Initiative Maria 2.0
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Sieben Thesen der Initiative Maria 2.0 haben Frauen ans Portal des Fuldaer Doms, aber auch an Pfarrkirchen und Dorfkirchen in Kassel und in der Rhön geheftet. Mit der Aktion fordern die Frauen Gleichberechtigung in der Kirche
und die Bekämpfung der Ursachen von sexualisierter Gewalt.
Irene Heigel, Barbara Vogler und ihre Mitstreiterinnen haben die sieben Thesen an die Kirchentüren der Gotteshäuser in Poppenhausen und Gersfeld geheftet. Dabei gab es meist positive Reaktion. „Jemand sagte, nachdem er die Thesen gelesen hatte: ,Da muss etwas getan werden‘ “, berichtet Irene Heigel.
Beide Frauen sind in der Kirchengemeinde seit langem aktiv. Heigel gehört dem Leitungsteam der kfd-Gruppe in Poppenhausen an, Vogler war lange in der Leitung engagiert. Zu den sieben Thesen sagt Vogler: „Wir wollen Reformen in der Kirche vorantreiben. Darum ging es ja auch Martin Luther, als er seine Thesen anschlug“, erklärt Vogler. Und das müsse jetzt geschehen. „Einige Bischöfe wollen unsere Forderungen mit Verweis auf die Weltkirche abtun. Aber unsere Bewegung besteht hier in Deutschland. Und hier muss etwas geschehen“, betont Vogler.
Für Heigel gibt es keinen Grund, Frauen von den Weiheämtern auszuschließen – nicht nur mit Blick auf das Grund- und Menschenrecht der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Heigel fügt hinzu: „Es gibt genauso Frauen wie Männer, die zu diesen Ämtern berufen sind.“ Wird dies verwehrt, verspiele die Kirche ihre Glaubwürdigkeit.
Zustimmung haben Heigel und Vogler nicht nur beim Kirchenvolk erfahren. Auch Priester wie der Poppenhausener Pfarrer Jörg Stefan Schütz stünden hinter den Forderungen der Frauen von Maria 2.0. Ähnliches berichtet auch Pastoralreferentin Beatrix Ahr aus Kassel. Der dortige Dechant Martin Gies ließ sich mit dem Plakat, auf dem die sieben Thesen aufgeschrieben sind, ablichten. Ahr fügt hinzu: „Ich habe auch von einem Pfarrer gehört, der nach dem Verlesen des Hirtenbriefs das Plakat mit den Thesen hochhielt und sagte: ,Eine glaubwürdige Kirche, die der Bischof meint, könnte so aussehen‘. “
Laut Beatrix Ahr wurden die Thesen an insgesamt 35 Kirchen im Dekanat Kassel-Hofgeismar angebracht. Sie hörte viel Zustimmung wie „Macht weiter so!“, „Das unterstütze ich gern“ oder „Das ist wichtig“. Aber auch andere Reaktionen gehörten dazu. So berichtet Ahr von einem Pfarrer, der voller Wut das Plakat abriss. Auch an weiteren Kirchentüren wurden Plakate abgerissen.
Viele Frauen würden fragen: Lohnt es sich noch, für Veränderungen in der Kirche einzutreten. Nach dem Thesenanschlag antwortet Ahr darauf mit „Ja“. Denn, so die Theologin: „Wir müssen die Botschaft Jesu Christi glaubwürdig vertreten. Und das heißt auch, Missstände in der Kirche deutlich aufzuzeigen und Veränderungen herbeizuführen.“ Dies müsse auch durch Änderungen von Strukturen geschehen. So fördere Klerikalismus – also das Machtmonopol für eine Gruppe von Männern – den Machtmissbrauch. Auch in der Verkündigung komme nur die eine Hälfte der Kirchenmitglieder zu Wort. Die andere Hälfte – die Frauen – fehle.
Dass als Gegenargument auf die Weltkirche verwiesen wird, lässt Beatrix Ahr nicht gelten. Im Gegenteil: Sie sieht eine Chance für die Kirche, wenn sie sich die Forderungen von Maria 2.0 zu eigen machen würde: „Was für ein Signal könnte die katholische Kirche weltweit setzen, wenn sie sich überall für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen würde?“
Hans-Joachim Stoehr