50 Jahre Jüdisch-Christliche Bibelwoche

„Der Dialog muss weitergehen"

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Juden und Christen treffen sich einmal im Jahr in Haus Ohrbeck, um in der Bibel zu lesen und mehr über die andere Religion zu erfahren. Dass das international besetzte Treffen im Bistum Osnabrück stattfindet, ist kein Zufall.


Der Rabbiner Jonathan Magonet begründete Ende der 60er Jahre die Bibelwoche. Archivfoto: Regine Hoffmeister

Seit 1968 geplant, gibt es seit 1969 jährlich die Jüdisch-Christliche Bibelwoche, zuerst im rheinischen Bendorf, seit 2004 in Haus Ohrbeck im Bistum Osnabrück. Wesentlich organisiert wird das Treffen, das jetzt zum 50. Mal stattfindet, von Uta Zwingenberger, im Bistum zuständig für biblische Bildung.

Wann haben Sie zum ersten Mal an der Bibelwoche teilgenommen?

Ich wusste schon lange davon und wollte immer mal nach Bendorf, habe es aber nie geschafft. Mehr durch Zufall habe ich erfahren, dass für die Bibelwoche ein neuer Veranstaltungsort gesucht wurde. Ich habe mich darum bemüht, dass sie nach Haus Ohrbeck kommt und sie dann 2004 zum ersten Mal erlebt.

Warum haben Sie die Bibelwoche hierher geholt?

Aus drei Gründen: Sie passt gut ins Haus Ohrbeck mit unserem starken biblischen Schwerpunkt. Dann passt sie gut ins pädagogische Konzept des Hauses, denn die Bibelwoche lebt davon, dass nicht nur Vorträge gehalten werden, sondern dass die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen und bei vielen anderen Angeboten selbstbestimmt lernen; so wird bei uns auch gearbeitet. Und sie passt zu meiner Biographie. Durch die Arbeit am Lehrstuhl des Bibelwissenschaftlers Erich Zenger und durch mein Studium in Jerusalem hat das Judentum für mich schon lange eine wichtige Rolle gespielt.

Richtet sich die Bibelwoche nur an ein Fachpublikum?

Das Publikum ist sehr gemischt. Ungefähr zur Hälfte sind es Teilnehmende, die beruflich mit der Bibel oder dem jüdisch-christlichen Dialog zu tun haben, zum Beispiel jüdische oder christliche Theologen oder Studierende. Zur anderen Hälfte sind es Menschen, die sich für das Thema interessieren, weil es in ihrer eigenen Biographie eine Rolle spielt oder weil sie zu Hause gesellschaftlich oder kirchlich engagiert sind.

Es kann also jeder Interessierte teilnehmen?

Auf jeden Fall! Man darf sich die Bibelwoche auch nicht nur als Fachtagung vorstellen. Das ist sie auch – aber zugleich ein Begegnungsraum, wo sich Menschen unterschiedlicher Religionen, Nationalitäten und Lebenserfahrungen austauschen. Der Bibeltext gibt dafür die Impulse. Die Freude, Neues zu entdecken – im Bibeltext und am anderen Menschen – ist wichtig! Übrigens sind alle Altersgruppen vertreten, weil viele Teilnehmenden ihre Kinder mitbringen. Für sie gibt es ein eigenes Programm. So lernen sie von klein auf ein offenes Miteinander von Religionen und Nationen kennen. Und das in einer Zeit, in der es in der Gesellschaft so viele Bestrebungen gibt, sich voneinander abzusetzen.


Uta Zwingenberger. Foto: privat

Welche Aufgabe haben Sie?

Ich leite die Veranstaltung – gemeinsam mit Rabbiner Jonathan Magonet, der die Bibelwoche vor 50 Jahren ins Leben gerufen und seither geprägt hat, und in einem neunköpfigen jüdisch-christlichen und britisch-niederländisch-deutschen Team. Im Moment versuchen wir alles so vorzubereiten, dass die Woche für die rund 130 Teilnehmenden möglichst bereichernd wird. Das geht von einer ausgewogenen Zusammenstellung der Arbeitsgruppen bis zur schriftlichen Übersetzung der Vorträge und natürlich den Absprachen in Haus Ohrbeck.

