Dommuseum

Ein Stück Domgeschichte

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ä Museumsleiterin Claudia Höhl mit einem Bild der Sandsteinmadonna.
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Stefan Branahl

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ä Museumsleiterin Claudia Höhl mit einem Bild der Sandsteinmadonna.

Die Rede ist von einer bezaubernden Madonnenfigur. In den Wirren des Krieges war sie verschwunden, jetzt taucht sie auf dem Kunstmarkt wieder auf. Das Dommuseum hätte sie gerne zurück.

Von Stefan Branahl
Es geht in diesem Fall schlicht und ergreifend um die Frage: Wie bekommt man unterschiedliche Interessen unter einen Hut? Die eine Seite ist im Besitz einer kunstvoll aus Sandstein gehauenen Mariendarstellung, die wohl aus der Zeit um 1400 stammt und bis Kriegsende im Hildesheimer Dom ihren Platz hatte. Die andere Seite hätte sie aus berechtigten Gründen gerne zurück. Der bislang unbekannte Eigentümer, der sich durch einen Anwalt vertreten lässt, würde sie zwar verkaufen. „Aber seine Preisvorstellungen sind unrealistisch und für uns nicht zu stemmen“, sagt Museumsdirektorin Claudia Höhl. 
Die Sandsteinmadonna steht für ein grundsätzliches Problem: Als der Dom nach der Bombardierung Hildesheims in Schutt und Asche lag, wurde manches wertvolle Stück von der Bevölkerung aus den Trümmern geborgen – mit ganz unterschiedlichen Absichten: Die einen hofften, Kunst gegen ein Stück Brot oder Speck tauschen zu können, anderen brach es das Herz bei der Vorstellung, die verehrten Schätze würden in all dem Chaos verschwinden, also brachten sie sie in Sicherheit. Nicht auszuschließen, dass manche auch ahnten: irgendwann kann so etwas zu Geld gemacht werden. 
Wie dem auch sei – viel kirchliche Kunst ist heute in Privatbesitz und kann von möglichen Erben nur selten zugeordnet werden. „Oft droht dann die Entsorgung im Abfallcontainer, weil niemand etwas damit anfangen kann“, befürchtet die Museumsleiterin. Dass andere Stücke heute auf dem Kunstmarkt, bei Auktionen oder sogar im Internethandel auftauchen, ist darum eher ein Glücksfall. „Dann sind sie zumindest nicht verschollen.“ Und wenn es ganz gut läuft, werden sie in internationalen Listen geführt, die den Verkauf zumindest erschweren; ein Beispiel dafür ist das in London angesiedelte Lost-Art-Register.
Zurück zur Madonnenfigur. Der Besitzer verweist darauf, dass er sie rechtmäßig gekauft hat, das werde auch nicht infrage gestellt, sagt Claudia Höhl. Möglicherweise fühlt er sich aber nicht ganz wohl bei der Sache, denn er bemüht sich derzeit darum, die Figur von der Lost-Art-Liste streichen zu lassen, hat die Museumsleiterin gerade in Erfahrung gebracht. Nichtsdestotrotz steht die Preisvorstellung im Raum, eine sechsstellige Summe. Höhl: „Natürlich sind wir an einem Rückkauf interessiert, aber nicht zu diesen Konditionen.“ Derzeit gibt es Gespräche zwischen dem Anwalt des Eigentümers und einer Stiftung, die einen Teil der Finanzierung übernehmen würde, wenn es denn zu einem Kompromiss käme. „Klar ist: Geld des Bistums, Kirchensteuern also, würden wir für einen Rückkauf nicht einsetzen“, versichert Höhl.
Natürlich wäre es wünschenswert, die Sandsteinmadonna zurück nach Hildesheim zu holen. „Hier gehört sie hin und wir könnten sie dann im Rahmen von Ausstellungen im Dommuseum zeigen.“ Ein Kirchenschatz ist die Figur allemal: Immerhin gilt sie als beeindruckendes Zeugnis der Hildesheimer mittelalterlicher Bildhauer-Werkstätten. Ursprünglich gehörte sie zum Grab des Domherrn und Arztes Burchard von Höxter, der zu seiner Zeit einer der wichtigen Kunstmäzene der Bischofskirche gewesen ist und im Kreuzgang bestattet wurde. Später hatte die Madonna dann einen Platz in einer der Seitenkapellen. Viele Generationen haben vor ihr gekniet, gebetet und auf Trost und Beistand gehofft. Claudia Höhl: „Die Sandsteinmadonna ist ein Stück Hildesheimer Geschichte!“ 

Stefan Branahl