Hohes Interesse an katholischen Schulen

Es geht um mehr als Wissenserwerb

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Schulkinder
Nachweis

Foto: Getty Images / Stockphoto

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Trotz hoher Kirchenaustritte: ein christlich fundiertes Bildungskonzept ist bei den Eltern sehr gefragt.

Das Interesse an katholischen Schulen ist im Nordwesten Niedersachsens ungebrochen. Schulstiftungsvorstand Thomas Weßler über leidvolle Absagen, die religiöse Dimension von Bildung und eine soziale Staffelung des Schulgeldes.

Wozu braucht das Bistum Osnabrück katholische Schulen?

Wir steuern immer stärker auf eine säkulare Gesellschaft zu. Eltern, denen Religion aber nach wie vor wichtig ist, fragen sich: Wo erfahren meine Kinder das? Es kommt ihnen darauf an, in welchem Umfeld sich ihre Kinder bewegen, welche Anregungen sie erhalten, welche Erfahrungen sie machen. Im Gebiet des Bistums Osnabrück gibt es bereits an 28 Prozent der staatlichen Schulen keinen katholischen oder konfessionell-kooperativen Religionsunterricht mehr. Bei uns ist er gesetzt. Ich halte unsere Schulen für ein sehr geeignetes Mittel, um im Gespräch und im Kontakt zu sein und zu bleiben. Für die Eltern und für die Kirche. Hier erfahren wir, wie die junge Generation tickt, was ihr wichtig ist, welche Anfragen sie an Kirche hat - oder auch nicht.

Thomas Weßler Schulstiftung

Wie sind die Schulen der Schulstiftung aufgestellt?

Die Schulen sind auf einer soliden Basis unterwegs, was sich alleine daran zeigt, dass wir an unseren 21 Schulen in diesem Jahr 665 Anmeldewünsche hatten, die wir nicht erfüllen konnten. Es ist ein ungebrochenes Interesse von Eltern da, dass ihre Kinder auf unsere Schulen kommen. Wenn es diese ungebrochene Nachfrage nicht gäbe, dann hätte die Schulstiftung in der Tat ein großes Problem.

Nach nur zwei Jahren erfolgt zu diesem Schuljahr schon wieder eine Schulgelderhöhung. Warum?

Die Inflation hat so große Sprünge gemacht, die wir ausgleichen mussten. Das ließ sich leider nicht mehr aufhalten. Das Schulgeld betrifft die Berufsbildenden Schulen, die Gymnasien und die Bremer Schulen. Die Konkordatsschulen und die Drei-Religionen-Schule in Osnabrück sind hier ausgenommen, da sie eine andere Finanzierungsgrundlage haben (Oberschulen, Gymnasium Hildegard von Bingen in Twistringen).

Sind die Schulen jetzt auf dem Weg, Eliteschulen zu werden?

Wir wollen auf jeden Fall, dass der Zugang zu den Schulen frei bleibt und nicht abhängig vom Geldbeutel der Eltern ist. Das ist unsere oberste Zielsetzung. Das Schulgeld soll nie eine unüberwindliche Hürde für den Besuch einer Stiftungsschule sein. Die neue Schulgeld-Tabelle hat eine klare soziale Staffelung. Das war ausdrücklicher Wunsch der Eltern. Die Zahlungen sind einkommensabhängig und es ist deutlich geregelt, wie sie aussehen, bis hin zum kompletten Erlass. Darüber hinaus haben wir eine Härtefallklausel eingebaut, da es immer mal passieren kann, dass sich Lebensumstände verändern, zum Beispiel durch Krankheit oder andere Dinge, wo es dann schwerfällt, das Schulgeld zu zahlen.

Können Sie sich das angesichts von Zuschusskürzungen leisten?

Nein, eigentlich nicht. Wir wissen ja, wo die Reise finanziell hingeht. Ganz bewusst haben wir daher auch mit den Eltern entschieden, neben dem Schulgeld noch einmal gesondert um Spenden zu bitten. Wir führen damit eine Art Solidarsystem ein, dass diejenigen, die das Schulgeld nicht bezahlen können, Unterstützung finden bei denen, die es sich vielleicht ein bisschen leichter leisten können. Das verdient höchste Anerkennung.

Wie kommt das bei den Familien an?

Die Reaktionen sind keine Jubelarien. Andere Bereiche innerhalb der Kirche nehmen ja auch keine verbindlichen Gelder für ihre Leistungen. Die Kritik betrifft aber eher das Bistum und nicht die Schulstiftung. Häufig tauchen Bemerkungen auf wie: „Ich zahle doch schon Kirchensteuer.“

Was antworten Sie?

