Serie zum Advent
Freut euch! Jetzt!
Foto: imago/shotshop
Wenn eine Sache gar nicht gut läuft und ich anfangen möchte, anderen etwas vorzujammern, hilft mir manchmal Herbert Grönemeyer. In einem Lied singt er: „Und gleicht ein Tag noch so sehr dem andern / Und ist das Leben unerträglich seicht / Und bist du innerlich längst ausgewandert / Lache, wenns nicht zum Weinen reicht.“
Zuerst habe ich mich über die letzte Zeile aufgeregt: Der Sänger missachtet die Situation aller Menschen, denen nicht nach Lachen zumute ist, dachte ich. Doch dann ist sie mir wichtig geworden. Sie klingt ein bisschen wie eine Strophe aus einem Kirchenlied, das mich schon viel länger begleitet. Der Dichter Johann Georg Neumark formulierte es in „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ so: „Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.“
"Lache, wenns nicht zum Weinen reicht."
Die Botschaft: Glaubt an Gott und an das Gute! Was nicht heißt, dass man immer strahlen soll. Bitte nicht. Es bedeutet nicht, nur noch die schönen Dinge im Leben zu sehen. Erst recht nicht, zu lachen, wo es nichts zu lachen gibt. Es bedeutet, nicht wegzuschauen, sondern hinzuschauen. Die menschlichen Katastrophen in den Nachrichten und die Versuche, selbst im Kleinen Frieden zu stiften, sind doch wie Wegweiser, was es im Advent und auch zu anderen Zeiten des Jahres zu tun gibt. Die eigenen Sorgen sind nicht banal. Doch es hilft auch, um sich zu sehen und das Blickfeld zu weiten. Wer könnte außer mir gerade ein bisschen Unterstützung gebrauchen? Wem kann ich ein wenig Abwechslung schenken. Und wie schaffe ich es selbst, mich wieder zu freuen?
Oft werden die eigenen Sorgen ja schon kleiner, wenn man sieht, was bei anderen los ist. Und wenn ich in die Welt schaue, bin ich dankbar. Dafür, dass es in diesem Sommer in Deutschland keine großen Waldbrände gegeben hat und sich der Boden durch den Regen ein bisschen erholen konnte. Dafür, dass im Garten so viel Gemüse gewachsen ist. Dafür, selbst in Freiheit, Frieden und Sicherheit leben zu dürfen. Dafür, einer Arbeit nachgehen zu können, die mir Spaß macht. Dafür, gesund zu sein und zu einer Ärztin gehen zu können, wenn ich krank bin.
Jammern führt oft nicht weiter, kostet aber viel Energie
Zu gerne möchte ich mich manchmal über all das Schlechte aufregen und die Mitmenschen, die unser gemeinsames Leben auf der Erde aus meiner Sicht nicht genug im Blick haben. Dann denke ich an die beiden Liedtexte und frage mich: Was nutzt es? Wem nutzt es? Was wird dadurch besser? Jammern führt nicht weiter, aber es kostet viel Energie. Meistens ist es anstrengend für die Mitmenschen. Meckerer sind nicht leicht zu ertragen.
Ich kann also gedanklich einen Schritt zurücktreten und meinen Bildausschnitt vergrößern. Dann sehe ich die Möglichkeiten, die ich habe, um etwas zum Guten zu verändern – und muss mich entscheiden. Will ich mich zurückziehen und den Zustand so lassen, wie er ist? Oder will ich mich freuen über all das, was ich schon habe, das, was ich tun und verändern kann? Der Blick auf das Gute, Lachen und Dankbarkeit kosten mich nichts, doch sie wärmen mich und meine Mitmenschen und machen glücklich.
Gott ist gegenwärtig - immer
Mag sein, dass noch mühevolle Arbeit bevorsteht. Doch wenn ich warte, bis ich fertig bin, bis es keine Probleme mehr gibt, werde ich mich niemals freuen können. Also freue ich mich jetzt. Ein wichtiger Satz in der Meditation heißt: Gott ist in der Gegenwart. Immer. Im Hier und Jetzt finde ich das Glück und viel Grund, mich zu freuen.
Dann schaue ich aus dem Bürofenster und sehe nach Tagen Dauerregen Sonnenlicht und einen blauen Himmel. Während ich auf dem Weg nach Hause bin, höre ich das Schnattern der Wildgänse und staune über ihre Formation am Himmel. Alles hat seine Ordnung. Ich bin dankbar für das Leben und für die Natur. Ich freue mich über die Urlaubskarte im Briefkasten und auf das Telefonat mit der Freundin am Abend. Für den morgigen Tag ist mir gerade eine Idee gekommen.
Damit sind die großen Probleme noch nicht gelöst. Doch in der Zwischenzeit freue ich mich schon mal über das, was mir in jedem Moment begegnet und nicht weniger wichtig ist. Neumarks Lied endet mit der Zeile: „Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“ Es gibt Grund, mich zu freuen – und zwar jetzt!