Chefredakteur Matthias Holluba ist am 15. Januar gestorben
Ein gütiger Chef
Aufgeschlossen und in sich ruhend: So kannten wir Matthias Holluba. Fotos: Raphael Schmidt |
Pfiffelbach, das klingt nach tiefster Provinz, nach ländlicher Bodenständigkeit. In dem Dörfchen bei Weimar, einem bevorzugten Schauplatz von DDR-Staatsjagden, ist Matthias Holluba in den 60er und 70er Jahren aufgewachsen. Dass Pfiffelbach ihm als Theologiestudent in Erfurt seinen Spitznamen eintrug, hatte wohl mit seiner Bodenhaftung zu tun. Der damals noch schmächtige junge Mann war kein Selbstdarsteller; Karriereambitionen spielten gewiss keine Rolle bei der Entscheidung, sich nach Abitur und Bausoldatendienst zunächst auf den Weg zum Priestertum zu begeben. Geerdet und echt war auch sein Glaube, von dem er getragen war und um den er nie viele Worte machte, auch später nicht, als er die Sprache zum Beruf machte.
Das Studium schloss er mit Bravour ab, doch die Priester-Berufung bestätigte sich nicht. Matthias Holluba wäre womöglich kein wortgewaltiger Prediger geworden und kein kühler Gemeinde-Manager, ein Seelsorger blieb er zeit seines Lebens. Die Aussichten für Theologen ohne Weihe waren überschaubar in der DDR. Nachdem er eine Zeit lang als Kurierfahrer gejobbt hatte, entsann man sich seiner gewandten Schreibe. Von 1989 an unterstützte er Chefredakteur Gottfried Swoboda in der Tag des Herrn-Redaktion.
Die Wendezeit als Journalist miterlebt zu haben, bezeichnete Matthias Holluba später als eine der spannendsten Phasen seiner Laufbahn. Auch wenn die katholische Kirchenzeitung kein Revolutions-Organ war und es bei den verhalteneren Tönen beließ, wurde der Jung-Redakteur doch erfasst von der Leipziger Aufbruchsstimmung dieser Zeit.
Das ökumenische Engagement im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hat ihn begeistert. Es blieb sein Anliegen, diese Impulse nicht versanden zu lassen, auch nachdem er 1995 als erster Nicht-Priester die Chefredaktion der Kirchenzeitung übernommen hatte. Er sah darin einen besonderen Schatz, den ostdeutsche Christen in die gesamtdeutsche Kirche einzubringen hätten. Er wollte ihrer bemerkenswerten Kirchenerfahrung Gehör verschaffen, ihrem unter oftmals widrigen Bedingungen abgelegten Glaubenszeugnis. Es wurmte Matthias Holluba, wenn er die Stimme ostdeutscher Katholiken untergebuttert oder belächelt sah.
Orientierungshilfe und Ermutigung geben
Er war geprägt von einem Bild der Kirche, die ganz auf Christus hin orientiert ist, eine glaubwürdige, den Geringsten zugewandte Kirche. Die Aufgabe des Tag des Herrn sah er vor allem darin, den Austausch unter den Christen zu beleben, eingeschlossen auch diejenigen, die sein Kirchenbild und seine bevorzugten Ausdrucksformen kirchlichen Lebens nicht teilen. Ermutigung im Glauben wünschte er sich von seiner Zeitung und Orientierungshilfe. Gerade in den letzten Jahren wurde es ihm immer wichtiger, dass der Tag des Herrn auch das Ringen um christliche Antworten auf Fragen der Zeit widerspiegelt und inspiriert, um die Rolle und Gestalt der Kirche und um einen angemessenen Umgang mit ihrer Schuld.
Die Kontroversen um all diese Themenfelder schwappten zunehmend auch in den Redaktionsalltag hinein. Der Chefredakteur hielt seinen Rücken hin, er schirmte seine Mitarbeiter ab, wenn er Kritik für ungerechtfertigt oder im Ton vergriffen hielt. Auch bei Konflikten im eigenen Team fing er manches ab, räumte Steine aus dem Weg und lud sie sich selbst auf, ebenso wie all die Arbeiten, die sonst niemand übernehmen wollte oder konnte. Ärger fraß er lieber in sich hinein, als ihn an anderen auszulassen. Kritik übte er allenfalls in einer aufbauenden und äußerst behutsamen Weise. Er sah gütig über viele unserer Schwächen und Macken hinweg, selbst dann noch, wenn einige von uns meinten, jetzt wäre es doch eigentlich einmal an der Zeit, auf den Tisch zu hauen. Gesundheitsfördernd war all dies gewiss nicht, und diejenigen, die nah mit ihm zusammen arbeiteten, machten sich deshalb seit längerem Sorgen um seine Gesundheit.