Ich arbeite mit Transparenz. Die Entscheidung über die Mittelvergabe des Bistums fällt zwischen Kirchensteuerrat und Bischof und nicht bei uns. Darüber hinaus haben wir in den Bundesländern einen grundgesetzlich geregelten Anspruch auf Finanzhilfe, aber dieser Anspruch ist nie kostendeckend, in keinem Bundesland. Diese Lücke müssen wir als Träger füllen. Zuschüsse, Bistumszuweisungen, Schulgeld, das sind unsere Einnahmequellen. Das Bistum beabsichtigt, die Zuweisungen zu halbieren. Da müssen wir reagieren.

Gibt es weitere Ideen, um fehlende Gelder zu akquirieren?

Wir haben zwei Dinge, die wir derzeit kräftig vorantreiben. Die Bundesländer Niedersachsen und Bremen gehören leider zu den Schlusslichtern der Finanzhilfe. Das muss sich ändern. Auf diesen Missstand weisen wir in aller Deutlichkeit hin. Zum anderen entstehen im Bereich Schule laufend finanzielle Bedarfe, da die Weiterentwicklung eine unheimliche Dynamik hat. Hier wollen wir verstärkt mit Fundraising arbeiten. Wir wollen für besondere Projekte in den Schulen künftig Mittel generieren, die wir derzeit über die üblichen Kanäle nicht erhalten. Diese Gelder werben wir aber ganz bewusst nicht für die Stiftung ein, sondern für die konkrete Schule oder für bestimmte Themen innerhalb der Schule, zum Beispiel für künstlerische oder musikalische Bildung, für alte Sprachen oder sportliche Angebote.

Was schätzen die Eltern an den katholischen Schulen?

Ein christlich fundiertes Bildungskonzept ist gefragt. Es ist mehr als der reine Wissenserwerb. Persönlichkeitsentwicklung, Wertschätzung, soziales Lernen, das sind Themen, die bei uns in der Programmatik vorhanden sind. Auch die religiöse Dimension der Wirklichkeit wird bei uns vermittelt, das ist vielen Eltern nach wie vor wichtig.

Was unterscheidet die Schulen von staatlichen Schulen?

Wir sind Schule in freier Trägerschaft. Wir sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Die Abschlüsse haben den gleichen Wert, wir können aber die Wege dorthin selbständig gestalten. Unser Start mit einem Morgengebet, unsere Gestaltung der geprägten Zeiten, die Tage religiöser Orientierung oder auch das Sozialpraktikum, das sind Dinge, die geben der Persönlichkeit einen Schub. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus dem Sozialpraktikum anders wieder, sie machen die Erfahrung: Ich werde hier als Mensch gebraucht und angefragt. Was die jungen Leute daraus machen, das liegt natürlich an ihnen selbst.

Wie wichtig ist gute Schule, gute Bildung – auch angesichts aktueller Wahlergebnisse?

Ich habe früher im Ostteil der Republik gearbeitet und zitiere mal den verstorbenen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, der damals angesichts einer erstarkten NPD auch mit kirchlichen Jugendgruppen Gespräche führte. Er sagte: „Ich habe schon den Eindruck, dass hier eine gewisse Widerstandsfähigkeit da ist, ein Reflexionshorizont, den Demokratiefeinden nicht auf den Leim zu gehen. Könnt ihr nicht noch mehr Schule machen?“

Heute werden katholische Schulen eher weniger als mehr, auch weil Bistümer sparen müssen…

...und dann stellt man fest, dass man danach kaum mit Jugendlichen und Familien im Gespräch ist und man die falsche Priorität gesetzt hat. Bei einem kleiner werdenden Bistum wird es stärker darauf ankommen, wie unterschiedliche Angebote miteinander abgestimmt sind. Wenn der Ganztag an den Schulen weiterwächst, kann hier auch ein Feld für kirchliche Jugendarbeit an den Schulen entstehen. Räume hierfür sind an den Schulen vorhanden.

Rorate Marianum Meppen
Stark nachgefragt: Rorateamt bei Kerzenschein im Marianum Meppen

Sind Schulen dabei wichtige Player?

Natürlich. Wir machen ja leider die Erfahrung, dass Kinder und Jugendliche heute nicht mehr so in den Gottesdiensten sind. Aber in der Schule, da sind sie. Wir sind nicht nur nachgefragt, sondern die Leute sind bereit, auch über die Kirchensteuer hinaus, Gelder zu zahlen. Ein stärkeres Zeichen gibt es doch nicht. Bei uns erfahren die Schüler verlässlich religiöse Bildung und Angebote. Auch als pastoraler Mitarbeiter kann ich in der katholischen Schule Kontakte knüpfen, Beziehungen aufbauen, Angebote machen. Es gibt Musikanten in der Schule, es gibt eine Aula oder eine Kapelle. Die Zusammenarbeit kann echte Ressourcen bieten. Im Rorategottesdienst beim Marianum in Meppen waren wir jetzt 230 Leute, morgens vor 7 Uhr. Eltern und Kinder. Was will ich denn mehr?

Astrid Fleute