Gefragte Frauen: Regina Heyder
Die Frau, die etwas bewirken will
Regina Heyder mag Dialog, voneinander lernen und die Wissenschaft. Was sie nicht mag: wenn Männer ihr die Welt erklären. Die Kirchenhistorikerin ist Dozentin im Theologisch-Pastoralen Institut (TPI) in Mainz. Von Ruth Lehnen
„Was müssen Sie denn machen, damit es richtig schiefgeht?“ So fragt Regina Heyder ausländische Priester, die in Deutschland arbeiten und sich in einem Kurs „Orientierungen“ über die Pastoral in Deutschland informieren wollen. Wenn’s schiefgehen soll, muss man zum Beispiel einfach mal fragen, was jemand verdient. Oder was jemand wiegt. In Asien normal, in Deutschland verpönt. Oder den Grad der Katholizität daran messen, wie oft jemand zum Gottesdienst kommt. Urnenbeisetzungen für unkatholisch erklären. Regina Heyder kennt die Fettnäpfchen, in die man bei den Deutschen tappen kann. Oft geht es bei ihrem Kurs „Pastoral in Deutschland“ beim Theologisch-Pas-toralen Institut auch fröhlich zu. Lachen über (Selbst-)Erkenntnis, und darüber, wie verschieden die Menschen sind. Und wie gleich.
Das Theologisch-Pastorale Institut (TPI) in Mainz ist das überdiözesane Fortbildungsinstitut für berufsbegleitende Bildung. Priester, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten sind die Zielgruppe. Sie kommen aus den Bistümern Fulda, Limburg, Mainz und Trier zusammen. „Ich mag das, wenn wir als Gruppe voneinander lernen“, sagt Dr. Regina Heyder. Lernbegleitung ist für sie nicht, Weisheiten von sich zu geben, sondern „gemeinsam etwas zu entwickeln“. Dabei versteht sich die Kirchenhistorikerin auf Methoden, Konflikte anders anzusehen und zu lösen. Und sie bringt eine positive Einstellung mit. Die Internationalität, nicht nur in der Seelsorge, begrüßt sie: „Es ist mit das Beste am Katholisch-Sein, dass wir Weltkirche in Vielfalt und Einheit sind.“
„Ich habe noch keinen Kurs gehabt, an dem ich keine Freude hatte“, sagt die 56-Jährige, die aus Heidenheim an der Brenz stammt, aber zur Mainzerin geworden ist. Nicht nur wohnt sie „im Schatten von St. Stephan“, sondern sie engagiert sich auch für die weltberühmte „Chagall-Kirche“, die nach dem Maler genannt wird, der mit seinen Fenstern im Gottesdienstraum ein fast magisches blaues Licht schuf und mit seiner Kunst die biblische Botschaft vermittelt.
Auch das TPI ist in ein paar Minuten von St. Stephan aus zu erreichen. Als Kirchenhistorikerin hat sich Regina Heyder mit dem Gründer der Kirche, mit Erzbischof Willigis, gründlich befasst. Ohne Wissenschaft kann sie auch heute nicht sein. Die Vernetzung zur Wissenschaft braucht sie wie ein Fisch das Wasser. Was sie wissenschaftlich tut, wirkt auf ihre Arbeit im TPI zurück. Man muss sich Regina Heyder als Frau vorstellen, die zwei „Hobbys“ hat: Wissenschaft und Singen.
Zwei Lieblingskirchen: St. Stephan in Mainz und Frauenfrieden in Frankfurt
Außer St. Stephan in Mainz hat sie eine weitere Lieblingskirche, und das ist Frauenfrieden in Frankfurt, die Kirche, an deren Erbauung der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) nach dem Ersten Weltkrieg federführend beteiligt war. Alle zwei Jahre gibt es eine Wallfahrt der Frauen zur neu renovierten Kirche Frauenfrieden. Der KDFB, den Regina Heyder in frühen Studienzeiten für sich entdeckt hat, gibt ihr den Rückhalt einer Gemeinschaft. „Mein Verband“ sagt sie. Es ist für sie auch ein Ort in der Kirche, „der eine bestimmte Eigenverantwortlichkeit hat“.
