Domplatz und Dylan-Song
„Wenn er wiederkehrt“ – so heißt ein Lied von Bob Dylan auf deutsch. Die Fuldaer Künstlerin Andrea Silvennoinen hat den Song des Nobelpreisträgers für Literatur mit Farben auf Leinwand dargestellt. Von Hans-Joachim Stoehr.
Das Holzkreuz und die dahinter angebrachten Bilder sind fast 2,80 Meter hoch und 1,50 Meter breit. Das Werk passt nicht ins Atelier. Es hat seinen Platz daher im Treppenaufgang gefunden. Vor einigen Wochen stand es auch schon auf der Freitreppe zum Domplatz. Und ab dem 27. April ist es bei einer Ausstellung im Fuldaer Vonderau Museum zu sehen – zusammen mit anderen Werken, die ebenfalls Lieder von Bob Dylan zum Thema haben.
Eine explosionsartige Bewegung
Was passiert, wenn der Herr wiederkommt? „Da sehe ich eine explosionsartige Bewegung aus dem hellsten Punkt der Ewigkeit auf unsere Erde zukommen“, erläutert die 61-Jährige. Rot, helles Gelb und Gold dominieren – vor dem dunkelblauen Hintergrund des Universums. Sie zeigt auf einen kleinen hellen Punkt unterhalb der Explosions-Szenerie. „Dylan singt von einem Pfeil, der geflogen kommt. Für mich geschieht dies mit Lichtgeschwindigkeit.“
„Entsage deiner Krone auf diesem blutgetränkten Boden“, singt Dylan. Diesen blutgetränkten Boden hat die Künstlerin im linken unteren Bild gemalt. Darüber ist mit dem Fuldaer Domplatz ein konkreter Ort erkennbar. Für sie hat die Krone der Schöpfung, der Mensch, versagt. Durch die Toten in Kriegen oder an Grenzen, die Opfer von Hexenverbrennungen früher und heute, aber auch durch die 50 Millionen ungeborenen Kinder, die jährlich abgetrieben werden, ist der Boden blutgetränkt.
„Die stärkste Mauer wird bröckeln und stürzen vor einem mächtigen Gott.“ Der Vers des Dylan-Songs ist auf den beiden unteren Bildern durch Mauerteile dargestellt. Darüber ist ein Licht zu sehen. Von der Wucht des Lichts kippen die Mauerteile um – in Richtung des Betrachters. Dabei denkt die Künstlerin nicht nur an den Mauerfall, sondern auch an trennende Mauern in zwischenmenschlichen Beziehungen oder zwischen den Konfessionen.
Mauern fallen und Gewalttätige werden in ihre Schranken verwiesen. „Die eiserne Faust kommt gegen die eiserne Rute nicht an“, singt Dylan in seinem Lied. Die Faust ist im unteren rechten Bild erkennbar – ebenso ein Panzer für die Gewalt, die etwa durch Kriege bis heute gebracht wird. Aber sie kommen gegen die eiserne Rute, das Gericht Gottes, nicht an.
„Wenn er wiederkommt“ ist nicht der erste Song des amerikanischen Poeten, den Andrea Silvennoinen ins Bild gefasst. Bei einer Ausstellung im Jahr 2015 war sie mit einem Bild zu dem Dylan-Song „Knockin on Heaven’s Door“ (Klopfen am Himmelstor) vertreten. Es war eine Druckgrafik. Sie stammt aus der Reihe von sieben verschiedenfarbigen Werken unter dem Titel „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“.
Beim Malen einer Wiese denkt sie an den Schöpfer
Religiöse Gedanken beschäftigen die Künstlerin aber nicht nur bei diesen Motiven. „Wenn ich eine Blumenwiese male, denke ich an den Schöpfer“, sagt die Künstlerin. Sie zeigt auf eines der zahlreichen Landschaftsmotive, die in ihrem Atelier aufgehängt sind. Sie ist immer wieder neu fasziniert von der Schöpfung. Kein Wunder, dass ein Porträt des heiligen Franziskus zu ihren Werken zählt – wobei sie sich hierbei an einem bekannten Vorbild orientiert hat. „Egal, ob der Himmel mit Sternen oder die Tiefsee, in der es nicht nur schwarz ist, das fasziniert mich“, sagt sie.
Die Bob-Dylan-Ausstellung „I‘m not there“ findet von 28. April bis 13. Mai im Vonderau Museum und an anderen Orten in Fulda statt
Internet: fulda-trifft-dylan.de
Zur Person: Künstlerin? Da musst du ins Kloster gehen!
Die Bob-Dylan-Ausstellung ist die 30., an der sich Andrea Silvennoinen beteiligt. Ihre ersten künstlerischen Schritte machte sie im Alter von 16 und 17 Jahren. Vorausgegangen war eine Kunstreise durch Südeuropa mit ihrer Patentante. „Dabei haben mich besonders Van Goghs leuchtende Bilder beeindruckt.“
Ein Jahr später hatte Silvennoinen eine richtungweisende Begegnung mit dem Porträtmaler Professor Sepp Gamsjäger. Er stellte Bilder im Fuldaer Stadtschloss aus und porträtierte Besucher. Silvennoinen beobachtete den Künstler und zeichnete ein Selbstporträt Gamsjägers nach. Dieser war beeindruckt von der Genauigkeit der Abbildung und bot ihr ein Stipendium an seiner Schule an. Aber ihre Mutter stimmte nicht zu. „Sie kaufte mir ein Köfferchen mit Ölfarben. Und ich nahm Unterricht bei Alexander Deisenroth, der eine Galerie hier in Fulda hatte“, erinnert sich Silvennoinen. Sie fügt hinzu: „Meine Mutter sagte mir damals: ,Wenn du Künstlerin werden willst, dann musst du ins Kloster gehen.‘ Damals war die Bildhauerin Lioba Munz Nonne in der Abtei in Fulda. Aber ins Kloster wollte ich wirklich nicht.“ Sie lernte deshalb Einzelhandelskauffrau in einem Juweliergeschäft. Daneben nahm sie an Kursen teil – etwa im Helene-Weber-Haus. Ab 2004 studierte sie Malerei an der Kunstakademie von Professor Jürgen Blum in Hünfeld. (st)
Webseite der Künstlerin: www.andrea-silvennoinen.de
Meinung: Predigt der Bilder
Künstler haben etwas Unberechenbares. Ihr kreatives Tun spricht Bereiche des Menschen jenseits der Sprache an. Und das ist gut so. Menschen wie Andrea Silvennoinen eröffnen mit ihren Bildern den Betrachtern einen Blick auf Gott, auf die Bibel. Sie predigen nicht mit Worten. Aber sie künden – im konkreten Fall – von Leid, Tod, Auferstehung und Wiederkunft. Das Werk ist in einem weltlichen Museum zu sehen, mit anderen Bildern, die nicht alle religiösen Charakter haben. So tritt dieses Werk in einen befruchtenden Austausch – und bleibt dabei christliche Verkündigung.
Von Hans-Joachim Stoehr, Redakteur