Das "Ethik-Eck": Zeit für Gerechtigkeit

Frauen vor!?

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Die Frage lautet diesmal: „Frauen vor! Allerorten in unserer Kirche sollen nun endlich die führenden Positionen weiblicher besetzt werden. Manche sprechen schon von der Pflicht zur Quote. Müssen wir nun auch in unserem Pfarrgemeinderat eine Frau als Vorsitzende wählen?“


Gemeinsam
Glücklicherweise sind in den pastoralen Räumen und speziell in den Pfarrgemeinderäten aktuell viele Frauen engagiert. Je nach Bereitschaft des leitenden Pfarrers können sie Kirche vor Ort mitgestalten. Die Mitglieder des Verwaltungsrats, bei dem der Frauenanteil erst langsam steigt, können sogar in wichtigen finanziellen Entscheidungen der Pfarrgemeinde mitbestimmen. Beide Gremien bleiben jedoch der Leitung des Pfarrers unterstellt. Schon in der Pfarrgemeinde und den beiden Räten geht es um wichtige Entscheidungsprozesse – insbesondere im großen Transformationsprozess, in dem aktuell Fusionierungen anstehen. Um so wichtiger, dass Frauen auch Zugang zu Führungspositionen haben, die für die gesamte Diözese Verantwortung tragen.


Bernadette Wahl hat Theologie und
Religionspädagogik studiert, ist
systemische Beraterin und arbeitet
für das Bistum Fulda in der Citypastoral.

Leider muss ich feststellen: Leitungsentscheidungen werden auch in meinem Bistum maßgeblich von Männern getroffen.
Gleichzeitig gibt es in der Kommunikation viel Verständnis von Bistumsleitungen. „Wir wären als Kirche verrückt, wenn wir auf die Begabung von Frauen verzichten würden!“, sagte Kardinal Marx auf einer Veranstaltung im Rahmen des Frauen-Förderungs-Programms, das von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Hildegardis-Verein seit 2016 veranstaltet wird. Im Jahr 2019 hatte sich die Bischofskonferenz sogar selbstverpflichtet, innerhalb von vier Jahren die Leitungspositionen der Bistümer zu einem Drittel mit Frauen zu besetzen.
Ich kenne einige Frauen in der Kirche, denen es ähnlich geht wie mir: Sie sind weder aktivistisch noch gleichgültig oder angepasst. Oft bringen sie – durch die gegenwärtigen Strukturen geschult – einen Sensibilisierungs- und Problembewusst-seins-Vorsprung mit und können daher Blind-Spots schneller identifizieren. Auf der anderen Seite kenne ich auch kaum einen Mann in der Kirche, der bewusst frauenfeindlich entscheidet. Es gibt einige Männer, Kleriker und Laien, mit denen ich gerne zusammenarbeite und deren Kompetenz und Haltung ich sehr schätze.
Was uns alle auf Pfarrei- oder Bistumsebene oder im Dienst der gesamten Diözese sowie als Frauen und Männer miteinander verbindet, ist die aktuelle Situation der Kirche. Die großen Themen rund um Glaubwürdigkeit, Kommunikation, Professionalisierung und die Passung zur sich verändernden Gesellschaft, die letztlich Verkündigung ermöglichen, stehen auf der Kippe. Wie soll es gehen – außer gemeinsam?

Ist dran
Müssen? Nein, aber gerne dürfen, sollen und vor allem können. Keine Quote, aber ein starkes Gefühl dafür: Das ist jetzt dran.
Lange haben Frauen darum gekämpft, vorzukommen, mitzureden und mit zu entscheiden. Dass Frauen wählen dürfen, ist erst 100 Jahre her, dass sie studieren dürfen, auch nicht so viel länger, dass sie für ihren Beruf die Zustimmung des Mannes brauchten, stand bis in den 70-er Jahren im Gesetzbuch. Und auch heute noch: unterschiedliche Chancen, unterschiedliche Lasten, unterschiedliche Bezahlung.
Für viele ist klar: Es geht um Gerechtigkeit, und es ist höchste Zeit. Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung, schultern die meiste Arbeit und haben die wenigste Macht.
Auch Politik und Wirtschaft tun sich damit schwer, wie das Ringen um Regierungsposten zeigt. Und oft tönt es: Wir haben leider keine geeignete Frau … Je bedeutsamer der Posten, desto selbstverständlicher wird er noch immer mit einem Mann besetzt. So viel Angst und Abwehr, wenn Vertrautes sich ändert,  Macht und Einfluss hergegeben werden sollen.
Und in unserer Kirche?