Wie sieht denn eine Feministin aus? So könnte Regina Heyder in ihren Kursen auch fragen. Und da kämen dann die Klischees von den Mannweibern oder den lila Latzhosen und den schrillen Stimmen. Nein, Feministin kann auch sein, wer Theologie und Kirchengeschichte studiert hat, zwei Jungen großgezogen hat, wer keine Neigung zum schrillen, eher zum ruhigen, aber bestimmten Auftreten hat, wer Vorsitzende der Theologischen Kommission des Frauenbunds ist.
So wie sie in ihren Kursen auf Dialog setzt, so sieht sie auch ihren wissenschaftlichen Ansatz: Es geht ihr um Wissenschaft „mit Relevanz für die Menschen“. Ganz unterschiedliche Themen hat sie untersucht und darüber Bücher verfasst: über Frauen- und Geschlechterforschung, über Ökumene, über das Zweite Vatikanum, über die Theologie von Kirchenbauten. Ihre Haltung dabei ist immer: „Theologie kann nicht nicht politisch sein“ (Johann Baptist Metz). Sie setzt darauf, Verborgenes zutage zu bringen und hat dabei auch oft die Menschen selbst zu Wort kommen lassen wie in dem Buch „Ökumene, die das Leben schreibt ...“ (mit Ute Leimgruber). Damit steht ihre Theologie mitten in einer Bewegung, die derzeit von sich reden macht: Immer mehr Selbstzeugnisse erscheinen, sei es in der literarischen Welt, in der „Autofiktion“ ein Megatrend ist, sei es beim Thema „Vertreibung“, bei dem es auch über Jahre ein Totschweigen gab und jetzt mehr auf die Stimmen derer gehört wird, die dies erlebt haben, und bei vielen anderen Zeitzeugen-Projekten. „Autobiographisches Erzählen hat eine eigene unhintergehbare Autorität“, ist Heyder überzeugt.
Das Projekt, das sie in den vergangenen Jahren am meisten beschäftigt hat, ist ebenfalls eins, bei dem bisher nicht gehörte Stimmen laut wurden: In „Erzählen als Widerstand“ berichten Frauen von Missbrauch, den sie als Erwachsene in der Kirche erfahren haben. Das Buch, das sie mit anderen herausgegeben hat, entfaltet Wirkung: Gedanken, die hier formuliert sind, schlagen sich nieder im aktuellen Dokument der deutschen Bischöfe „In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche“ und zum Beispiel im stark diskutierten Verhaltenskodex des Bistums Chur in der Schweiz.
Selber etwas bewegen und bewirken, das ist das Ziel von Regina Heyder. Dem folgt sie bei ihrer Arbeit im Theologisch-Pastoralen Institut ebenso wie bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Mit Spannung schaut sie auf den Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils, denn dieses Kirchenereignis, das vor 60 Jahren begann, sei noch längst nicht in allem fruchtbar geworden für die Kirche von heute. Auch hier hat sich Heyder, zusammen mit Gisela Muschiol, mit der Rolle der Frauen befasst, die nicht nur in Unterkommissionen tätig waren, sondern auch als Gastgeberinnen eine entscheidende Rolle in der Vernetzung spielten.
Wenn Männer einer Frau die Welt erklären: Mansplainer und Churchsplainer
Frauenthemen, Nischenthemen? Was lange Zeit galt, scheint heute nicht mehr zu gelten. Die Zeit der Mansplainer, wie nach einer
Worterfindung von Rebecca Solnit Männer genannt werden, die Frauen die Welt erklären, scheint vorbei zu sein. Mit einem Lachen weist die Theologin darauf hin, dass es aber immer noch genug „Churchsplainer“ gebe, also „Kirchenerklärer“, die ihr als Frau sagen wollen, wo es langgeht. Das empfindet sie als Diskriminierung. Als „Herabwürdigung einer Person aufgrund ihres Geschlechts“, um es mal wissenschaftlich korrekt zu sagen.
Viele Einflüsse haben auf Regina Heyders beruflichen Lebenslauf eingewirkt. Manchen Umweg musste sie gehen, manche Pause einlegen, sich immer wieder neu orientieren, um in einem Job anzukommen, der sie glücklich macht. Aus der Rückschau betrachtet war alles gut.
