Impuls zum Sonntagsevangelium am 27.08.2023

Er ging seinen Weg

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Lichterprozession für Franz und Franziska Jägerstätter.
Nachweis

Foto: Michael Maldacker

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Die Lichterprozession endet jedes Jahr am Grab von Franz und Franziska Jägerstätter.

Im Evangelium fordert Jesus, sich selbst zu verleugnen und ihm nachzufolgen. Franz Jägerstätter tat das und gab sein Leben für Jesus Christus. Bis heute gilt er deshalb als Vorbild. Besonders in seinem Heimatort St. Radegund in Österreich.

Schlag 16 Uhr wird es still. Totenstill. 1943 im Zuchthaus in Brandenburg und 80 Jahre später in der Pfarrkirche 

St. Radegund. In seinem Heimatdorf wird Franz Jägerstätters Todesstunde jedes Jahr am 9. August gedacht. In diesem Jahr sind zur Andacht an die hundert Menschen gekommen, das Kirchlein ist voll, stehen muss aber niemand. Hier kennt ihn jeder, woanders vielleicht nicht.

Franz Jägerstätter, Landwirt aus St. Radegund, ist ein frommer Mann. Er betet regelmäßig, geht in die heilige Messe, liest viel: in der Bibel, kirchliche Lehrschreiben und besonders gerne Biografien über Heilige. Seine Frau Fransziska hat seinen Glaubenseifer entzündet.

Nach dem Anschluss von Österreich an Nazi-Deutschland im März 1938 wird Jägerstätter, 30 Jahre alt, aufgefordert, für die Wehrmacht zu kämpfen und später, ab 1939, in den Krieg zu ziehen. Er tut es nicht, verweigert Hitler die Gefolgschaft. Er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein, sagt Franz Jägerstätter immer wieder. 

Jägerstätters Weigerung wird vom Reichskriegsgericht als Wehrkraftzersetzung verurteilt und mit dem Tod bestraft. Im Zuchthaus in Brandenburg an der Havel, vor den Toren Berlins und weit weg von seiner Heimat, wird er schließlich durch ein Fallbeil der Kopf abgeschlagen. 

Franz Jägerstätter.
Überzeugter Christ: Franz Jägerstätter. 
Foto:  kna-bild

St. Radegund, Oberösterreich, 2023: 657 Einwohner leben hier, einen Steinwurf von der bayerischen Grenze entfernt, 40 Kilometer nördlich von Salzburg. Wer im Sommer hierherkommt, sieht zuerst satte Wiesen, auf denen satte Kühe liegen. Es ist viel Platz um die Häuser und Höfe, die nächsten Nachbarn sind weit weg. Es ist die Region, wo Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, aufgewachsen ist. 

In St. Radegund wurde der selige Franz Jägerstätter geboren und getauft, hier ist er aufgewachsen, und hier ist 36 Jahre nach seiner Geburt seine Asche angekommen. Die verbrannten Überreste seines hingerichteten Körpers werden sichtbar hinter einer Scheibe im Altar der Pfarrkirche als Reliquie verehrt. Das Haus, in dem die junge Familie gelebt hat, ist heute Museum. Am Todestag herrscht Trubel im ansonsten beschaulichen Dorf.

„Franz Jägerstätter hat etwas als richtig erkannt und ist diesen Weg gegen alle Widerstände gegangen“, sagt Uschi Teißl-Mederer. Sie ist Mitorganisatorin des Gedenktags. Der gläubige Landwirt handelte konsequent, so wie es das heutige Evangelium nach Matthäus fordert: „Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“

Auch Franziska Jägerstätter verleugnete sich selbst. Sie unterstützte ihren Mann stets, obwohl auch sie die tödliche Konsequenz für ihn kannte und obwohl sie drei kleine Töchter großziehen musste. Ihre Ehe durfte nur sieben Jahre dauern. 

Dass Franz Jägerstätter mit seiner Verweigerung des Kriegsdienstes nicht nur ein politisches Zeichen gegen das Nazi-Regime setzte, sondern vor allem seinem durch seinen Glauben geprägten Gewissen folgte, ist für Maria Mittendorfer und Elfriede Wimmer sonnenklar. Die Schwes-
tern aus Vöcklabruck in Oberösterreich kannten Fransziska Jägerstätter noch gut, sind mit der Familie weitläufig verwandt. Für sie wird Jägerstätter zu Recht als Märtyrer verehrt, nicht nur als Pazifist. „Seine Weigerung war eine reine Glaubenstat“, sind sich die Schwestern einig, „die Nachfolge Christi war ihm wichtiger als das eigene Leben.“

Die Schwestern erzählen, dass sich Franziska und ihre drei Töchter noch lange Zeit Vorwürfe anhören mussten, der hingerichtete Franz sei nicht bereit gewesen, im Krieg für sein Vaterland zu sterben. Einige in der Kriegsgeneration scheinen eine perverse Sicht auf Jägerstätters überzeugtes Handeln gehabt zu haben. In einer Zeit, in der man überall in Deutschland und in Österreich die Verbrechen aus der Nazizeit nur zögerlich aufarbeiten wollte.

Franz Jägerstätter – noch jahrelang verurteilt statt verehrt. Erst im Mai 1997, 54 Jahre nach seiner Hinrichtung, wurde das Todesurteil vom Landgericht Berlin formal aufgehoben und als Unrecht angesehen. 2007 wurde Franz Jägerstätter im Linzer Dom seliggesprochen. Seine Frau Franziska hat diesen Moment noch miterlebt. Sie stirbt, einhundertjährig, im Jahr 2013.

„Lichter sind ein Zeichen für Hoffnung“

„Alle haben auf ihn eingeredet, er lasse seine Familie im Stich“, wurde Maria Dammer erzählt, „aber er ging seinen Weg im Glauben konsequent.“ Dammer war viereinhalb Jahre alt, als ihr Vater Franz Jägerstätter umgebracht wurde. Sie ist die mittlere der drei Töchter. Hat sie noch Erinnerungen an ihren Vater, den Märytrer? „Keine“, sagt die 84-Jährige ehrlich. Eine Legendenbildung hat sie nicht nötig.

Am Ende des Gedenktages findet die Lichterprozession statt. Sie führt vom Kircheninneren zum Grab an der Außenmauer. Bischof Manfred Scheuer aus Linz, der zuvor die heilige Messe gefeiert hat, ist auch dabei, trägt ein Kerzchen in der Hand. „Lichter sind ein Zeichen für Hoffnung und Auferstehung“, sagt Bischof Manfred an der Grabstätte, „Franz Jägerstätter war ein großes Licht in der Nachfolge Christi.“

Michael Maldacker