Jahresserie "Beste Freunde": Freundschaft zwischen den Generationen

Ein Stück Jugendlichkeit für die ältere Freundin

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Freundschaften über Generationen. Gibt es die? Die Kirchenzeitung hat sich umgehört. In unserer Jahresserie 2021 „Beste Freunde“ geht es diesmal um den Verein „Freunde alter Menschen“, der in Frankfurt solche Beziehungen anbahnt.



Hedi, 93 Jahre, und Madleen, 28 Jahre


Freundschaften lassen sich nicht verordnen. Aber es lassen sich Rahmenbedingungen setzen, unter denen Zuneigung und Loyalität über die Generationen hinweg wachsen.
In fünf deutschen Großstädten ist ein Verein aktiv, der sich um Verbundenheit zwischen betagten Menschen und ehrenamtlichen Freiwilligen bemüht – die „Freunde alter Menschen“ (FaMeV). An mehreren Treffpunkten in Berlin, Hamburg, Köln und München kontaktieren inzwischen regelmäßig gut 600 jüngere an die 650 ältere Personen.
Cleo Matzken und Sophie Krausch bauen gerade in Frankfurt einen solchen Treffpunkt für einsame alte Menschen und engagierte jüngere Freiwillige auf.  Sie wenden sich an junge Leute, die Lust und Zeit haben, Personen ab 75 Jahren bei ihnen zu Hause zu besuchen. Es geht nicht um einen Betreuungsdienst. Eher um Austausch, von dem beide Seiten Gewinn haben. Gemeinsam spazieren gehen oder im Café sitzen inklusive. Normalerweise. Denn Start der Frankfurterinnen war im Januar 2020, als ausgerechnet die Corona-Pandemie es erschwerte, mit älteren Menschen zu arbeiten. Der Lockdown bremste das Engagement vorübergehend aus.
Zum ersten Mal gehört hatte Cleo Matzken von den „Freunden alter Menschen“ während ihres Studiums in Köln. Zwei eigene Freundinnen trafen sich in einer Besuchspartnerschaft mit einem älteren Herrn und berichteten regelmäßig, wie bereichernd die Begegnungen für alle Parteien gewesen seien. Zurück in ihrer Heimatstadt Frankfurt, suchte Matzken ein vergleichbares Angebot, fand es aber nicht. Sie schrieb noch 2019 die FaMeV-Zentrale in Berlin an und fragte nach, ob auch bald in Frankfurt ein Standort angedacht wäre: „Darauf antwortete der damalige Geschäftsführer, dass das aktuell nicht möglich sei, ich aber den Verein gerne selbst aufbauen könnte mit Unterstützung aus Hamburg und Berlin.“ Gemeinsam mit ihrer langjährigen Freundin Sophie ging Cleo Matzken das Vorhaben an.
Im Großstadtumfeld erleben die beiden jungen Frauen viele betagte Mitbürgerinnen und Mitbürger, die den Alltag ohne Kinder oder Enkel gestalten. Sind sie einsam? Das wolle man ja niemandem unterstellen und frage nicht so einfach nach, ob derjenige sich über Gesellschaft freuen würde. Vielleicht hätte der Lebenserfahrene viel zu erzählen. Von den ihn prägenden Ereignissen, von schönen Erinnerungen, von überstandenen Herausforderungen. Der Jüngere könnte sich ermutigen lassen oder Rat holen von einer Person, die Situationen aus dem Blickwinkel des Alters beurteilt.
„Wir erleben tatsächlich einen sehr hohen Andrang an Interessierten, die sich im Verein engagieren möchten“, erzählt Cleo Matzken. „Die meisten Freiwilligen sind Mitte 20 bis Mitte 30. Die Hauptmotivation ist dabei meistens der generationen-übergreifende Austausch und das Lernen voneinander.“ Viele hätten entweder keine Großeltern mehr oder lebten nicht am selben Ort wie sie. Dennoch wäre da der Wunsch nach einer „ähnlichen Bezugsperson“.
Machen die Älteren oft nicht die ausgewogeneren Bestandsaufnahmen, wenn es um Konflikte geht? Sind es nicht sie, die Probleme aus mehreren Perspektiven betrachten und die vielfältigen näheren Umstände würdigen? Auch wenn sich das persönliche Tempo eines Menschen mit den Jahren verringert und die Merkfähigkeit sich verschlechtert – die „Weisheitspsychologie“ als Wissenschaft bescheinigt alten Menschen eine gute Urteilsfähigkeit im Umgang mit schwierigen Lebensproblemen. Aufgrund ihres gelebten Lebens sind sie in der Lage, Vielschichtigkeiten zu erkennen, Ungewissheiten einzubeziehen und das Veränderungspotenzial der Zeit selbst zu würdigen. „Außerdem strahlen ältere Menschen oft eine besondere Ruhe aus und haben eine ganz andere Perspektive auf Dinge, die spannend ist, kennenzulernen“, unterstreicht Cleo Matzken.
Für den älteren Freund bedeutet der generations-übergreifende Umgang auch ein Stück Jugendlichkeit, die er für sich selbst übernehmen kann. Vielleicht profitiert er von der Aufbruchstimmung des anderen, bleibt unternehmungslustig und widmet sich neuen Themen und Inspirationsquellen. Wer mit Menschen aus den Generationen nach seiner eigenen den Kontakt sucht, erhält sich selbst über die Jahre zumindest eine jugendliche Seele.
Sophie Krausch und Cleo Matzken haben nun leider selbst noch keine Besuchspartnerschaft, da sie nach wie vor hauptsächlich mit der Koordination des Vereins beschäftigt sind. Doch beide erfahren zumindest aus Kennenlerngesprächen mit Älteren „wahnsinnig spannende Geschichten“. Denn als Mittler für potenzielle Freundschaften zwischen Alt und Jung führt der Verein mit allen Freiwilligen zunächst einen vorbereitenden Austausch. Lebenslauf, Beruf, Interessen und Hobbys – so etwas ist wichtig, um zu wissen, wer zu wem passen könnte. Die künftigen Besuchspartner müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, in eine Vertraulichkeitserklärung einwilligen und einen Freiwilligenvertrag unterschreiben. Nach dem ersten Kennenlernen dürfen beide Seiten ehrlich urteilen, ob sie sich ein Wiedersehen wünschen. Falls das der Fall ist, werden feste Zeiten vereinbart: eine bis anderthalb Stunden ein- bis zweimal im Monat.
„Durch einen Beitrag im Presseverteiler der Stadt Frankfurt und einen Stand auf der diesjährigen Ehrenamtsmesse haben wir zuletzt viel Aufmerksamkeit genossen“, freut sich Cleo Matzken. „Wir haben kürzlich eine Arbeitskraft eingestellt, die uns bei der Organisation des Vereins und dem Kennenlernen neuer Freiwilliger sowie älterer Menschen tatkräftig unterstützt. Außerdem haben wir einen Stamm aus 27 Freiwilligen, von denen der Großteil drauf wartet, vermittelt zu werden.“ Allerdings bedauert sie, dass aufgrund der Pandemie das Bekanntmachen unter Älteren immer noch sehr erschwert möglich sei: „Wir haben daher erst zwei Besuchspartnerschaften erfolgreich vermitteln können. Eine davon findet aufgrund der Lage nur telefonisch statt.“

Von Evelyn Schwab