Kleines ABC der Kirchenentwicklung
Ein „wirklich örtliches Gewand“
Was ist wesentlich für die Kirche 2030? Heute geht es in unserem „kleinen ABC der Kirchenentwicklung“ um „Schnittblumenpastoral“. Andere Theologen sprechen auch von „pastoralen Südfrüchten“. Wie auch immer: Es geht darum, zu entdecken, welche „Importe“ für die Seelsorge sinnvoll sind. Von Johannes Becher.
Wer kennt das nicht: Da hat man im Urlaub im Sonnenuntergangsmodus diesen wunderbaren Wein auf der Terrasse genossen – und jetzt zu Hause schmeckt der mitgebrachte Rebensaft gar nicht mehr so stimmig. Irgendwie passt er so nicht hierher.
Nichts anderes ist gemeint, wenn Kirchenentwickler von „pastoralen Südfrüchten“ sprechen oder vor einer „Schnittblumenpastoral“ warnen. Kurz gesagt meinen sie: Passt auf, wenn ihr Modelle für die Seelsorge, die andernorts so wunderbar funktionieren, einfach 1-zu-1 für die Situation in Deutschland übernehmen wollt. Anders gesagt: Es gibt nicht das eine Patenrezept, wie Kirche heute überall auf der Welt „funktioniert“. Oder: Es gibt kein „quick-fix“, es braucht einen Prozess der Veränderung.
Dr. Christian Hennecke, der Hildesheimer Vordenker einer zukunftsfähigen Kirche, sagt mit Blick auf weltkirchliche Erfahrungen – in den Philippinen, in Indien und Südafrika, aber auch in Poitiers – einen „langen Weg“ voraus. Hennecke: „Es geht um nichts weniger als einen Mentalitätswandel und eine tiefgreifende Rezeptionsbewegung des Zweiten Vatikanischen Konzils.“
Vor allem warnen die Experten vor dem bloßen Kopieren weltkirchlicher Erfahrungen. Es genüge eben nicht (so sinnvoll das ist), ein paar Kundschafter-Tage in einem philippinischen Pastoralinstitut zu machen, danach mal eben ein Bibelteilen einzuführen oder sich für „Kleine Christliche Gemeinschaften“ einzusetzen. Schon die Tatsache, dass Basisgemeinschaften auf allen Kontinenten andere Namen hätten, zeige: Es braucht „eine je lokale Inkulturation“. Das heißt: Die aufgefrischte Gestalt der Kirche hat überall ein „wirklich örtliches Gewand“.
Die aktuelle Amazonas-Synode bringt diese Erkenntnis dadurch zum Ausdruck, dass betont wird, es gehe um Lösungen für das Amazonasgebiet. Diese seien möglich und erlaubt – und müssten nicht immer gleich für die Weltkirche gelten. Jedoch selbstverständlich immer, ohne das Band der Einheit zu zerschneiden.
Was dann hierzulande als Impuls aufgegriffen wird, der auch regional Früchte trägt, muss reifen. Das wird auch zur Bewährungsprobe für den „synodalen Weg“. Und zugleich liegt hier vielleicht auch ein methodischer Schlüssel: Ein „quick-fix“ wird es nicht geben.
Zitiert: „Ein Prozess“
„Wir sind versucht, gute Erfahrungen einfach in unseren Kontext zu übertragen – und riskieren damit eine kurzschlüssige ,Schnittblumenpastoral‘: Wir in Deutschland haben gerne die spirituellen Impulse des Bibel-Teilens aufgegriffen, aber die diakonischen und sendungsorientierten Dimensionen ausgenommen – denn insgesamt ging es in der Rezeption vor allem um die Frage nach geistlichen Kleingruppen. Und es kam nicht in den Blick, dass die Rede von ,Basiskirchlichen Gemeinschaften‘ einen pastoralen Prozess der Evangelisierung und der Ekklesiogenesis in den Blick nimmt. Und solche Prozesse zu initiieren, das ist Aufgabe einer führenden Leitung, so dass klar werden muss: Es geht hier nicht um eine Basisinitiative, etwa im Kontrast zu diözesaner Entwicklung, sondern um einen gemeinsamen Prozess des Werdens der Kirche, der das unfruchtbare ,Oben-Unten‘-Schema überwindet.“
Christian Hennecke