Alternative Liturgieformen im Bistum Osnabrück

Es muss nicht immer Eucharistie sein

Mehrere Tisch sind in Kreuzform im Altarraum einer Kirche aufgestellt

Foto: privat

In Gesmold wird an Gründonnerstag Agape in der Kirche gefeiert.

Wie kann in der Liturgie lebendige Begegnung stattfinden, wo können sich Gemeindemitglieder beteiligen? Und: Wie gelingt es, dass die Versammlung in der Kirche etwas mit meinem Leben zu tun hat? Beispiele aus dem Bistum Osnabrück zeigen, dass dafür nicht immer eine Messfeier nötig ist.

Die Umfrage ist nicht repräsentativ, für Stefan Bange aber trotzdem aussagekräftig. Der Gemeindereferent, der im Osnabrücker Seelsorgeamt unter anderem für die Beratung von Kirchengemeinden zuständig ist, erinnert sich an ein Treffen mit 80 Vertretern von Pfarrgemeinderäten. Jedes Mitglied hatte drei Stimmen, um Auskunft darüber zu geben, was ihm in der Gemeinde wichtig ist. „Von 240 Stimmen gab es nur einmal den Hinweis auf die Eucharistie“, sagt Bange. 

In vielen Gemeinden im Bistum Osnabrück wird seit Jahren nach Alternativen zur Messfeier gesucht. Die Eucharistie gilt zwar als „Quelle und Höhepunkt“ des kirchlichen Lebens, wie es im Zweiten Vatikanischen Konzil heißt. Aber sie kann nur von Priestern zelebriert werden, von denen es hierzulande immer weniger gibt. Dazu kommt: Menschen möchten mehr am liturgischen Geschehen beteiligt werden, was bei der Eucharistiefeier nur begrenzt möglich ist. In einem Wortgottesdienst ist das leichter umsetzbar.

„Seit Jahren wissen wir, dass das Personal weniger wird“

Solche Gedanken hat sich auch der Pfarrgemeinderat von St. Antonius in Georgsmarienhütte-Holzhausen gemacht. Juppi Dreyer ist Mitglied einer Projektgruppe, in der neue Formen der Liturgie überlegt werden. „Seit Jahren wissen wir, dass das Personal weniger wird“, sagt der 62-Jährige. „Deshalb wollten wir liturgische Angebote von Laien schaffen.“ Der „Anders-Gottesdienst“ war geboren. Drei- bis viermal im Jahr trifft sich der Arbeitskreis und verteilt die Aufgaben, setzt dabei auf die Kreativität der Einzelnen. Zwei Männer schlugen vor, einen Gottesdienst zu gestalten mit Stationen eines Lebenswegs. Start war am Taufbrunnen in der Kirche, Einheiten folgten an der KiTa und der Grundschule. Andere planten eine Liturgie mit viel Gesang. Der Chor wurde eingebunden, zu den Liedern gab es passende spirituelle Texte. Juppi Dreyer ist wichtig, dass sich Laien auf diese Weise beteiligen können, um zu einem lebendigen Gemeindeleben beizutragen. „Und das nicht nur für sich alleine, sondern indem sie andere dazuholen, auch deren Talente nutzen.“ Diese Gottesdienste anzubieten, mache ihm Spaß und sei wertvoll. „So kann ich das vermitteln, was mir in meinem Glaubensleben wichtig ist und was meine Haltung ausmacht.“

