Fridays for Future katholisch
Wer sind die Schülerinnen und Schüler, die freitags für ihre Zukunft auf die Straße gehen? Auch von katholischen Schulen kommen sie. Was sind ihre Motive? Und was sagen Lehrer und Schulseelsorger dazu? Von Karin Weber.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, schallt es über den Platz vor dem Mainzer Hauptbahnhof. Hunderte Menschen haben sich dort versammelt und fordern Maßnahmen gegen den Klimawandel. Schülerinnen und Schüler kämpfen für ihre Zukunft und fordern Politik, Industrie und Gesellschaft zum Handeln auf.
Organisiert wird „Fridays for Future“ von jungen Menschen wie Greta Waltenberg. Die Schülerin der Mainzer Maria Ward-Schule ist seit Kurzem im Vorstand des Organisationsteams. Zuvor hatte sie bereits im Hintergrund mitgeholfen. Nun plant sie gemeinsam mit anderen Jugendlichen die Mainzer „Fridays for Future“-Aktionen. Dies geschieht nicht während ihrer Schulzeit. „Wir treffen uns an schulfreien Tagen und entscheiden alles basisdemokratisch“, sagt die Schülerin aus der zwölften Klasse. Da viele bei den Demonstrationen zu den Versammelten sprechen wollen, hat das Team Regeln aufgestellt, die jeder Redner akzeptieren muss. „Wir sind parteipolitisch neutral und verfassungskonform. Sollte sich jemand nicht an unsere Regeln halten, werden wir ihn von der Bühne holen“, sagt die Schülerin entschieden.
Die Konsequenzen kennen sie
Die Freitagsdemonstrationen finden einmal im Monat statt, die nächste in den Sommerferien. „Wir bleiben im normalen Turnus. Denn wir sind sicher, dass es auch in den Ferien funktioniert“, sagt die 17-Jährige. Sie schätzt, dass die Aktionen auch in ihrer Schule etwas bewirkt haben. Zum Beispiel werde viel über Klimaschutz gesprochen.
Inzwischen ist es lebhaft geworden auf dem Bahnhofsvorplatz. „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle“, ruft die Menge und hopst sich warm, bevor sie durch die Straßen zieht. Juli Sixel ist ebenfalls im Orga-Team. Mit ihr sind Felix Kalabza und Anna Rau gekommen. Die drei Gymnasiasten haben sich bewusst für die Schülerdemonstration entschieden. Sie kennen die Konsequenzen: Für jede verpasste Unterrichtseinheit wird eine unentschuldigte Stunde im Zeugnis eingetragen. TH-Schulleiter Stefan Caspari informiert: „Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich jedes Engagement zur Bewahrung der Schöpfung begrüße, ob in oder außerhalb der Schule. Erst recht, wenn Jugendliche eigeninitiativ werden. Ich weiß auch, dass diese Wertschätzung von vielen Kolleginnen und Kollegen und politischen Entscheidungsträgern geteilt wird.“ Dennoch befinde sich das Theresianum wie andere Schulen in einem Konflikt: „Zum einen müssen wir auf die Aufrechterhaltung der Schulpflicht und eines geregelten Lern- und Unterrichtsbetriebs bestehen. Auf der anderen Seite gilt selbstverständlich das im Grundgesetz verankerte Recht auf Demonstration.“
Nikolaus Neufurth, Mitglied des Schulleitungsteams, bedauert diese Regelung, gerade weil sich das TH Demokratiebildung auf die Fahne geschrieben habe. Doch er hat Positives zu berichten. Die Schüler dürfen an zwei Schultagen eigene Aktionen rund um Klimaschutz durchführen.
Ernährung, Müll und CO2 auf ihrer Agenda
Geplant sind Workshops, deren Inhalte nicht von der Schulleitung vorgegeben werden. Jugendliche der Klassen 9 bis 12 treffen sich außerhalb der Schulzeiten und organisieren die Projekttage. Felix, Anna, Juli und Hans Neubauer gehören zum Vorbereitungsteam. „Bisher haben wir drei Themen: ‚Ernährung: Qualität vor Quantität‘, ‚Recycling/Müllproduktion: Nachhaltigkeit im Alltag‘ und ‚CO2-Ausstoß‘“, sagt Felix Kalabza, der im nächsten Schuljahr die Neigungsgruppe „Klimawandel“ leiten möchte.