Was wir an unserem Chef hatten, haben wir immer gewusst: Für kleine und große Sorgen hatte er Verständnis, Geheimnisse waren bei ihm sicher aufgehoben. Seinen feinen Humor verpackte er insbesondere in seine Weihnachts-Carepakete, die er jeweils mit einem gesellschaftlichen Trend oder einem besonderen Ereignis verknüpfte – so bekamen wir herzerfrischend kommentierte Pakete zu den Sinus-Milieustudien mit konservativen bis Performer-Inhalten. Als die Berliner Katholiken unsere Leserschaft bereicherten, gab es neben Berliner Naschwerk zum Beispiel ein Berlinisch-Deutsches Wörterbuch.
Als Mitarbeiter genossen wir die Freiheit, die Matthias Holluba jedem von uns in unserer Arbeit ließ, das vorbehaltlose Vertrauen, das er uns schenkte. Auch er genoss Vertrauen. Er war all denen dankbar, die ihm aus ihrem Leben erzählten und ihm erlaubten, darüber in der Zeitung zu schreiben. Die Begegnungen mit vielfältigen Menschen hat er an seiner Arbeit besonders geliebt, und manchmal bedauerte er, dass er als Chef seltener dazu kam, selbst unterwegs zu sein und die persönliche Begegnung zu suchen.
Auch wenn wir uns um seine Gesundheit gesorgt hatten: Matthias’ Tod hat uns überrumpelt und lässt uns traurig zurück. In Gedanken sind wir nah bei seiner Familie. Doch zugleich hallen die Worte seines Neujahrsgrußes 2022 tröstlich in uns nach. Er schrieb sie uns wenige Stunden, bevor er für immer das Bewusstsein verlor. Wir merkten auf, als uns die Handynachricht erreichte, die uns ungewöhnlich feierlich vorkam: „... Freuen wir uns auf alles Schöne und nehmen auch die Dinge, die nicht so schön sind, als Herausforderungen an. Möge Gott uns zu alldem seinen Segen geben.“ Erst jetzt verstehen wir, dass es seine Abschiedsworte sind.
Dorothee Wanzek
(für die Redaktion)
Das Requiem beginnt am 26. Januar um 10 Uhr in der Propsteikirche Leipzig. Ein Live-Stream ist unter www.propstei-leipzig.de zu finden. Die Beerdigung findet im Kreis der Familie statt.
Einende Kraft des Evangeliums gesucht – Nachruf von Bischof em. Joachim Reinelt, Bistum Dresden-Meißen
Matthias Holluba hat unseren Bistümern im östlichen Deutschland als Chefredakteur der Kirchenzeitung Tag des Herrn mit seinem Charisma verantwortungsvoll und als begabter Journalist gedient. Am Tag seines Heimgangs ins ewige Leben haben wir in der 1. Sonntagsmesse im 12. Kapitel des 1. Korintherbriefs gelesen: „Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem Dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden ...“
Diese Gnadengaben bestimmten seinen Dienst für die Menschen unserer Tage. In Zeiten der Vielfalt von Auffassungen und Meinungen bis zur Zerrissenheit auch in eigenen Reihen blieb er besonnen und suchte die einende Kraft des Evangeliums. Dass ihm dieser anspruchsvolle Einsatz meist gelungen ist, gleicht einem Kunststück. Er fand dabei eine Sprache, die nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz erreichen konnte. In tief begründeter Dankbarkeit erbitten wir ihm den Frieden Gottes und das Leben in der Gemeinschaft der ewigen Liebe und Freiheit. Den Schmerz des so plötzlichen Verlusts durch den Tod von Matthias wollen wir mit seiner Ehefrau, allen Angehörigen und dem Redaktionsteam gemeinsam tragen.