Solche Angebote sind nicht an den Schauplatz Gotteshaus gebunden. Stefan Bange spricht von „Anders-Orten“, ein Begriff, der sich erst noch durchsetzen muss. „Liturgie kann es auch auf dem Sportplatz geben, im Supermarkt, in der Schützenhalle, in einem Trauerkreis.“ Er blickt ein paar Jahre zurück: Corona hat wegen der Abstandsregeln viele neue Liturgieformen – oft unter freiem Himmel – hervorgebracht. Da war der Gottesdienst für Autofahrer auf dem Supermarktparkplatz, bei dem sich jeder ein Licht und einen Segen mitnehmen konnte. Oder die Andacht auf der Straße im Wohngebiet, an der die Leute an der Haustür teilnehmen konnten. „Jetzt ist Corona vorbei und an vielen Orten ist alles wieder wie vorher“, sagt Bange bestimmt, doch zugleich bedauernd. Und er stellt einige Fragen: „Wie fördern wir ein Interesse an der Liturgie, wie gestalten wir eine gute Atmosphäre? Wie gelingt es, dass jeder Getaufte einen Zugang dazu findet, ohne dass er Theologe sein muss?“

Manchmal braucht es einen Anlass für eine neue Idee. Oder einen besonderen Besucher. Vor ein paar Wochen wollte Osnabrücks neuer Bischof Dominicus auf seiner Kennenlerntour durchs Bistum auch die Pfarrei in Melle besuchen. Kirchenmusiker Daniel Skibbe erinnert sich: „Wir wollten einen besonderen Abendgottesdienst gestalten, eine Vesper mit Musik von der historischen Klausing-Orgel sollte es sein.“ Die Vesper ist im Gotteslob abgedruckt, die Kinder- und Jugendkantorei stand bereit. „Was wir gemacht haben, war kein großes Hexenwerk“, sagt Skibbe und lacht ein wenig. Jeder in der Kirche konnte die Psalmtexte mitlesen und die Orgelimprovisation auf sich wirken lassen. Übrigens auch ohne den Bischof, denn der hatte wegen einer Erkrankung dann doch absagen müssen. Trotzdem hatte der Gottesdienst guten Zuspruch. Skibbe: „Wir überlegen, ob wir so etwas am Samstag vor Pfingsten wieder machen.“

„Der Gottesdienst ging an die Basis“

Corona war Auslöser für eine Veränderung in Sondermühlen bei Melle; auf das Ergebnis ist das ehrenamtliche Gemeindeteam stolz, sagt Melanie Metasch die dazugehört. Die Werktagsmesse am Mittwochabend musste vorübergehend wegfallen, jetzt hat sich „Der besondere Mittwoch“ etabliert. In einem Monat gibt es einen Wortgottesdienst, den die Ehrenamtlichen gestalten, im nächsten Monat eine Eucharistie, deren Wortgottesdienst ebenfalls aus dem Rahmen fallen darf. Es ist eine Fangemeinde entstanden, nach der Liturgie kommt man noch zusammen und pflegt Geselligkeit. Maiandachten, Kreuzwege durchs Dorf, Schöpfungsgänge wechseln sich ab. Metaschs persönliches Highlight war ein Gottesdienst, bei dem zwei Generationen miteinander ins Gespräch kamen. Titel: „In den Schuhen der anderen.“ Das Thema löste Emotionen aus: „Das ging an die Basis.“ 

Auch Jörg Arndt aus Melle-Gesmold kommt ins Schwärmen. Lange haben sich Ehrenamtliche in der St.-Petrus-Gemeinde dafür eingesetzt, in der runden Kirche andere Formate als die klassische Eucharistiefeier anzubieten. Gründonnerstag 2024 war es so weit. Die Bänke kamen zur Seite, Tische und Stühle wurden in Kreuzform aufgestellt, um Agape feiern zu können. „Wir sitzen uns gegenüber, anstatt nur den Geistlichen am Altar anzublicken. Das hat unser Gemeinschaftsgefühl gestärkt“, sagt Arndt, der „richtig euphorisch“ ist. „Das war Gesprächsthema in der Gemeinde“, sagt er und werde nun 2025 wiederholt. 

Für Stefan Bange sind das Beispiele, wie lebendige Begegnungen und Liturgien nachhaltig gefördert werden können. „Wir können uns freimachen von klassischen Abläufen. So kommen wir raus aus einem engen Korsett und entwickeln eine hohe Eigendynamik.“

 

Matthias Petersen