Der Trend Bible Art Journaling

Die Bibel als Tagebuch

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Nicht nur vorsichtige Notizen mit dem Bleistift, sondern viel Farbe, Kleber und Stempel: Um dem Wort Gottes näherzukommen, gestalten Gläubige mit großer Liebe zum Detail ihre Bibel.

Foto: Bible Art Journaling
"Gott ist bereit, euch gerade jetzt zu helfen" - dieser Satz wurde durch die Farben und Sticker besonders hervorgehoben. Foto: Bible Art Journaling


Mit Schere, Kleber, Farben und Glitzerstaub in der Bibel zu arbeiten, ist vermutlich für die meisten Christen ungewöhnlich. Für Tabea Becker hingegen ist es völlig normal. Sie malt über Textstellen, hebt einzelne Sätze farbig hervor und klebt Fotos oder Stoffreste ein. „So gestalte ich das Wort Gottes für mich ganz persönlich“, sagt die 53-Jährige aus Leonberg in Baden-Württemberg. Zusammen mit zwei weiteren Frauen hat sie das Bible-Art-Journaling, wie der Trend aus dem englischsprachigen Raum heißt, in Deutschland bekannt gemacht.

Wer mitmacht, für den wird die Bibel zu einem Tagebuch. Grundlage ist immer ein biblischer Text. Das können die liturgischen Texte des Tages sein oder auch eine Lieblingsstelle in der Bibel. „Manchmal wähle ich aber auch zuerst die Farben aus, in denen ich die Seite gestalten möchte. Wenn das eine helle Farbkombination ist, dann nehme ich eine ermutigende Textstelle“, sagt Becker. Oft überlegt sie, was sie am Tag erlebt hat, was sie bewegt und beschäftigt, und sucht sich mit Hilfe einer Konkordanz oder des Internets dazu einen passenden Bibeltext. Dann wird es künstlerisch: Fotos werden eingeklebt, Motive gestempelt, Farbe versprüht und mit Bunt- und Filzstiften gezeichnet. Aber wird die Bibel so nicht zu einem Bastelbuch?

„Nein“, sagt Tabea Becker. Sie erlebt das Gestalten als intensive Bibelarbeit. „Bevor ich beginne, spreche ich ein Gebet. Dann lese ich den Text und achte darauf, was mich an diesem Tag anspricht. Diese Sätze unterstreiche ich und suche dazu nach Gestaltungselementen“, erklärt sie. Die Bibelstelle liest sie mehrfach und schaut in andere Übersetzungen, um unterschiedliche Bedeutungsnuancen zu entdecken. Im Lauf eines Jahres gestaltet Tabea Becker so eine komplette Bibel. „Wenn ich die Texte im nächsten Jahr dann in einer neuen Bibel bearbeite, setze ich einen ganz anderen Schwerpunkt. Das ist in der Rückschau spannend zu sehen“, sagt sie.

Bei der Gestaltung ist alles erlaubt, Tabea Becker weiß aber auch: „Anfänger sind oft vom Angebot der Materialien überfordert.“ Ihr Tipp: Zunächst den Hintergrund des Textes farbig gestalten oder mit Stempeln oder Schablonen arbeiten. „Da hat man schnell ein Erfolgserlebnis.“ 


Für den Anfang reichen zwei Buntstifte

Anfänger müssen auch nicht gleich den Bastelladen plündern: „Ein Bleistift und zwei Buntstifte in den Lieblingsfarben reichen für den Anfang aus. Alles andere findet sich zu Hause: Zeitungsausschnitte, Seidenpapier, Verpackungsmaterial, Stoffreste, Bänder. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Becker.

Um das Bible Art Journaling auszuprobieren, kann ein Bibeltext auch kopiert und auf einen Karton geklebt werden. Denjenigen, die öfter gestalten wollen, empfiehlt sie, eine spezielle Journaling-Bibel zu kaufen. Diese Bibeln haben dickeres Papier, das nicht so leicht reißt, und einen breiten Seitenrand, der Platz zum Malen lässt.

„Bible Art Journaling ist für jeden etwas“, sagt Tabea Becker. Ob allein, in einer festen Gruppe, die sich regelmäßig trifft und austauscht, oder als Aktion für Firmlinge, Konfirmanden oder in Schulklassen. Gerade Anfängern möchte Tabea Becker Mut machen: „Man muss kein Künstler sein, um eine Bibel zu gestalten.“ Vielmehr solle die Arbeit mit dem Text und den Materialien Freude machen, locker und leicht sein.

In einem Internetblog gibt Tabea Becker Anregungen und Tipps zum Gestalten. Zur Fastenzeit etwa hat sie ihre Bibel nur in Schwarz- und Grautönen gestaltet und Bilder davon im Internet veröffentlicht. Außerdem stellt sie das Bible Art Journaling in Workshops vor. 

Manchmal erlebt sie es dann, dass die Teilnehmer sich vor allem auf die Gestaltung konzentrieren. „Dann gerät das Wort Gottes aus dem Blick. Aber das ist nur phasenweise, das klingt wieder ab“, sagt sie. Auf Dauer sei es schließlich langweilig, nur über Farben und Techniken zu grübeln. Dann entdecke man wieder den eigentlichen Sinn an diesem Hobby.

Die Scheu, in einer Bibel zu zeichnen und über den Text zu kleben, musste Tabea Becker zu Anfang erst überwinden. „Mir wurde aber schnell klar, dass nicht das Buch oder das Papier heilig sind, sondern das Wort Gottes darin“, sagt sie. Die künstlerische Art der Bibelgestaltung wirkt für sie stärker als ein Bibelgesprächskreis. „Ich habe das Gefühl, Gott ist mir dadurch nähergekommen, viel lebendiger und freundlicher. Es macht Spaß, Gott auf diese Weise näherzukommen, so sein Wort zu lesen und zu gestalten“, sagt sie. 

Foto: Bible Art Journaling
Innen und außen ganz hübsch: Die Journaling-Bibeln werden zu einem ganz persönlichen Glaubenszeugnis. Foto: Bible Art Journaling

Anregungen zum Bible Art Journaling gibt es auf der Homepage www.bibleartjournaling.de Außerdem gibt das Buch „Bible Art Journaling: Keine Angst vorm leeren Blatt“ hilfreiche Tipps und Gestaltungsvorschläge für unterschiedliche Bibelstellen.

Kerstin Ostendorf