Wie läuft die Woche ab?

Jeden Vormittag treffen sich Arbeitsgruppen, in denen der Bibeltext besprochen wird. Sie bilden das Herzstück. Nachmittags gibt es meist einen Vortrag, außerdem weitere Angebote, die oft von Teilnehmenden eingebracht werden – vom Hebräischkurs bis zum jüdisch-christlichen Chor. Am Samstag feiern wir Schabbat und Sonntag einen christlichen Gottesdienst.

Welcher Text steht in diesem Jahr im Mittelpunkt?

Wegen des Jubiläums greifen wir die Texte auf, die 1969 bei der ersten Bibelwoche gelesen wurden: die ersten drei Kapitel aus dem Buch Genesis, die sogenannten Gottesknechtslieder aus dem Buch Jesaja sowie das Buch Jona. Anhand dieser Texte wollen wir sehen, wie sich die Bibelauslegung und der jüdisch-christliche Dialog seither entwickelt haben.

Was hat sich in den 50 Jahren im jüdisch-christlichen Dialog verändert?

Dafür muss man sich die Situation von 1969 vor Augen führen: Der Zweite Weltkrieg mit der Schoa war nur gut 20 Jahre her; nach Deutschland zu reisen, war für Menschen aus anderen Ländern durchaus eine Überwindung. Das Zweite Vatikanische Konzil, das den Blick der Kirche auf das Judentum verändert hat, war auch erst seit einem Jahr vorbei. Eine jüdisch-christliche und britisch-deutsche Begegnung war für die Teilnehmenden damals ungeheuer neu, aufregend und bereichernd. Heute ist jüdisch-christlicher Dialog selbstverständlicher. Viele von uns sind theologisch so aufgewachsen. Zugleich wird er aber gerade heute wieder besonders notwendig: Antisemitische Ausfälle nehmen deutlich zu – und das in einer Gesellschaft, in der weiterhin die wenigsten Menschen einem Juden tatsächlich schon einmal begegnet sind.

Wie machen Sie es während der Woche mit den jüdischen Speisevorschriften?

Es gibt die Absprache, dass die ganze Woche vegetarisch gegessen wird. So halten wir die Trennung von Milch und Fleisch ein. Streng religiösen Juden würde das aber nicht reichen, deshalb bringen sich Einzelne eigenes Essen mit. Wirklich koscheres Essen könnten wir für die große Gruppe in einem Bildungshaus nicht leisten.

Welche Teile der Bibelwoche sind offen für Interessierte, die nur mal gucken wollen?

Die Vorträge an den Nachmittagen, außerdem die Gottesdienste am Samstag und Sonntag. Drei der vier Vorträge werden auf Englisch gehalten, Übersetzungen liegen dann schriftlich vor.

Welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft der Jüdisch-Christlichen Bibelwoche?

Mindestens weitere fünfzig Jahre! Der Dialog muss weitergehen, damit weitere Generationen die Erfahrungen machen, die für die Teilnehmenden heute so bedeutsam sind. Und ich wünsche mir, dass die Bibelwoche weiterhin wie in einem Schneeballsystem unsere Gesellschaft verändert, weil die Teilnehmenden zu Hause weitertragen, was sie hier erlebt haben.

Interview: Matthias Petersen

Bibelwoche öffentlich

Die Jüdisch-Christliche Bibelwoche findet in Haus Ohrbeck (Georgsmarienhütte) vom 29. Juli bis 5. August (Sonntag bis Sonntag) statt. Gäste können spontan zu den Vorträgen dazukommen, die am Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag jeweils von 16.30 bis 18.15 Uhr dauern, außerdem zum Schabbat-Gottesdienst am Samstag um 8.45 Uhr und zum christlichen Gottesdienst am Sonntag um 9 Uhr. Nachfragen sind möglich per E-Mail: jcb@haus-ohrbeck.de
Internet: www.haus-ohrbeck.de/bibelwoche