Interview mit dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick

"Dispens vom Zölibat wäre eine Möglichkeit"

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Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat bereits im Jahr 2010 eine schonungslose Aufklärung des Missbrauchsskandals gefordert. Acht Jahre später erschüttert das Thema wieder die katholische Kirche. Im Interview spricht Schick (69) über Konsequenzen aus der neuen Missbrauchsstudie, auch mit Blick auf Fragen des Zölibats und der Weihe homosexueller Priesteramtskandidaten.

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Prävention stärken und Richtlinien überarbeiten: Erzbischof Ludwig Schick äußert sich zu den Konsequenzen der Missbrauchsstudie. Foto: kna

Herr Erzbischof, Sie haben bereits 2010 im Zusammenhang mit Missbrauchstaten davon gesprochen, dass die "Eiterbeule aufgestochen" werden muss. Warum hat das dann noch einmal acht Jahre gedauert?
Die war damals schon aufgestochen. Jetzt ist durch die Missbrauchsstudie, die Zeit gebraucht hat, noch deutlicher geworden, was alles geschehen ist und was wir in Zukunft tun müssen, nämlich die Prävention stärken, die bischöflichen Richtlinien noch einmal überarbeiten und anderes mehr. Wichtig ist auch, die Priesterausbildung anzuschauen, und wir müssen nachdenken, wie der Zölibat besser gelebt werden kann.


Betroffene haben sehr kritisch auf das Maßnahmen-Paket der Bischofskonferenz reagiert. Manch einem geht es nicht weit und nicht schnell genug. Was sagen Sie diesen Menschen?
Das kann ich sehr gut verstehen! Aber wir müssen die Dinge gründlich betrachten und aufarbeiten. Das braucht Zeit. Deshalb müssen wir um ein wenig Geduld bitten.


Sie fordern immer wieder mit Blick auf den Missbrauch Reformen in der Kirche. Was heißt das konkret?
Neben den schon angesprochenen Punkten gilt es die Themen Beichte und Bekehrung, Gewissenserforschung, gegebenenfalls psychologische Begleitung und geschwisterliche Zurechtweisung ernster zu nehmen. Die Pfarrgemeinderäte müssen mehr Einblicke bekommen und mehr mitbestimmen können. Wir wollen im Zuge der neuen Seelsorgseinheiten die Pastoralteams erweitern. Das alles hilft, dass die Priester sich in ihren Aufgaben und auch in ihrer Lebensform besser zurechtfinden.


Bereits 2010 haben Sie als Reaktion auf den Missbrauchsskandal gefordert, dass der Zölibat zwar für Bischöfe und Domkapitulare verpflichtend bleiben müsse, aber nicht unbedingt für die Priester. Sehen Sie das noch genauso?
Nicht nur! Aber an meiner Position hat sich nichts geändert. Die Frage des Zölibats ist von Papst Franziskus angesprochen worden. Auch auf der Amazonas-Synode soll darüber geredet werden, und das Thema wird bei der Jugendsynode aufkommen. Für mich ist es unabdingbar, dass die keusche Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen zur Kirche gehört. Jesus war selbst ehelos und hat einige eingeladen, ihm ehelos nachzufolgen. Die Kirche soll zum Himmelreich führen. Die Frage ist, wer den Zölibat alles halten soll und wie er gelebt werden kann. Darüber kann man reden. Die, die Hauptleitungsfunktionen in der Kirche wahrnehmen, sollen die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen halten.


Heißt das, Sie wären für eine Freistellung für bestimmte Personenkreise?
Nein! Ich denke, die Lösung könnte die Dispens sein. Der Zölibat bleibt für das Priesteramt, aber bewährte Männer können durch Dispens davon entbunden werden. Das gibt es auch schon jetzt, wenn ein evangelischer Pfarrer katholischer Priester wird. Das könnte man erweitern. Die Dispens vom Zölibat wäre eine Möglichkeit - aber die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen für die Priester freistellen, wäre nicht gut.


Ein weiteres Thema, das nun immer wieder angesprochen wird, ist die Frage, ob es bei einem Verbot der Weihe von homosexuellen Priesteramtskandidaten bleiben kann. Wie stehen Sie dazu?
Jemanden, der homosexuell aktiv ist und sein will, würde ich nicht weihen. Ein Priester, der in der Kirche Verantwortung hat, muss Ehe und Familie fördern. Ich habe nichts gegen Homosexuelle. Aber zum priesterlichen Dienst, der Ehe und Familie fördern soll, würde ich sie nicht zulassen.


Ein weiterer Punkt ist die Frage nach mehr Frauen in der Leitungsverantwortung.
In den Pastoralteams auf Pfarreiebene haben wir mittlerweile einen guten Frauenanteil. Wir brauchen sie noch mehr in den Leitungsgremien, zum Beispiel in den Ordinariatskonferenzen, aber auch in der römischen Kurie, denn Frauen haben einen anderen Blick. Wichtig wäre mir auch, dass bei der Ausbildung der Priester mehr Frauen mitwirken.


Das Thema Missbrauch erschüttert ja quasi die Weltkirche. Sie sind als Weltkirche-Bischof sehr viel unterwegs. Wie ausgeprägt ist das Bewusstsein für das Thema und was kann noch getan werden?
Das Bewusstsein ist schon groß. Noch auf dem Weg und nicht am Ziel sind wir bei der Frage, was gegen Missbrauch getan werden kann. Das Kinderschutzzentrum an der Päpstlichen Universität Gregoriana mit Jesuitenpater Hans Zollner macht da sehr viel - auch der Chef der Päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal Sean Patrick O'Malley. Aber nicht nur die katholische Kirche muss aufklären und verbessern. Wir wissen, dass Missbrauch auch in anderen Kirchen und religiösen Gemeinschaften sowie im säkularen Bereich begangen wird, zum Beispiel in Sportvereinen oder im Familienumfeld. Ich möchte uns als Kirche damit nicht entschuldigen. Wir müssen bei uns aufräumen, aber andere müssen das auch tun. Es kann nicht sein, dass es verschiedene Kategorien von Opfern gibt. Alle müssen ihre Gerechtigkeit finden und die Täter bestraft werden.

kna