St. Christoph in Mainz
Ein Mahnmal gegen den Krieg
Ruinenkirche wird sie genannt: St. Christoph in Mainz war früher Pfarrkirche, heute ist sie ein beliebter Ort, um für den Frieden zu beten. Vor fast genau 80 Jahren wurde sie erstmals im Krieg zerstört. Aktuell wird der Turm saniert. Von Armin Thomas
Die Ruinenkirche St. Christoph symbolisiert wie kein anderes Bauwerk die tiefen Wunden, die der Zweite Weltkrieg im Stadtbild von Mainz hinterlassen hat. Bereits bei den Luftangriffen am 12. und 13. August 1942 brannten Turm, Sakristei und Pfarrhaus aus, das Langhaus verlor sein Dach. Auf einem Gemälde, das wenig später entstanden ist, sieht man den damaligen Pfarrer Franz Adam Landvogt (1889 bis 1953) vor der zerstörten Kirche. Pfarrer Landvogt hatte hier von 1928 bis 1951 als Hirte der Armen, Kranken und Obdachlosen und ab 1933 auch als Prediger gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime gewirkt. Das mit dem Namen Hiessleitner signierte Gemälde beeindruckt durch seine realistische Darstellung. Es befindet sich im Besitz der benachbarten Gemeinde St. Peter, für die Pfarrer Landvogt ab 1945 zusammen mit St. Emmeran ebenfalls zuständig war.
Nach dem Krieg zunächst Abriss geplant
Nach dem Krieg plante die Stadt zunächst sogar den Abriss der Ruine. Dagegen erhoben der Mainzer Kunsthistoriker Fritz Arens und der Historiker und Konservator des Bistums, Dr. Wilhelm Jung, ihre Stimmen. Jung schlug eine Übernahme der Ruine durch die Stadt und die Errichtung eines Mahnmals vor. Anfang 1959 schließlich wurde der Schutt rund um St. Christoph beseitigt. 1960 legte der Mainzer Architekt Henkes Pläne für eine weitgehende Rekonstruktion der gesamten Kirche vor. In deren Folge entstand ein Bebauungsplan für den Karmeliterplatz. 1961 konkretisierte die Kommune ihre Pläne: Im Chor wurde eine Gedächtniskapelle eingerichtet, das südliche Seitenschiff überdacht und das nördliche Seitenschiff durch eine offene Halle ersetzt.
Das Ruinen-Denkmal wurde am 24. November 1963 eingeweiht, die Kapelle im wiederhergestellten Chor am 3. Mai 1964. In den folgenden Jahrzehnten geriet die Ruinenkirche jedoch aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Erst in der jüngeren Vergangenheit rückten die Kriegsschäden und die nun nicht mehr ausreichenden Schutzvorkehrungen der Nachkriegszeit erneut in den Blick. So stellte sich bei bautechnischen Untersuchungen im Jahr 2012 heraus, dass der Turm und die Chorkapelle so stark beschädigt waren, dass der gesamte Komplex abgesperrt werden musste. Diese Nachricht ließ den Mainzer Mäzen Stefan Schmitz, der schon viele andere Projekte seiner Heimatstadt gefördert hat, aufhorchen. Zunächst suchte Schmitz den Kontakt zu Pfarrer Michael Baunacke von der Cityseelsorge, die in der Gedächtniskapelle Gottesdienste feiert und Gedenkveranstaltungen durchführt. Baunacke verwies Schmitz an die Gebäudewirtschaft (GWM) der Stadt Mainz. Dort erläuterte ihm ein Sachbearbeiter, dass für den Schutz des Gebäudes bereits ein Angebot in der Schublade vorlag. Aus diesem Nachhaken bei der Stadt ist im Laufe der Zeit die
Initiative St. Christoph entstanden. „Sie ist nicht gegründet worden im eigentlichen Sinne, sondern sie hat sich ergeben“, erläutert Schmitz im Rückblick. Andere Mainzer meldeten sich bei ihm und sagten ihre Unterstützung zu. So entstand die bis heute andauernde Kooperation zwischen der Stadt und der Initiative
St. Christoph.
Am 27. Februar 2015, dem 70. Jahrestag der Zerstörung, wurden die gesicherte Ruine, der neu geschaffene Platz und die neu konzipierte Dauerausstellung im Langhaus eröffnet. Weitergehende Untersuchungen zeigten 2019, dass dringend Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden mussten, um den Turm zu stabilisieren und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Diese Arbeiten wurden im Juni 2021 von einer Thüringer Fachfirma vollständig abgeschlossen.
„Unsere Stadt wird zerstört“
Mit der Planung der weiteren Sanierung am Turm beauftragte die Stadt das Mainzer Ingenieurbüro Consult (IBC). Das Mahnmal
St. Christoph soll voraussichtlich ab dem 27. Februar 2023 wieder ein weithin sichtbarer Teil des Stadtbilds sein. Die Kosten für den Turmhelm in Höhe von voraussichtlich 305 000 Euro übernimmt die Initiative St. Christoph.
Stefan Schmitz ist über den sich abzeichnenden Abschluss des Gesamtprojekts Mahnmal
St. Christoph sehr froh. Er hat die Zerstörung der Stadt Mainz als sechsjähriger Bub gemeinsam mit einigen Gleichaltrigen selbst erlebt. Die Buben waren zwischen Gonsenheim und Finthen unterwegs. „Von dort haben wir die Stadt brennen gesehen. Es war ein furchtbarer Anblick. Der Horizont war blutrot. Und sogar wir Kinder haben sofort verstanden, was geschieht: Unsere Stadt wird zerstört.“ Dieses Erlebnis kann der 1938 geborene Stefan Schmitz sein Leben lang nicht vergessen. Und es war sein Antrieb, sich dafür einzusetzen, dass St. Christoph seine historische Würde, Größe und Ausstrahlung wieder erhalten soll.
Von Armin Thomas