Vatikan im Wandel

Ein Papstamt für alle?

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Erster unter Gleichen?
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Vatican Media / Romano Sicilia / kna

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Als Erster unter Gleichen? Papst Franziskus 2024

„Das Papstamt ist das größte Hindernis in der Ökumene“ – das hat schon Papst Paul VI. im Jahr 1967 geschrieben. Kurz nach Erscheinen des neuen Studiendokuments formulierten es Vertreter der Anglikanischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Kirche ähnlich. Sie nannten es einen „Stolperstein“. Dabei war das Amt doch ganz anders gedacht: als eines der Einheit.

„Das Papstamt ist das größte Hindernis in der Ökumene“ – das hat schon Papst Paul VI. im Jahr 1967 geschrieben. Kurz nach Erscheinen des neuen Studiendokuments formulierten es Vertreter der Anglikanischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Kirche ähnlich. Sie nannten es einen „Stolperstein“. Dabei war das Amt doch ganz anders gedacht: als eines der Einheit.

Wie alles anfing

Am Anfang stand Petrus. Und der Satz bei Matthäus: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Ein Papst war Petrus aber nicht, auch kein Alleinherrscher. Er war in der jungen Kirche ein wichtiger Apostel unter mehreren. Allerdings missionierte er in Rom, der damaligen Hauptstadt der Welt. Er gründete dort eine Gemeinde, wurde ihr Bischof, starb den Märtyrertod. Das alles begründete die besondere Rolle des Bischofs von Rom. Spätestens seit dem 3. Jahrhundert galt er als „Patriarch des Westens“ und im Miteinander der Patriarchate als „primus inter pares“, als „Erster unter Gleichen“.

Der erste Bruch

Über die Jahrhunderte entwickelten sich die Kirchen des Westens und die Kirchen des Orients, der Orthodoxie, immer weiter auseinander. Gleichzeitig wuchs der jeweilige Machtanspruch der Patriarchen von Rom und Konstantinopel, sodass es 1054 zum Bruch kam. Wenig später formulierte Papst Gregor VII. gegen alle Schismatiker: „Nur der römische Bischof wird zu Recht universal genannt.“ Und: „Sein Urteil darf von niemandem verändert werden, und nur er kann die Urteile aller abändern.“ 

Der zweite Bruch

Eigentlich wollte der Augustinermönch Martin Luther nur, dass seine Kirche eine bessere wird. Mit weniger Machtgehabe und weniger Missständen. Aber dann trafen Männer aufeinander, die wenig kompromissbereit waren – und die Männer des Papstes waren die mächtigeren. Luther sagte sich von Rom los, es entstand eine neue Kirche. Zum Papst dieser Kirche machte Luther sich nicht.

Der endgültige Bruch

Im 19. Jahrhundert stand die katholische Kirche in Europa mit dem Rücken zur Wand. Und sie reagierte mit der Stärkung ihres Oberhaupts. Sie definierte beim 1. Vatikanischen Konzil den Jurisdiktions- und Lehrprimat des Papstes – die Vollmacht also, in Gesetzgebung und Glaube allein zu entscheiden, unfehlbar noch dazu. Eine solche Machtfülle hatte kein Monarch der Welt und auch kein Papst zuvor. Für manche innerhalb und viele außerhalb der katholischen Kirche war das indiskutabel – und ist es bis heute.

Erste Kittversuche

Das 2. Vatikanische Konzil machte Schritte auf die anderen Konfessionen zu, gestand ihnen Würde und Wahrheit zu. Und es führte den Papst ein Stück zurück in die Gemeinschaft der Gläubigen: indem es den Glaubenssinn des Volkes Gottes betonte und die Beteiligung des Bischofskollegiums am Lehramt der Kirche. Seit dieser Zeit gibt es verstärkt ökumenische Gespräche mit nichtkatholischen Kirchen. Auch über das Papstamt.

