äbtissin eines Benediktinerinnen-Klosters ist. Von Hans-Joachim Stoehr
Getauft und konfirmiert wurde die Ordensfrau in der evangelischen Kirche. Aufgewachsen ist sie in der Nähe von Prag. Ihre Mutter, eine Tschechin, war evangelisch, der Vater, ein Slowake katholisch. Geprägt wurde Schwester Francesca Šimuniová vom Leben in evangelischen Gemeinden (siehe „Zur Person“).
Aber die heutige Benediktiner-Äbtissin, die Gast der diesjährigen Eröffnung der Renovabis-Aktion war, schaute auch bereits in jungen Jahren über Konfessionsgrenzen hinaus. So beeindruckte sie in der katholischen Stundentengemeinde der damalige Studentenseelsorger Tómas Halík. Und sie erlebte als Jugendliche und junge Erwachsene das Ende des kommunistischen Regimes, die Öffnung zu Freiheit und Demokratie. Gern erinnert sie sich an Václav Havel, den früheren Präsidenten Tschechiens.
Wichtiges entscheidet die Gemeinschaft
Offenheit und Teilhabe sind Schwester Francesca Šimuniová angesichts ihres Lebenswegs wichtig in ihrer Arbeit. Da weiß sie den Mönchsvater Benedikt und dessen Regel auf ihrer Seite. „Das Unwichtigste soll der Abt entscheiden, das Wichtigste die Gemeinschaft.“ Zur Synodalität gehöre auch, „dass der Abt auf den Jüngsten hören soll“, erklärt sie mit Blick auf die Benediktregel.
Die von ihr geleitete Benediktinerinnenabtei Venio hat Niederlassungen in München und in Prag. Viele der 20 Schwestern gehen einer beruflichen Tätigkeit außerhalb des Klosters nach. Auch Schwester Francesca hatte vor der Wahl zur Äbtissin einen weiteren Beruf. Sie war in Prag Landesbeauftragte der „Aktion Sühnezeihen Friedensdienste“.
Mitschwestern von ihr sind als Ärztin, Krankenschwester, Lehrerin, Bauingenieurin, Restauratorin oder Juristin tätig. Aber: „Es braucht auch die, die sich im Kloster um die Liturgie oder den Haushalt kümmern.“ Das wichtigste Kriterium für den Beruf: Er muss sich mit dem Klosterleben vereinbaren lassen. Schwester Francesca erlebt etwa die Regelmäßigkeit der Gebetszeiten „als eine Gnade“. Sie sagt: „Meine größte Aufgabe ist zu hören, was Gott mir sagt. Und er spricht zu mir – zum Beispiel im Psalmengebet, wo er sagt: ,Wirf all deine Sorgen auf mich‘.“
„Jede Schwester hat ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele“, betont die Äbtissin. Die gemeinsamen Gebetszeiten sind – anders als in anderen Abteien – auf drei festgesetzt. Beim Gebet tragen die Schwestern ihren Habit, sonst sind sie in Zivilkleidung unterwegs. Die Individualität hat für die Klosterleiterin aber auch Grenzen. „Ein Gemeinschaftsleben braucht Pünktlichkeit“, nennt die Äbtissin ein Beispiel.
Zum „Bete und arbeite“ Benedikts gehört für Schwester Francesca das Lesen. Denn: „Daraus erhalte ich die Wertevorstellungen für die Arbeit. Und es ist das Futter für das Gebet.“ Wichtig für das Klosterleben ist seit den Zeiten des heiligen Benedikt die Gastfreundschaft. Hinter alldem steht für Schwester Francesca die Frage: „Was heißt es, mit Gott zu leben?“ Denn, so fügt sie hinzu: „Man kann auch im Kloster Gott ausweichen.“ Für Schwester Francesca gilt für die Verbindung zu Gott das, was auch im menschlichen Zusammenleben bedeutsam ist. „Ich habe Zeit für ihn. Und: Ich teile nicht nur meine Probleme mit ihm, sondern auch das Schöne, was ich erlebe.“
Großes Interesse und nur wenige Vorurteile
In Prag gibt es auf dem Klostergelände auf dem Weißen Berg ein Café als Anlaufstelle. Es befindet sich in einem ehemaligen Bunker, der auf der höchsten Erhebung Prags errichtet wurde. Hier steht die barocke Wallfahrtskirche „Maria vom Siege“. Sie erinnert an den Sieg der katholischen Habsburger über die protestantischen Tschechen im Dreißigjährigen Krieg.
Mit Blick auf ihre evangelische Herkunft sagt die Äbtissin: „Dass Gott mich mit meiner evangelischen Vergangenheit als katholische Nonne an diesen Ort ruft, das ist schon witzig.“ Sie lädt an diesem einst die Konfessionen trennenden Ort zu ökumenischen Veranstaltungen.
Zu ihren Erfahrungen als Klos-tergemeinschaft im stark säkularen Tschechien sagt sie: „Wir sind offen für die Menschen, die kommen. Dabei stoßen wir auf großes Interesse und ganz wenige Vorurteile.“
ZUR PERSON
Offenheit und Demokratie
Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Francesca Šimuniová in der Tschechoslowakei. 1973 geboren, fand sie durch ihre Mutter den Weg in die evangelische Kirche. Eine „aufregende Zeit“ erlebt sie bei der Wende 1989/90. Sie ist dankbar für die Demokratie und Offenheit. Anders als in den Jahren zuvor: „Da dachte ich, ich müsste emigrieren. Das war solch ein dekadenter Kommunismus.“
Nach dem Studium ging sie in ein evangelisches Missionsseminar in Deutschland. Sie will etwas „Exotisches“ erleben. Doch das einzige, für das es Geld gab, war ein Projekt in Sibirien. „Ausgerechnet Russland“, dachte sie mit Blick auf ihre Jugend im sowjetisch geprägten Kommunismus. Danach war sie jedoch dankbar, für das Jahr, für die Menschen, denen sie dabei begegnete.
Mit Blick auf den Kriegsaggressor in der Ukraine sagt sie: „Ich kann unterscheiden zwischen dem Regime und den Menschen in Russland.“ Als evangelische Studentin ging die heutige Ordensfrau auch in die katholische Hochschulgemeinde in Prag, machte Exerzitien bei Benediktinern, die sie faszinierten. Aber selbst in einem Orden leben, das fand sie für sich zunächst „unwirklich“. Doch dann führte sie doch 2008 der Weg in die benediktinische Kommunität Venio, heute eine Abtei. Erst nach Prag auf den Weißen Berg. Und nun seit vergangenem Jahr als Äbtissin mit Hauptsitz in München. (st)
Von Hans-Joachim Stoehr