Stephanie Rieth ist "Bevollmächtigte des Generalvikars" im Bistum Mainz

Eine Frau in der Bistumsleitung

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Zur Bistumsleitung gehört im Bistum Mainz seit kurzem eine Frau. Stephanie Rieth ist jetzt Bevollmächtigte des Generalvikars Udo Markus Bentz. Ein Gespräch mit beiden führte Anja Weiffen.



Im Bistum Mainz liegt das Amt des Generalvikars jetzt in vier Händen: gemeinsame Verantwortung, aber auch mit eigenen Arbeitsfeldern.


Aus dem Vatikan kam bisher keine Reaktion, antwortet Stephanie Rieth auf die Frage nach Rom. Warum auch, das neue Amt, mit dem sie seit Mitte April betraut ist, liegt im Rahmen des Kirchenrechts. „Im Kirchenrecht ist vieles möglich“, sagt die 47-jährige Pastoralreferentin. Bevollmächtigte des Generalvikars heißt das Amt, das Bischof Peter Kohlgraf neu eingerichtet und dazu Stephanie Rieth berufen hat.

Aufarbeitung bleibt Chef-Sache

Dass einer nicht geweihten Person, zumal einer Frau, eine so hohe Leitungsfunktion übertragen wird, hat in deutschen Bistümern Seltenheitswert. Nicht, dass es nicht ähnliche Veränderungen in anderen Bistümern gäbe: Das Erzbistum München und Freising hat seit Anfang 2020 eine Amtschefin, das Erzbistum Hamburg seit April 2020 einen Verwaltungsdirektor. Seit vergangenem Jahr ist ein Laie im Bistum Münster an der Spitze der Verwaltung tätig. Allesamt neue Leitungspositionen auf höchster Ebene für Nicht-Priester. Rieth bezeichnet die Veränderung im Bistum Mainz allerdings als etwas „fundamental anderes“, da hier kein Bereich aus dem Amt des Generalvikars herausgelöst wird. Das Amt bleibe in seiner Ganzheit bestehen. Weihbischof Udo Markus Bentz weist darauf hin, dass es anderswo vor allem um eine Manager-Position geht, zugeschnitten auf die Verwaltung. „Bei uns teilen sich zwei Theologen das Amt des Generalvikars.“ Denn pastorale Entscheidungen seien immer auch Entscheidungen über Ressourcen und umgekehrt.


Stephanie Rieth

Im Zuge dieser Amtserweiterung haben Rieth und Bentz nun sowohl gemeinsame Aufgaben als auch jeweils eigene Verantwortungsbereiche. Nach außen kann Stephanie Rieth als Bevollmächtigte des Generalvikars sogar das Bistum und den Bischöflichen Stuhl vertreten, allerdings nur in ihren Aufgabenfeldern. Was auffällt, ist, dass Rieth mit einer heiklen Chef-Sache betraut ist: Die Koordination von Intervention, Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt gehört zu ihren Aufgaben in Eigenregie. Sie führt in diesen Angelegenheiten zum Beispiel Dienst- und Mitarbeitergespräche. Auch nach außen repräsentiert sie das Bistum, in der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen und in den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz zu Intervention und Prävention. Nachgefragt, wer bei diesem Thema letztlich die Verantwortung trägt, wer auch für etwas gerade stehen muss, antworten Rieth und
Bentz: „Das Thema bleibt Chef-Sache.“ Im Fall der Fälle würden sowohl der Bischof, als auch der Generalvikar sowie dessen Bevollmächtigte oder Bevollmächtigter gemeinsam die Verantwortung tragen, auch wenn aktuell mit Stephanie Rieth eine Person eigenverantwortlich handelt und Ansprechpartnerin ist.
„Zur Eigenverantwortung gehört immer auch eine gute Kommunikation“, erklärt Rieth. „Wir wollen konsequent das Vier-Augen-Prinzip vorleben und damit auch Vorbild sein für andere Bereiche des Leitungshandelns.“ Dieses Prinzip sorgt bei wichtigen Entscheidungen für eine gegenseitige Kontrolle. Das eng verzahnte Arbeiten mit dem Generalvikar ist sie als dessen bisherige Persönliche Referentin gewohnt. Warum hätte es nicht so weitergehen können? Weihbischof Bentz: „Wir wollten ein Signal setzen, auch nach außen, dass wir es ernst damit meinen, Verantwortung gemeinsam zu tragen.“ Gerade beim Thema Aufarbeitung habe er gespürt, dass es nicht nur Berater braucht sondern auch eine Person mit Leitungsvollmacht, die nicht-priesterlich ist, damit nicht nur Priester über Priester entscheiden. „Es brauchte hier einen Quantensprung.“ Das Prinzip habe sich auch für andere Bereiche als fruchtbar erwiesen. Es sei seine Grundüberzeugung, sagt Bentz, „gemeinsame Verantwortung ist das, was der missionarischen Kraft der Kirche am ehesten entspricht.“

„Jetzt beginnt ein Ringen miteinander“

Künftig muss nicht nur die Ausgestaltung des neuen Amts weiterentwickelt werden. Auch steht für die Amtsinhaberin als vorherige Persönliche Referentin das Hineinwachsen in ihre Rolle an. Das ist Bentz und Rieth bewusst. „Jetzt beginnt ein Ringen miteinander“, sagen sie lachend, „um nicht in alte Rollenmuster zu fallen.“ Pionierarbeit für einen Kulturwandel beim Thema Leitung. Rieth: „Diesen Wandel wollen wir glaubwürdig verwirklichen.“

Anja Weiffen

Zur Person: Stephanie Rieth

Stephanie Rieth, geboren am 30. März 1975, ist nach ihrem Theologiestudium und dem darauffolgenden Pastoralkurs im Jahr 2002 als Pastoralreferentin im Bistum Mainz gesendet worden. Zunächst war sie Religionslehrerin und Schulseelsorgerin in Offenbach. Nach der Elternzeit arbeitete sie in der Gemeinde St. Rochus in Mainz-Kastel und -Amöneburg. 2011 wurde sie Referentin in der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“ und beim Päpstlichen Werk für geistliche Berufe (PWB). Rieth wechselte 2016 als Ausbildungsreferentin zum Pastoral- und Ausbildungsseminar für Kapläne und Pastoralassistentinnen und -assistenten im Bistum. 2019 wurde sie Persönliche Referentin von Weihbischof und Generalvikar Bentz. Stephanie Rieth ist zudem seit 2003 regelmäßige Autorin für Verkündigungssendungen im Hörfunk. Sie ist verheiratet und hat mit ihrem Mann drei Kinder. (mbn)

Stichwort: Generalvikar

Der Generalvikar ist Stellvertreter eines Diözesanbischofs für alle Verwaltungsaufgaben. In diesem Bereich handelt er mit den gleichen Vollmachten wie der Bischof selbst. Deshalb wird er häufig als „Alter Ego“ des Bischofs bezeichnet. Der Generalvikar leitet die Bistumsverwaltung, die – wie im Bistum Mainz – als Ordinariat bezeichnet wird. Nach den Bestimmungen des Kirchenrechts kann der Bischof seinen Generalvikar frei ernennen und abberufen. Das Amt des Generalvikars endet automatisch mit der Amtszeit seines Bischofs.
Das Amt des Generalvikars hat sich im 13./14. Jahrhundert zunächst in Frankreich und Deutschland entwickelt. Während der Bischof die Gesetzgebungsgewalt in seinem Bistum ausschließlich selbst ausübt, setzte es sich durch, die Verwaltung einem Generalvikar und die Rechtsprechung einem Offizial zu übertragen. (mbn)