GEFRAGT ... GESAGT
„Dass es im Leben gut ausgeht“
In der Rubrik „Gefragt ... gesagt“ geben die „gefragten Frauen“ möglichst spontan Antworten.
Durch wen sind Sie zum Glauben gekommen?
Dr. Regina Heyder: Glaube war für mich einfach da in der Familie. Herausgefordert war ich dadurch, dass meine Mutter evangelisch ist und mein Vater katholisch war.
Was gibt Ihnen Ihr Glaube?
Zuversicht, dass es im Leben letzten Endes gutgeht, dass es einen Gott gibt, der das Leben begleitet. Der Glaube gibt mir eine Perspektive, auf die Welt zu blicken, eine Perspektive, in der Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Offenheit zwischen Menschen wichtig sind.
Haben Sie schon mal daran gedacht, aus der Kirche auszutreten?
Ja. Aber die Gemeinschaft in einer Weltkirche würde ich woanders nicht finden.
Welche Veränderung wollen Sie in der Kirche noch erleben?
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf allen Ebenen.
Welches war Ihr schönstes Erlebnis im Glauben?
Meine Firmung mit 15 Jahren.
Welches sind Ihre liebsten Bibelstellen?
„Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Johannes 10, 10) und „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“. (Matthäus 10,16)
ZUR SACHE
TPI: Theologisch-Pastorales Institut
Das Theologisch-Pastorale Institut für berufsbegleitende Bildung (TPI) mit Sitz in Mainz bietet Kurse zur Weiterbildung für Priester und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Trägerdiözesen Fulda, Limburg, Mainz und Trier an.
Leiter des TPI ist Dr. Christoph Rüdesheim, Dozentinnen sind Dr. Luisa Fischer und Dr. Regina Heyder.
Neben „klassischen Bildungsveranstaltungen“ stehen heute Online-Fortbildungen, Austausch mit APPS und Lernplattformen.
Theologisch-Pastorales Institut (TPI), Große Weißgasse 15, 55116 Mainz
Telefon: 06131 / 270880;
E-Mail: info@tpi-mainz.de
https://bistummainz.de/bildung/tpi/
ZUR PERSON
Regina Heyder
- wurde 1966 in Heidenheim an der Brenz geboren, in der Nähe von Ulm
- Studium der Theologie in Eichstätt, Rom und Tübingen, 1992 Diplom-Theologin
- Ihr Berufsweg begann als Referentin der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Danach war sie Bildungsreferentin beim Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB), Diözesanverbände Mainz und Limburg. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitete sie am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, Universität Bonn.
- 2009 Promotion mit der Arbeit „Auctoritas scripturae“ über den Theologen Abaelard (1079 bis 1124)
- Seit 2016 ist die verheiratete Mutter von zwei Söhnen Dozentin am Theologisch-Pastoralen Institut der Diözesen Fulda, Limburg, Mainz und Trier in Mainz.
- Ehrenamtlich ist sie seit 2014 Vorsitzende der Theologischen Kommission des KDFB.
- 2014/2015 war sie Mitglied der Jury des Gestaltungswettbewerbs „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ der Wüstenrotstiftung.
- Seit 2021 ist sie Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken.
- Ihre wissenschaftlichen Schwerpunktthemen sind Exegese des Mittelalters, Frauen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Missbrauch an erwachsenen Frauen.
- Das Buch „Erzählen als Widerstand“, herausgegeben von Barbara Haslbeck, Regina Heyder, Ute Leimgruber und Dorothee Sandherr-Klemp, zum Missbrauch an erwachsenen Frauen wurde mit dem Marga-Bührig-Förderpreis ausgezeichnet.
Sie ist Mitglied einer Forscherinnengruppe zum Thema Missbrauch: www.missbrauchsmuster.de
Hier geht es zum Interview mit Regina Heyder zum Thema Missbrauch an erwachsenen Frauen und dem Buch "Erzählen als Widerstand": https://www.aussicht.online/artikel/lesen-was-wehtut-missbrauch-geht-alle