Danke für alles – Nachruf von Geschäftsführer Michael Birkner, St. Benno Verlag
Ja, ich hatte immer gehofft, dass ich diesen Nachruf nicht zu schreiben brauche, denn ich verliere mit Matthias Holluba nicht nur einen liebenswürdigen Mitmenschen, sondern bin auch dafür zuständig, diese Lücke im St. Benno Verlag wieder zu füllen. Beides hätte ich mir gerne erspart, denn die Spuren, die er nach fast 27 Jahren als Chefredakteur dieser Zeitung hinterlässt, sind denen seiner bekannten Vorgänger, Rat Gülden, Pfr. Erben, Prof. Sonntag und Pfr. Swoboda, zweifelsfrei ebenbürtig, was stellvertretend für die Herausgeber des Tag des Herrn Bischof Ipolt im Juni 2020 zu seinem 25. Dienstjubiläum dankbar und anerkennend um Ausdruck gebracht hat (siehe Foto).
Nach seinem Theologiestudium in Erfurt begann Matthias Holluba 1989 seinen Dienst beim Tag des Herrn als redaktioneller Mitarbeiter. Gut ein Jahr später absolvierte er ein Volontariat und ab Januar 1992 wurde er als Redakteur eingestellt. 1995 folgte dann seine Berufung zum Chefredakteur. Seitdem prägt er, wie seine Vorgänger in diesem Amt, das Gesicht der Kirche in den mitteldeutschen Diözesen und ab 2014 auch im Erzbistum Berlin mit.
Matthias Holluba erhielt viel Post und Feedback auf das, was in der Zeitung stand, aber leider fast ausschließlich kritische Anmerkungen derer, die sich und ihre Meinung nicht abgedruckt fanden. Seine gutmütige, loyale und großzügige Art hat ihm immer geholfen, seine Arbeit nicht nur als Beruf, sondern nicht zuletzt als Berufung gelebter Demut und geschriebenen Dialogs zu verstehen. Mit diesem stillen Zeugnis war er mehr als drei Jahrzehnte verlässlich an meiner Seite, und wie so oft, wird einem das erst so richtig bewusst, wenn der Platz leer ist.
Matthias, Danke für alles, und bis bald. Grüß’ schon mal den Himmel von uns.
Ein Kollege zum Lachen und Streiten – Eine Erinnerung seines Kollegen Stefan Branahl, Redaktionsleiter der Kirchenzeitung Hildesheim
Ein Bild geht mir nicht aus dem Kopf: Matthias Holluba sitzt am Elbeufer bei Hitzacker, auf den Knien hat er den Laptop und schreibt in einer kurzen Pause einen Bericht für unsere Kirchenzeitungen in Leipzig und Hildesheim. Das war 2014, wir waren an der ehemals deutsch-deutschen Grenze unterwegs, 25 Jahre nach dem Fall der Mauer fuhren wir von Flensburg bis nach Hof auf der Suche nach Geschichten über das manchmal so zögerliche Zusamenwachsen von Ost und West.
Matthias Holluba war der Ossi, ich der Wessi, stundenlang saßen wir im Auto tagsüber beieinander und abends beim Bier. Wir haben uns die Köpfe heiß geredet, gestritten und uns gegenseitig nichts geschenkt. Wir haben unsere Vorurteile gepflegt und dann dem anderen zähneknirschend mehr als einmal recht gegeben.
Seit der Tag des Herrn gleich nach der Wende Partner unserer Zeitungskooperation der Verlagsgruppe Bistumspresse wurde, kannten wir uns. Mehrmals haben wir uns für gemeinsame Reportagen getroffen, ein eingespieltes Team trotz aller Gegensätze. Matthias Holluba machte keine großen Worte, was er sagte, hatte Hand und Fuß. Besser als ich wusste er, wann es klüger war, sich zurückzunehmen, Verständnis zu zeigen oder zu vermitteln. Ein Kollege, auf den ich mich blind verlassen konnte.
Manchmal stoische Gelassenheit war ein Wesensmerkmal von Matthias Holluba. Kein dickes Fell, wie manche meinten, die sich hinter seinen breiten Schultern verstecken konnten, vielmehr eine besondere Art von Optimismus, verbunden mit der Überzeugung, trotz mancher Rückschläge für die richtige Seite einzustehen. Beharrlich, konsequent und unaufgeregt vertrat er die Sache der ostdeutschen Katholiken.
Im Kreis der Kooperation wird Matthias Holluba fehlen als kompetenter Kollege. Mir wird er fehlen, weil wir noch etliche Pläne hatten. Immer wieder mussten wir sie aufschieben, jetzt ist es zu spät.
Gern können Sie die Kommentarfunktion nutzen, um der Familie Ihr Beileid auszudrücken.