Die Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen ist oft armselig

Eine Charta für ein Sterben in Würde

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Während eines Festaktes am 29. November wird in Hannover eine „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ unterzeichnet. Ziel ist es, auf die Situation der Pflege in diesem Bereich aufmerksam zu machen.


Eine Pflegerin im Hospiz hält die Hand
einer Patientin. | Foto: kna-Bild

„Es gibt in manchen Bereichen durchaus Fortschritte, aber vieles liegt noch im argen“, sagt Ulrich Domdey, Vorsitzender der Hospizarbeit und Palliativversorgung Niedersachen. „Die Versorgung von schwerkranken und sterbenden Menschen ist oft noch armselig. Die Zeiten sind noch nicht vorbei, in denen Menschen auf dem Flur oder in der Besenkammer sterben. Und viele leiden mehr als sie müssten.“

Domdeys Kritik: Es gibt zu wenig Pflegepersonal und vor allem zu wenig Fachkräfte. Und mancher Pflegende spricht nur radebrechend Deutsch, was gerade für die alten Menschen eine Belastung sei. Darüber hinaus: Fortbildungen müssen von den Trägern der Altenheime selbst bezahlt werden, es gibt kein Geld vom Staat oder aus der Pflegekasse.

Zudem fehlt es in Altenpflegeeinrichtungen an sogenannten Notfallkoffern, mit denen Sterbenden, die unter starken Schmerzen oder Luftnot leiden, mit der entsprechenden Medikation zu jeder Tages- und Nachtzeit geholfen werden kann. „Welcher Arzt schreibt in der Nacht oder am Wochenende die nötigen Mittel auf?“ fragt er.

„Wir müssen uns klarmachen, dass unsere Altenheime vor allem Sterbeorte sind“, erläutert Domdey. Die durchschnittliche Verweildauer der Bewohner erreiche in manchen Heimen gerade einmal 120 Tage. „Dennoch ist eine Pflege­kraft in der Nacht für 40 oder 50 Bewohner zuständig. Das kann doch nicht sein“, sagt er. Im Hospiz kommen auf einen Sterbenden zwei Pflegekräfte, im Altenheim ist eine Pflegekraft für vier Bewohner zuständig – ein krasses Missverhältnis.
Positiv entwickelt hat sich in den letzten Jahren die Zahl der Hospize, niedersachsenweit gibt es mittlerweile 28 davon, zehn sind im Bau und zehn weitere in Planung. Dennoch ist auch dieses Feld nicht ohne Probleme, sagt Domdey: „Fast alle Hospize könnten ohne Spenden nicht überleben.“ Pro Bett und Jahr werden rund 10 000 Euro benötigt.

Unterschiedlich sieht die Entwicklung bei den Krankenhäusern aus. Während einige, wie beispielsweise das Hildesheimer St. Bernwardkrankenhaus, eine ausgezeichnete Palliativstation hätten, würden andere Kliniken noch hinterherhinken.

Domdeys Forderung: Die Gehälter für Pflegepersonal erhöhen und den Pflegeschlüssel verbessern. „Wir müssen die Betreuung von schwerstkranken und sterbenden Menschen zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe machen. Wir müssen uns fragen, wie wollen wir mit Sterben und Sterbenden umgehen“, sagt Domdey.

Matthias Bode