Neue Unabhängige Beauftragte im diözesanen Schutzprozess
„Eine sinnstiftende Arbeit“
Foto: Jasmin Lobert
Sarah Röser (31) befasst sich nicht zum ersten Mal mit Fällen von sexualisierter Gewalt. Als sie noch wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen war, übernahm sie an der Katholisch-Theologischen Fakultät die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten. Im Zuge dessen meldeten sich bei ihr Betroffene von sexualisierten Grenzüberschreitungen und emotionalen Missbrauch. „Ich war ein Sprachrohr zwischen den Betroffenen, die größtenteils anonym bleiben wollten, und der Fakultätsleitung“, sagt Röser. Sie begleitete die Betroffenen und half, die Fälle aufzuklären. Auf diese Arbeit ist sie stolz, weil sie den Menschen aktiv helfen und Veränderungen im universitären System anstoßen konnte.
Nachdem sie ihre Doktorarbeit eingereicht hat, war der gebürtigen Bergisch Gladbacherin klar, dass sie den universitären Kontext vorerst verlassen möchte. „Ich wollte nicht nur über die Theorie nachdenken, sondern auch die kirchenrechtliche Praxis erleben“, sagt sie. Im Rahmen ihrer Stellensuche ist sie auf die Ausschreibung des Bistums Osnabrück gestoßen und sie wusste sofort: „Das ist es!“ Denn bei Röser kommt das zusammen, was für die Stelle der „Unabhängigen Beauftragten“ wichtig ist: das kirchenrechtliche Wissen und die Erfahrungen im Umgang mit Menschen, die sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch erlebt haben. Heinz-Wilhelm Brockmann, externer Sprecher der Monitoring-Gruppe des Schutzprozesses im Bistum Osnabrück, ist von Röser überzeugt: „Sie ist mit ihrer Profession und ihren Vorerfahrungen eine ideale Besetzung für diesen Aufgabenbereich.“
Im Kontakt mit den Betroffenen spüre ich oft eine große Dankbarkeit
Als Unabhängige Beauftragte verantwortet sie die verwaltungsverfahrens- und kirchenrechtliche Begleitung aller bekannt gewordenen und bekanntwerdenden Fälle. Das heißt: Sie kontrolliert, steuert und überwacht die Verfahren. Dabei ist sie frei von Weisungen der Bistumsleitung. Bei ihrer Arbeit hat sie auch immer wieder Kontakt zu Betroffenen, die etwa Fragen zu den rechtlichen Prozessen haben oder einen Antrag zur Anerkennung des Leids stellen wollen. „Im Kontakt mit den Betroffenen spüre ich oft eine große Dankbarkeit, dass es da jetzt jemanden gibt, der sich ihrer Anliegen annimmt.“ Zu merken, dass sie den Menschen mit ihrer Arbeit hilft, motiviert Röser. Gleichzeitig stellt es sie auch vor die Herausforderung, den Betroffenen gerecht zu werden. Rechtlichen Abläufe und Konsequenzen will sie anschaulich erklären und dabei einen einfühlsamen Ton treffen: „Ich überlege mir mehrfach, wie ich etwas schreibe, um Betroffene nicht zu überrumple oder etwa etwas Negatives in ihnen auszulösen.“
Viel Zeit verbringt Röser momentan damit, Akten zu sichten und Fälle zu rekonstruieren. „Langweilig ist das auf jeden Fall nicht. Da ist immer ein kleiner Mikrokosmos für sich. Ich muss mich durch die Akten lesen und versuchen, zu verstehen, was passiert ist.“ Alles mit der Frage im Hinterkopf: Was kann das Bistum für die Zukunft lernen? Rösers Ziel ist es, transparente und standardisierte Verfahren und Abläufe im Interesse und zum Wohle der Betroffenen zu etablieren. Sie gestaltet also auch den diözesanen Schutzprozess konzeptionell mit. Eine Routine hat sich bei ihr bisher noch nicht eingestellt, sie sagt: „Ich nehme mir etwa vor, eine rechtliche Ordnung zu schreiben und zack, klingelt das Telefon und der nächste Fall liegt auf dem Tisch.“ Bei diesem unvorhersehbaren Alltag ist es ihr trotzdem wichtig, sorgfältig und transparent zu arbeiten. Deshalb dokumentiert sie ihre Vorgehensweise ausführlich und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema der guten Aktenführung. „Ich möchte eine schnelle und einfache Nachvollziehbarkeit schaffen, die in vielen Akten fehlt.“
Ihre Stelle ist nach dem Zwischenbericht der Universität Osnabrück entstanden
Auf die Frage, was sie motiviert, antwortet Röser: „Das ist für mich eine sinnstiftende Arbeit, bei der ich durch das Schaffen von Strukturen, Systematiken und Transparenz Betroffenen helfen kann.“ Diese Motivation teilt sie mit ihrem Kollegen Simon Kampe, der seit November 2023 Ombudsmann im diözesanen Schutzprozess ist. Beide Stellen sind entstanden, nachdem der Zwischenbericht der wissenschaftlichen Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Osnabrück aufgedeckt hat, dass die gemeldeten Fälle oft zu lange im System sind, bis es zu Hilfeleistungen kommt. Auch die Betroffenenperspektive ist in den Strukturen und Gremien oft untergegangen. Röser und Kampe stehen vor der Aufgabe, diese Mängel zu lösen.
Wenn Sie mehr über die Arbeit von Sarah Röser und Simon Kampe erfahren möchten, lesen Sie das Doppelinterview „Gut, dass das jemand macht“.