„Wir wollen nicht nur erzählen, dass man weniger Fleisch konsumieren sollte, sondern auch die Vor- und Nachteile des eigenen Handelns aufzeigen. Deswegen werden wir Themen ansprechen wie artgerechte Tierhaltung, Antibiotika im Fleisch und Futteranbau“, sagt Hans Neubauer. Einen hohen Stellenwert hat für sie der Praxisbezug. Daher denken sie über Ausflüge in den Unverpackt-Laden, eine Recyclinganlage oder einen Secondhand-Laden nach.
„Menschen, die überlegte Entscheidungen treffen“
Nachhaltigkeit ist auch Friederike Selle nicht fremd. Die 16-Jährige ist in der regionalen Leitungsrunde des Schülerinnenverbands Gemeinschaft Christlichen Lebens (J-GCL) aktiv. Als Gruppenleiterin gibt sie Impulse für kritischen Konsum weiter. Momentan überlegt sie gemeinsam mit anderen, wie das Zeltlager in den Sommerferien möglichst nachhaltig durchgeführt werden kann. Das setzt einiges an Planung voraus und verursacht zusätzliche Kosten. Denn der Einkauf beim Metzger und Bäcker ist oft teurer als der im Discounter. „Vor allem möchten wir Essensreste vermeiden. Bleibt trotzdem etwas übrig, wollen wir es auf jeden Fall verwerten.“ Wegen des hohen Ressourcenverbrauchs soll weitgehend auf tierische Produkte und Plastikverpackungen verzichtet werden. „Die ‚Fridays for Future‘-Demonstrationen haben bei vielen einen Wandel angestoßen. Dadurch ist es leichter, Nachhaltigkeit auch im Zeltlager anzugehen“, sagt die Gymnasiastin.
Schulseelsorger Cornelius Herrlich freut sich über junge Menschen, die nicht nur zu den Demonstrationen gehen, sondern sich auch aktiv engagieren. Er erzählt von Kindern, die mit ihren Eltern diskutieren – etwa, wo man Urlaub machen kann, ohne zu fliegen. Zudem steige das Bewusstsein, sich nicht im SUV der Eltern vor die Schule fahren zu lassen, sondern selbst mit dem Rad zu strampeln – auch wenn es mal regnet. „Im Religionsunterricht frage ich nach, wie ernst sie die Demos nehmen“, sagt der Pfarrer. „Die Mädchen wissen zwar, dass es ihnen im Zeugnis negativ angerechnet wird. Aber sie sind überzeugt davon, weil es ihnen wichtig ist. Das ist gut katholisch. Schließlich wollen wir Menschen, die überlegte Entscheidungen treffen!“
Meinung: Weitergehen
Auch katholische Schülerinnen und Schüler streiken während der Schulzeit. Warum? Für einen freien Tag? Das gibt unentschuldigte Fehlstunden. Pubertäre Rebellion? Längst nicht mehr. Die jungen Leute meinen es ernst: Sie machen das, was ihre Pflicht als Christen und als Menschen ist. Gott hat uns aufgetragen, verantwortlich mit der Schöpfung umzugehen, auf sie aufzupassen. So steht es schon im Schöpfungsbericht. Es geht um unsere Welt, um die Zukunft aller Menschen.
In den Ferien wird sich zeigen: Bleibt der Schülerstreik nur auf die Schulzeit beschränkt oder setzen sich die jungen Leute weiter für ihr Ziel ein, etwas gegen den Klimawandel zu tun? Die Schülerinnen und Schüler der Maria Ward Schule und des Theresianums zeigen, wie es geht: Sie wollen auch während der Ferien demonstrieren. Sie organisieren Projekttage an ihren Schulen, um sich und andere zu informieren. Sie überlegen, wie sie im Zeltlager Plastik vermeiden können, kaufen regionale Produkte, verzichten auf zu viel Fleisch. Sie beginnen im Kleinen, tun das, was sie tun können. Die Jugendlichen fordern nicht nur, sondern gehen einen Schritt weiter. So wie alle Menschen es tun können.
Zur Sache: Die Bewegung
„Fridays for future“ ist eine Schülerbewegung. Die Schüler streiken freitags für mehr Klimaschutz. Sie sind weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden, heißt es auf ihrer Homepage. Vorbild ist die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die im Sommer 2018 begonnen hat zu streiken. Infos zum Mainzer Ableger auf Facebook: https://de-de.facebook.com/FridaysForFutureMainz/