Eucharistie auch für Protestanten erlaubt
Ein Aufbruch in der Ökumene
Foto: kna / Katharina Ebel
Herr Baum, als evangelischer Christ dürfen Sie in einer katholischen Messe im Bistum offiziell die Hostie empfangen. Was macht das mit Ihnen?
Baum: Ich freue mich sehr und ich bin tatsächlich vorher nie zur Eucharistie gegangen. Das war immer ein großer Schmerzpunkt und ein Defizit. Die Gemeinschaft im Wort war da, die Gemeinschaft im Brot nicht. Das ist nun anders. Wir müssen uns nicht mehr heimlich reinschleichen, sondern sind ganz offiziell eingeladen, ohne unser evangelisches Verständnis von Abendmahl an der Tür abzugeben.
Ist das ein großer Schritt in der Ökumene?
Molitor: Das ist eine große Türöffnung und ein wichtiger Schritt, der die Kirchen weiter zusammenwachsen lässt. Aber es ist keine Revolution. Es ist das Wahrnehmen einer Realität und die offizielle Stellungnahme von etwas, was es in der Gemeindepraxis schon lange gibt. Ich habe auch vorher evangelischen Christen die Kommunion gegeben. Aber ich konnte sie nicht offiziell einladen. Ich bin froh, dass das nun anders ist.
Baum: Die Skeptiker sagen, es ist ein winziger Schritt. Ich finde ihn groß. Für mich war es eine Freude beim Ökumenischen Kirchentag in Osnabrück im Dom neben Schwester Engratia zu sitzen und mit ihr zusammen zur Eucharistie zu gehen. Das ist ein Schritt voran! Man kann auch immer alles so kleinreden ...
Es gibt viele tief sitzende Wunden zwischen den Konfessionen …
Molitor: Und wie. Ich denke an eine Goldene Hochzeit eines Ehepaares, wo der Ehemann mir erzählte, dass seine Eltern vor 50 Jahren nicht mit zur Hochzeit und auch nicht zur Taufe des ersten Enkelkindes gekommen waren, weil sie nicht damit fertig wurden, dass die jungen Leute katholisch geheiratet hatten. So eine Entfernung innerhalb der Familie ist schmerzhaft und traurig. Diesen Familien nun die Einladung zur gemeinsamen Teilnahme an der Eucharistie aussprechen zu können, hat eine besondere Qualität.
War der Ökumenische Kirchentag die Premiere für die Praxis?
Baum: Er war der Startschuss. Die Schrift ist kurz vor dem Kirchentag von Bischof Bode abgesegnet worden, die Ökumenekommission hatte drei Jahre lang daran gearbeitet. Nun muss es sich im Bistum verbreiten und umgesetzt werden.
Wie sind die Erfahrungen?
Molitor: Ich höre aus der Gemeinde eigentlich nur Positives dazu. Viele sind sehr dankbar. Es muss aber noch mehr verbreitet werden. Auch innerhalb des Bistums ist die neue Regelung noch nicht überall bekannt.
Baum: Es muss zelebriert werden. Von alleine wird sich die Praxis kaum ändern. Denn der Druck in der Ökumene ist langsam weg. Die jungen Leute sehen da überhaupt kein Problem mehr. Druck ist aber wertvoll und muss auch von unten kommen.
Gilt die Einladung überall?
Molitor: Das Bistum Osnabrück hat als erstes deutsches Bistum die Einladung zur Eucharistischen Gastfreundschaft im Juni 2023 offiziell gemacht. Auch Rottenburg-Stuttgart ist an einer solchen Regelung dran. Andere Bistümer zögern. Ich finde, es könnte für die ganze Kirche gelten.
Die Einladung gilt nur bei „dichten ökumenischen Gelegenheiten“. Was heißt das?
Baum: Es ist eine Ausnahmeregelung. Ich denke aber, dass es auch nicht ständig sein muss. Ich freue mich über besondere Anlässe mit einer sorgfältig durchorganisierten Liturgie. Es hieß sonst immer, Ökumene gehe nur mit Wortgottesdiensten. Jetzt können wir in aller Freude einen Abendmahlsgottesdienst oder eine Eucharistiefeier machen. Zum Beispiel bei einer ökumenischen Trauung oder einer Goldenen Hochzeit.
Molitor: Auch Beerdigungen, Schulgottesdienste, Erstkommunion-, Firm- und Konfirmationsfeiern und ökumenische Gedenkfeiern sind solche Anlässe. Ich kann mir das auch im Zeltlager vorstellen. Das sollte man aber mit den Eltern absprechen.
Wie wichtig ist die Regelung?
Molitor: Es ist absolut dran. Wir können nicht an ökumenischen Gedenkfeiern zum Beispiel für Terroropfer wie Alfred Delp oder die Lübecker Märtyrer gemeinsam an diese Menschen denken und uns bei der Eucharistie wieder teilen. Christus hat sein Blut für alle vergossen, nicht nur für Katholiken. Da muss es Möglichkeiten geben.
Baum: Diese ganzen Gespräche sind nicht unsinnig. Die Überlegenheitsgefühle der Konfessionen müssen einem gemeinsamen Miteinander weichen. Auch für uns haben sich Dinge im ökumenischen Miteinander verändert. Wir feiern jetzt häufiger Abendmahl, gehen sensibler mit den Gaben um: Früher nahm der Bauer die Brotreste mit und verfütterte sie an die Gänse. Jetzt haben wir gelernt: Wenn wir katholische Mitchristen in den Gottesdiensten haben, müssen wir sorgsamer mit Brot und Wein umgehen.
Was ist Ihre Hoffnung?
Baum: Ausgehend von den intensiven Orten und Situationen und mit Rücksicht auf die kleineren und die orthodoxen Kirchen sollten wir weitere Schritte gehen in Richtung Interkommunion, der gemeinsamen Eucharistie- und Abendmahlsfeier an einem Tisch. Das ist derzeit noch nicht machbar. Das Problem ist, dass unter Abendmahl und Eucharistie Gemeinde entsteht. Es gibt aber ja keine ökumenischen Gemeinden.
Molitor: Hinter die Erfahrungen vom Kirchentag in Osnabrück können wir nicht mehr zurück. Das war ein notwendiger Schritt, der verstetigt werden muss. Für mich ist das eine Bestätigung der Kraftquelle, eine Stärkung für Neuaufbrüche.
Die Handreichung zur eucharistischen Gastfreundschaft kann heruntergeladen werden unter https://bistum-osnabrueck.de/handreichung-zur-eucharistischen-gastfreundschaft-im-bistum-osnabrueck-erschienen/