Kreuzbund hilft Suchtkranken
"Es kann jeden treffen"

Foto: Catharina Hövermann
„Es ist keine Schwäche, sich Hilfe zu suchen“, betont Monika Tebbel, die beim Kreuzbund Suchterkrankten und ihren Familien hilft.
Monika Tebbel ist noch jung, als ihr Mann alkoholabhängig wird. „Es war ein schleichender Prozess“, erinnert sich die 78-Jährige heute. Anfangs ist die Sucht kaum sichtbar, bis ihr Vater eines Tages entdeckt, dass sich sein Schwiegersohn regelmäßig nach dem Essen im Keller betrinkt. Als die Problematik auch am Arbeitsplatz sichtbar wird, steht auch für die junge Ehefrau fest: Es muss etwas geschehen.
Es folgen Entgiftungen und eine Therapie mit Partner in der Lüneburger Heide. Monika Tebbel erzählt: „Das war für uns wie Flitterwochen. Mein damals 29-jähriger Mann hat sich total verändert.“ Die Therapie markiert nicht nur das Ende der Suchterkrankung, sondern auch einen Neuanfang für ihre Beziehung.
Monika Tebbel unterstützt ihren Mann, wo sie kann. Auch sie verzichtet auf Alkohol, bei Familienfeiern achtet sie penibel darauf, dass selbst in der Herrencreme kein Schluck Alkohol ist. In der Selbsthilfegruppe beim Kreuzbund Lingen finden sie Halt und Unterstützung. Bis zu seinem Tod 2005 bleibt ihr Mann abstinent und im Kreuzbund aktiv. Seine Veränderung und seine neu gewonnene Energie motivieren ihn, auch anderen zu helfen.
Hier tragen alle das gleiche Paket.
Die Sucht ihres Mannes ist für Monika Tebbel eine prägende Herausforderung. Anfangs fällt es ihr schwer, überhaupt zuzugeben, dass ihre Familie betroffen ist. „Ich wollte nicht, dass jemand sieht, dass ich zu einer Selbsthilfegruppe gehe“, erzählt sie. Schamgefühl und Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung waren groß.
Beim ersten Besuch der Kreuzbundgruppe erlebt sie einen unerwarteten Moment: Am Tisch gegenüber sitzt eine Arbeitskollegin. „Das hat mir gezeigt, dass es wirklich jeden treffen kann, selbst wenn von außen alles in Ordnung erscheint“, sagt sie. Sie erkennt, dass es keine Schwäche ist, Hilfe zu suchen.
Die Gruppe stärkt sie, bietet einen geschützten Raum, um offen über Schwierigkeiten zu sprechen, ohne verurteilt zu werden. Tebbel: „Es ist ein Ort, an dem man sich angenommen fühlt, egal wie groß die Scham oder die Angst vor Ablehnung ist. Hier kann man lernen, wieder Vertrauen zu fassen – in andere und in sich selbst.“ Sie erkennen: Hier tragen alle das gleiche Paket, gemeinsam wird es leichter.
Denn gesellschaftliche Vorurteile und Missverständnisse begleiten auch die junge Familie. Auf Betriebsfeiern ihres Mannes wird oft nur Geld für Bier ausgegeben, nicht aber für seine bestellte Cola. Häufig ist er mit kontrollierenden Blicken und abfälligen Bemerkungen aus dem Bekanntenkreis konfrontiert. Diese Erfahrungen verstärken in Monika den Entschluss, sich für mehr Aufklärung und Offenheit einzusetzen.
Goldene Ehrennadel für jahrelanges Engagement
Die zweifache Mutter und Bankkauffrau wächst an ihrer Aufgabe. Ihr Engagement im Kreuzbund wird zum festen Bestandteil ihres Lebens. Obwohl ihr Mann bereits seit 20 Jahren tot ist, leitet sie bis heute eine von sechs Kreuzbund-Gruppen in Lingen und unterstützt Betroffene und Angehörige mit großem Einfühlungsvermögen. Besonders wichtig ist ihr Ehrlichkeit. Dazu gehört auch gegenseitige Kritik.
Mit Aktionen wie gemeinsam Frühstücken, Kartenspielen oder Zeltlagern für die Kinder schafft Monika Tebbel für die Betroffenen Momente der Normalität und des Zusammenhalts. „Die Gemeinschaft hier ist wie eine zweite Familie für mich“, sagt sie. Der offene Austausch, das Vertrauen unter den Mitgliedern und der respektvolle Umgang mit Kritik schaffen ein familiäres Gefühl.
Auch Schicksalsschläge muss sie in den 49 Jahren ihres Einsatzes verkraften, unter anderem, wenn sich Betroffene das Leben nehmen. Aber auch viele positive Entwicklungen begleiten sie, zum Beispiel wenn geschiedene Partner nach überstandener Suchterkrankung wieder zu sich finden und ihre Liebe erneuern.
Für ihr jahrzehntelanges Engagement erhält Monika Tebbel die Goldene Ehrennadel des Caritasverbandes. Bescheiden sagt sie: „Ich helfe da, wo ich gebraucht werde, in dem Rahmen, den ich leisten kann.“