Präventionsarbeit im Bistum Limburg

Die Ergebnisse tun weh

Image
39_Priesterbild_AdobeStock.jpg

Seit 2010 wird im Bistum Limburg Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt geleistet. Als Folge von Anzeigen gegen Kleriker. Akten aus 2000 bis 2015 sind für die Missbrauchsstudie besonders unter die Lupe genommen worden. Von Heike Kaiser.

Kinderzeichnung: Missbrauch in der Kirche. | Foto: © thingamajigs/stock.adobe.com
Kinderzeichnung: Missbrauch in der Kirche.
Foto: AdobeStock

Es war ein sichtliches Ringen um Worte. „Hinter dem Ausmaß der Wirklichkeit stehen Opfer, stehen Betroffene. Das Bistum Limburg weiß von 85 Menschen, die von sexualisierter Gewalt durch Priester, Diakone und kirchliche Mitarbeiter betroffen sind.“ Diese Zahl nannte am vergangenen Dienstag nach der Vorstellung der Missbrauchsstudie während der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda Generalvikar Wolfgang Rösch in Limburg. „Die Ergebnisse tun weh und gehen einem nahe“, sagte er.

Alle 27 deutschen Diözesen haben sich an der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Pries-ter, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ , kurz: MHG-Studie, beteiligt. „In zehn Diözesen wurde eine ,Tiefenbohrung’ der Jahre 1946 bis 2014 vorgenommen“, erläuterte Rösch.

Es gibt keinen Hinweis auf Manipulation oder Verichtung von Akten

Limburg gehöre jedoch zu der Kategorie der 17 Bistümer, in denen in einer „Schichtbohrung“ Akten der Jahre 2000 bis 2015 gesichtet wurden. „Eine Zeitspanne, in der alle die, die des Missbrauchs bezichtigt wurden, noch gelebt haben.“ Rund 630 Akten seien gesichtet worden, „und es gibt keinen Hinweis darauf, dass Akten manipuliert oder vernichtet worden sind“, bekräftigte der Generalvikar.
Die Studie zeige, „dass wir aus Sorge um das Ansehen der Kirche die Folgen des Missbrauchs und das Leid der Opfer nicht genug wahrgenommen haben. Dies darf sich nicht wiederholen. Der Schutz der Opfer muss oberste Priorität haben“, stellte der Generalvikar klar. „Nichts darf mehr vertuscht und verschleiert werden.“

Die Prävention müsse Teil des Kulturguts werden, forderte er. Die Kirche müsse daran arbeiten, sexuellen Missbrauch zu verhindern. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel gelernt, werden aber noch viel lernen müssen“, sagte Rösch. Zum Beispiel sei zu klären, „in welcher Weise der Zölibat für bestimmte Personengruppen in spezifischen Konstellationen ein möglicher Risikofaktor für sexuelle Missbrauchshandlungen sein kann.“ Denn sexuelle Gewalt habe mit Macht zu tun, „vor allem, wenn es Strukturen gibt, die ein Überlegenheitsgefühl generieren“, unterstrich er. Die MHG-Studie werde jetzt im Bistum bekannt gemacht und in den Gremien beraten. „Nach den Beratungen sollen Konsequenzen gezogen werden“, kündigte Rösch an.

Beim Anfangsverdacht sexuellen Missbrauchs sei das Bistum entsprechend der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz vorgegangen und habe den Missbrauch bei der Staatsanwaltschaft sofort zur Anzeige gebracht. Außerdem seien Meldungen an die vatikanische Glaubenskongregation ergangen. Mit dem Ergebnis, dass bei kirchenrechtlichen Verfahren unter anderem bislang ein Priester aus dem Klerikerstand entlassen und ein Verfahren an eine Ordensgemeinschaft verwiesen wurde. Derzeit seien vier Verfahren noch anhängig, erläuterte Kirchenrechtler Peter Platen.

Generalvikar Rösch schließt für die Zukunft die Vertuschung sexuellen Missbrauchs und eine Versetzung Beschuldigter in andere Diözesen kategorisch aus: „Das kann es nicht mehr geben.“ Es sei jedoch naiv, zu glauben, sexueller Missbrauch werde nicht mehr vorkommen, räumte er ein.

Bätzing: Kirche wird aus der Krise gründlich verändert hervorgehen

Bereits beim Kreuzfest des Bistums Limburg am 16. September hatte Bischof Georg Bätzing Stellung genommen zu den Ergebnissen der MHG-Studie. Sie offenbare, „wie Verbrechen über lange Zeit abgewiegelt, verharmlost und vertuscht worden sind, um angeblich ,Schaden‘ von der Kirche abzuwenden. Heute wissen wir: Es wird nicht mehr weiter gelingen. Und das ist gut so!“ Für ihn stehe fest: „Die katholische Kirche wird aus dieser Krise gründlich verändert hervorgehen. Wir werden ,entmächtigt’ und demütiger dastehen als je zuvor.“

Mit der Studie signalisierten die deutschen Bischöfe ihre Bereitschaft, den nötigen mühevollen Lernweg einzuschlagen und Veränderungsprozesse in Gang zu bringen (der „Sonntag“ berichtete).
Gegenüber „tagesschau.de“ räumte Georg Bätzing ein, „dass man jetzt an die Priesterausbildung ranmüsse“. Schon bei der Auswahl für das Priesterseminar müssten Kandidaten, die „unreif, narzistisch oder sozial auffällig“ erschienen, außen vor gelassen werden. Selbst wenn das zu einem Engpass an Bewerbern führe. Auch müssten alte Machtstrukturen und Rollenverteilungen aufgebrochen werden. Die Kirche habe durch ihr dominantes System Kindern „zutiefst geschadet“.