Adventsserie 2018 – Folge 4
Der Körper braucht seine Zeit
Kinder zelebrieren das Warten mit dem Adventskalender. Und Erwachsene? Können wir noch warten? Und auf was? Vier Menschen denken in unserer Adventsserie darüber nach. Folge 4: Hebamme Susanne Melzer, Mainz
Bitte vor Weihnachten oder danach – so wünschen sich werdende Eltern in der Adventszeit den Ankunftstermin ihres Kindes. Weihnachten ist eben die Zeit für die Familie zuhause. An Weihnachten möchte niemand im Krankenhaus liegen. Zu dieser Jahreszeit spüren wir auf der Geburtsstation im Katholischen Klinikum Mainz (kkm) die Ungeduld von Eltern am meisten.
Warten und Hoffen zusammen mit den Eltern
Natürlich ist jede werdende Mutter, jeder werdende Vater gespannt: Wie läuft die Geburt ab? Geht alles gut? Wie wird das Kind sein? Und als Hebamme warte und hoffe ich zusammen mit den Eltern, eben auf professioneller Ebene.
Den ersten Kontakt mit den Frauen beziehungsweise mit den werdenden Eltern haben wir bei der Anmeldung im Klinikum einige Wochen vor der Geburt. Dann können sie ihre Fragen loswerden. Diesen Termin nehmen viele gerne wahr. Wenn der Facharzt eine Frau während der Schwangerschaft zu uns schickt oder eine Frau selbst kommt, weil sie sich über etwas sorgt, haben wir erneut Kontakt mit den Frauen und werdenden Eltern. Dann beraten wir die Frauen, damit sie bis zur Geburt zuhause gut zurecht-kommen. Und selbstverständlich während der Geburt sowie auch in den Folgetagen kümmern wir uns um Mutter und Kind.
Im kkm will man bei einer Geburt der Natur möglichst ihren Lauf lassen. Solange alles in Ordnung ist, greifen wir nicht künstlich ein. Zwar kommt es vor, dass eine Geburt auf Wunsch eingeleitet wird, aber auch dann schauen wir, dass so natürlich wie möglich entbunden wird. Auch eine auf Wunsch eingeleitete Geburt kann tagelang dauern. Manchmal sind Frauen dann frus-
triert, wenn sich nichts tut. Aber der Körper braucht seine Zeit. Als Hebamme ist es meine Aufgabe, während dieser Zeit aufzuklären und zu begleiten.
Geburten im Takt gibt es im kkm nicht
Geburten laufen zunehmend selbstbestimmter von Seiten der Eltern ab, das heißt der Ablauf richtet sich weniger nach äußeren Faktoren. Geburten im Takt gibt es im kkm nicht. Deswegen ist Geburtshilfe hier in wirtschaftlicher Hinsicht keine Gewinnsituation. Hier ist es ruhiger und familiärer als auf manch anderen Geburtsstationen. Der Natur möglichst ihren Lauf und ihre Zeit zu lassen – das ist eine wichtige Philosophie des kkm.
Susanne Melzer ist leitende Hebamme am Katholischen Klinikum Mainz und seit 14 Jahren im kkm tätig. Sie arbeitet zudem freiberuflich als Hebamme.