Konzil, Papst
Papst Paul VI. 1965: Wie ein König mit Hofstaat auf der Sänfte. Foto: kna 

Die Enzyklika von 1995

Papst Johannes Paul II. war die Ökumene ein Anliegen. Deshalb gab er 1995 die Enzyklika „Ut unum sint“ (Damit sie eins seien) heraus. Neben anderen Fragen sprach er auch sein eigenes Amt an und erklärte ausdrücklich die Bereitschaft, im Dialog mit den anderen Kirchen eine neue Form der Ausübung des Papstamtes zu finden. Und er forderte auf, dafür Vorschläge zu machen. 30 Kirchen antworteten.

Das Studienpapier von 2024

Jetzt, knapp 30 Jahre später, antwortet die katholische Kirche auf diese Antworten. Gleichzeitig fasst das Papier sehr gut und ausführlich die Ergebnisse vieler Dialogprozesse zusammen und gibt eigene Einschätzungen, wie sich das Papstamt verändern könne, um „zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beizutragen“. Der Text ist von Papst Franziskus gutgeheißen, lehramtlich verbindlich ist er nicht. Ein Studienpapier eben, das sich an die Theologie richtet und vieles im Ungefähren lässt. Die Eckpunkte sind:

Der Text spricht fast ausschließlich vom „Bischof von Rom“. Niemals ist von „Stellvertreter Christi“ die Rede. Damit kehrt er zurück zur Anfangszeit: Bischof von Rom, Patriarch des Westens und Erster unter Gleichen.

Innerkatholisch wird das Papstamt eingebettet in die Gemeinschaft der Kirche, die nicht mehr als Monarchie verstanden werden soll. Entsprechend soll die Verfassung der Kirche in Richtung Synodalität mit gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung geändert werden.

Das Papier will eine Trennung zwischen unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Papstes. So soll er deutlicher als bisher Ortsbischof von Rom sein. 

Der Titel „Patriarch des Westens“ soll an praktischer Bedeutung gewinnen. Als solcher könnte der Papst auf einer Stufe mit den Patriarchen der Kirchen des Ostens stehen.

Allerdings soll er den „Primat der Einheit in der Gemeinschaft der westlichen wie der östlichen Kirchen“ innehaben, eine Art Ehrenprimat mit gewissen Befugnissen. So soll er das Recht haben, konfessionsübergreifende Konzilien einzuberufen und ihnen vorzusitzen. Ferner könnte er im Falle von Disziplinar- oder Lehrkonflikten die Rolle eines Mediators übernehmen.

Wie geht es weiter?

Kurienkardinal Kurt Koch, ein Mitverfasser des Papiers, sieht den Ball nun bei den anderen christlichen Kirchen. Die Vorschläge seien bewusst „sehr sanft formuliert“, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die anderen Kirchen sollten „nicht den Eindruck gewinnen, als hätten wir schon ein fertiges Programm und wollten ihnen das auferlegen“. Das Dokument sei von der Haltung geprägt: „Hier sind unsere Vorschläge, nun warten wir auf eure Reaktionen.“ Die, die es bereits gibt, könnte man zurückhaltend positiv nennen.

Die katholische Ökumenikerin Barbara Haldensleben sagt hingegen, die katholische Kirche sei selbst am Zug. „Sie hat mehr als genug Elemente, um von der gelehrten Debatte zur revidierten kirchlichen Praxis überzugehen“, schrieb sie in einem Beitrag für katholisch.de. 

Beim Konzil von Nicäa 325 waren die Christen noch unter dem Bischof von Rom vereint. Bis zum 1700-jährigen Jubiläum im kommenden Jahr will man in den Gesprächen über das Papstamt einen Schritt weiterkommen und gerne zusammen feiern. Ob das realistisch ist? 

Kardinal Koch sagt: „Ich habe gelernt, dass es nicht hilfreich ist, bei ökumenischen Prozessen Zeitansagen zu machen, und schon gar nicht einseitig. Der eigentliche Ökumene-Minister ist ohnehin der Heilige Geist. Dessen zeitliche Agenda kenne ich jedoch nicht so genau – und die möglichen Überraschungen von Papst Franziskus auch nicht.“

Susanne Haverkamp