Ruth Bornhofen-Wentzel war
Leiterin der Ehe- und Sexualberatung
im Haus der Volksarbeit in Frankfurt.

Sie fühlt sich gebunden durch die Lehre, nur Männer könnten eine Weihe empfangen und Teil der Hierarchie sein. Und Macht und Einfluss gehöre nur dahin. Die Frauen bleiben ausgesperrt vor der Tür.
Hier ist es meinem Eindruck nach noch deutlicher als in der Gesellschaft allgemein: Die Frauen halten den Laden am Laufen. Sie kümmern sich. Nicht nur um die Blumen und das Aufräumen, auch um die Katechese, die Familiengottesdienste, die sozialen Aufgaben, die vielen kleinen und großen Dinge, aus denen ein Miteinander vor Ort wächst. Und längst auch um Theologisches oder ums Geld und sind oft engagiert und phantasiereich, wenn es um neue Formen, neue Ideen und neue Entwicklungen geht. Außerdem hämmern sie inzwischen ziemlich energisch an die Tür. Sie wollen rein und Verantwortung mit übernehmen. Und das nicht nur im Bereich der Caritas und Familienarbeit, sondern auch repräsentativ, als Leitung oder Vorsitzende.
Es bleibt ja, dass der innere Zirkel der Macht (noch) verschlossen bleibt, aber es macht einen Unterschied, wenn die Erfahrungen und das Können von Frauen in möglichst vielen wichtigen Positionen einfließen.
Natürlich sollte jemand geeignet sein und von den anderen akzeptiert, es geht hier ja auch um eine Wahl.
Die Sensibilität, dass die Frauen dran sind und es fruchtbar für alle sein kann, wenn sie mitmischen, darf aber sehr gerne wachsen.
Wir könnten gemeinsam beste Erfahrungen machen!

Proaktiv
Die Bedeutung von „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ wird in Deutschland aktuell im Kontext des Synodalen Weges diskutiert. Erst Anfang Februar hat das Synodalforum III in der dritten Synodalversammlung festgehalten, dass „Frauen in Leitungsgremien der Kirche trotz aller Bemühungen unterrepräsentiert“ seien. Wolle man diese Schieflage beseitigen und sich in Bistümern und Pfarreien für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen einsetzen, bedürfe es einer „grundlegende(n) Befragung und Veränderung der herrschenden Strukturen“. Können wir im Umkehrschluss daraus ableiten, dass dem Pfarrgemeinderat deshalb in der Zukunft unbedingt Frauen vorstehen müssen? Nein. Zwang kann freilich keine Lösung sein – vor allem, wenn das zentrale Anliegen im Aufbrechen und Überwinden autoritärer Strukturen besteht.
Wenn wir jedoch als Kirche die gleiche Würde von Frau und Mann nicht nur behaupten, sondern auch glaubhaft verwirklichen wollen, sollten wir doch ernstes Interesse daran haben, uns künftig bei der Bestellung von Ämtern und Gremien gezielt mit der Anfrage zu befassen, inwiefern wir uns um eine Integration möglichst vielfältiger Stimmen bemühen wollen.


Dr. Stephanie Höllinger
ist Assistentin am Lehrstuhl
für Moraltheologie an der
Universität Mainz.

Solche Erwägungen können die Neuwahl des/der Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats betreffen. Noch dringlicher als für Pfarrgemeinderäte wäre Geschlechtergerechtigkeit aber vielleicht für die (Pfarr-)Verwaltungsräte zu thematisieren, die für die Vermögensverwaltung zuständig sind und sich üblicherweise aus Fachleuten aus Verwaltung, Finanzen, Recht und so weiter zusammensetzen.
Während pastorale Aufgaben oft als Realisierung des „weiblichen“ Genius zu gelten scheinen und den Frauen bereits vielfach anvertraut werden, reduziert sich ihre Anzahl drastisch in den traditionell „männlich“ konnotierten Bereichen.
Gerade in diesen Kontexten wäre es geboten, sich den eigenen blinden Flecken zu stellen und sich mit Fragen zu konfrontieren wie zum Beispiel: Wie können wir proaktiv unsere Strukturen beziehungsweise eine Teilhabe daran gerechter gestalten? Wie lässt sich die Buntheit unserer Kirche und ihrer Mitglieder auch in den Gremien abbilden und somit in die Prozesse von Entscheidung und die Entwicklung von Strukturen einbinden? Oder um es mit dem Synodalforum zu sagen: Wie können wir es Katholik:innen ermöglichen, „unabhängig von ihrem Geschlecht Anerkennung und Wertschätzung ihrer von Gott geschenkten Charismen und Berufungen (zu) erfahren“?