Alte Mauern – neues Leben
Draußen-Orte für die Bildung: Propstei Zella
„Alte Mauern – neues Leben“: Einmal im Monat führt die Kirchenzeitung zu Stätten, an denen kirchliches Leben blühte. Heute geht es ins ehemalige Frauenkloster Zella in Thüringen. Die Propstei beherbergt heute eine Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön. Ihr Ziel: Naturnahen Lebensraum schützen und fördern. Von Evelyn Schwab
Am Ortsrand von Zella in der Rhön stehen alte Mauern mit kirchlicher Vergangenheit. Heute geht es darin vor allem um den Schutz wertvoller Naturräume. Im Propsteischloss sitzt die Thüringische Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön. Vor 30 Jahren stimmte die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) einem gemeinsamen Antrag der Bundesländer Thüringen, Hessen und Bayern auf eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung zu. Weil die Rhön sich über drei Länder erstreckt, gibt es auch in Hilders und in Oberelsbach einen Verwaltungssitz.
Die barocke Anlage in Zella umfasst das ehemalige Propsteigebäude, den Ehrenhof, die Schloss-Scheune, den Garten und die prunkvolle Kirche St. Mariä Himmelfahrt. Die thüringische Rhön gehörte über Jahrhunderte zu den Besitzungen der Abtei Fulda. Einen großen Brand gab es 1669 im Ort selbst sowie in den Propsteigebäuden und in der Vorgängerkirche. Für Gotteshaus und Propstei erstellte Andreas Gallasini neue Pläne. Er war der Baumeister, der ab 1720 rund 40 Jahre in den Diensten der Fuldaer Fürstäbte stand. Abt Adolph von Dalberg verhalf damit dem kleinen Ort zu einem prächtigen Dorfbild.
Herzensthema Umweltbildung
Leiterin der Verwaltungsstelle in Zella ist Ulrike Schade. Die Geo-Ökologin studierte ebenso Kommunikations- und Medienwissenschaften sowie Informatik. Sie findet es wichtig, dass die Menschen gerne in der Rhön leben. Denn nur so könne „Akzeptanz für den so wichtigen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz“ geschaffen werden. Ihre Herzensthemen sind die Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Besuche in der Propstei sind aufgrund der Covid-Infektionsgefahr derzeit nicht möglich. Die Ausstellung zur Pflanzen- und Tierwelt und zum Lebensalltag in der Rhön im alten
Propsteischloss ist geschlossen. Ausgerechnet im 30. Jubiläumsjahr der Gründung des Biosphärenreservats Rhön. In einer Video-Pressekonferenz hatte Ulrike Schade daran erinnert, dass 1990 gleich nach der Grenzöffnung zwischen der Bundesrepublik und der DDR die Naturschützer aus der bayerischen, hessischen und thüringischen Rhön zusammen aktiv waren. Anfang März 1991 erfolgte die offizielle Anerkennung der UNESCO. Sozusagen ein Geburtstagsgeschenk kam vom Freistaat Thüringen im Rahmen des Regionalbudgets 2021. Für Vorhaben im thüringischen Teil des Biosphärenreservats stehen in diesem Jahr 525 000 Euro zur Verfügung.
Fleißig gebaut wird gerade am „Bildungsstandort Zella“, einem Projekt der Gemeinde Dermbach mit ihrem Ortsteil Zella und der Thüringer Biosphärenverwaltungsstelle. Direkt neben der Propstei entstehen ein Grünes Klassenzimmer und eine außergewöhnliche Bildungs-Spielfläche. Die Eröffnung Anfang Juli ist angesichts der Corona-Pandemie unter Vorbehalt geplant.
Die Streuobstwiese und das Bienenvolk
Ein Informationspavillon neben der Propstei macht auf einen etwa 300 Meter langen Rundpfad aufmerksam. Apfel, Birne, Kirsche und Zwetschge wachsen hier auf einer Streuobstwiese. Tafeln informieren über diesen Lebensraum, dessen Geschichte und Bedeutung, seine Pflege und den Gesundheitswert der Früchte. Auf dem Gelände befinden sich außerdem ein Bienenvolk für die Bestäubung der Obstblüten und hinter dem Beerengestrüpp ein Haselmausbiotop.
Streuobstwiesen spielen eine große Rolle für die biologische Vielfalt. Bis zu 5000 Tier- und Pflanzenarten können dort beheimatet sein, erfahre ich aus den Informationen. Der Reichtum an Insekten dient wiederum anderen Tieren als Nahrung: Vögeln, Fledermäusen, Igeln. In den alten Obstbäumen wohnen Specht und Eule, Siebenschläfer und Gartenrotschwanz. In den Moosen, Flechten und Pilzen tummeln sich die verschiedensten Kleinstlebewesen. Ohne synthetische Pflanzenschutzmittel stellt sich hier ein ökologisches Gleichgewicht zwischen Obstschädlingen und Nützlingen ein. Streuobstwiesen dienen dem Klimaausgleich und wirken günstig auf den Boden- und Wasserschutz. Sie sind „Arche Noah“ für alte Obstsorten.
Einige Stufen führen hinauf zu einem Durchbruch in der Propsteimauer. Dort entsteht ein Bildungs- und Erlebnisgarten mit Kletterpyramide. Die Eröffnung im Sommer soll eine von 30 Highlight-Veranstaltungen in allen drei Rhön-Ländern werden. Gleich nebenan befindet sich der Klostergarten der Propstei. Es ist keine originalgetreue Nachbildung der mittelalterlichen Vorbilder. Auf Schaubildern wird aber Wissenswertes über die klösterliche Gartenkultur vermittelt.
Gewürdigt wird der Mönch Walahfrid Strabo, der mit seinem Gedicht „Hortulus“ die frühe Gartenbaukunst beschrieb. Vorgestellt wird auch Hildegard von Bingen – als Benediktinerin, Theologin, Naturforscherin, Heilkundige und Visionärin. Und weil Johann Wolfgang von Goethe gleich mehrfach die „Probstey Zelle“ besuchte, lernt man auch Wissenswertes über dessen Leben und Werk.
Verwaltung des Biospärenreservats Rhön
Im bäuerlichen Garten erfolgt das Säen und Pflanzen erst nach Ostern. Bald schon werden auch an diesem Ort, angelegt 2008 in ehrenamtlicher Arbeit, Zierpflanzen, Kräuter und Gemüse in Eintracht nebeneinander wachsen und gedeihen. Ein kleine Sammlung von Schildern mit humoristischen Sprüchen belebt jetzt schon das Gelände.
Zwischen Schlossscheune und Propsteigebäude führt ein Durchgang in den Ehrenhof mit Brunnen, entlang einer Schauwand für Nistkästen. Nun öffnet sich der Blick auf den Eingangsbereich des Propsteigebäudes. Im Juli 2009 bezog die thüringische Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön die sanierten Räume im Obergeschoss. Im rechten Flügel des Erdgeschosses wurden 2010 Räume für die katholische Kindertagesstätte St. Valentin geschaffen. Von 2014 bis 2016 stand die Erneuerung des Festsaals an. Der Förderverein Propstei Zella konnte dafür 40 000 Euro sammeln. Die Sanierung der Fassade mit Kosten in Höhe von 900 000 Euro ist nun der nächste Schritt. Auch dazu möchte der Förderverein seinen Beitrag liefern. Gemeinsam mit der Gemeinde als Eigentümerin der Propstei sollen die alten Mauern als regionales Kulturgut im Biosphärenreservat erhalten und entwickelt werden.
Von Evelyn Schwab