Amokfahrt in Trier
Gedenkgottesdienst im Dom
Mit besinnlicher Musik, Fotos der Todesopfer und Gedenkfiguren erinnert Trier ein Jahr nach der Amokfahrt an die Betroffenen der Tat. Im Zentrum des öffentlichen Gedenkens am Mittwoch stand ein ökumenischer Gottesdienst im Trierer Dom.
Bei der Amokfahrt am 1. Dezember 2020 in der Trierer Fußgängerzone wurden fünf Menschen getötet, zahlreiche weitere verletzt und traumatisiert. Vor wenigen Wochen starb ein weiterer Mann, der bei der Tat schwer verletzt worden war. Vorne rechts im Altarraum des Doms erinnern am Jahrestag sechs Fotos an die Toten.
Der Gottesdienst begann symbolträchtig um 13.46 Uhr - der Tatzeit - mit vier Minuten Glockengeläut und stillem Gedenken an die Opfer. Geistliche aller vier Konfessionen der Todesopfer wirkten mit, der Trierer katholische Bischof Stephan Ackermann, der griechisch-orthodoxe Erzpriester Georgios Basioudis, Vizepräses Christoph Pistorius von der Evangelischen Kirche im Rheinland und Apostel Clement Haeck von der Neuapostolischen Kirche.
Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD), weitere Seelsorger und Schüler beteiligten sich. Die 350 Plätze im Dom waren Angehörigen, Betroffenen, Einsatzkräften, Seelsorgern sowie Vertretern aus Politik und Gesellschaft vorbehalten; zusätzlich wurde das Gedenken live vom SWR-Fernsehen übertragen.
Tonfiguren als Zeichen der Erinnerung
Im Altarraum stehen an dem Tag etwa ein Meter hohe, bordeauxfarbene Stelen, darauf handgroße Tonfiguren. Sie zeigen Menschen, sitzend oder zusammengekauert, den Kopf in den Händen vergraben. Schülerinnen und Schüler aus Saarburg haben sie nach der Amokfahrt im Kunstunterricht gefertigt. Schülerin Mattea Walter erklärte im Gottesdienst, die zerbrechlichen Tonfiguren zeigten, wie flüchtig das Leben sei. Sie sollten an das Leben erinnern, "damit uns die luftabschnürende, uns einkrümmende Trauer nicht überwältigt".
Die Tonfiguren finden im Dom einen dauerhaften Platz. Seit etwa einer Woche erinnert zudem eine Plakette an der Porta Nigra in der Innenstadt an das Geschehen.
Ackermann sprach im Gottesdienst auch über den Wert von Erinnerungsorten. Es brauche Orte, «zu denen wir mit unseren Gefühlen und Fragen kommen können, Fragen, auf die wir sehr oft keine zufriedenstellenden Antworten finden», sagte er. Wichtig sei auch die Frage: «Wie lebe ich weiter?» Es helfe, einander beizustehen, Anteil zu nehmen und sich gegenseitig aufzurichten. Weiter verwies Ackermann auf das Lichtermeer aus Kerzen, das nach der Tat wochenlang zum Stadtbild gehörte. «Die Verarbeitung des Geschehenen steht erst am Anfang», sagte er.
Die Amokfahrt hatte die Stadt mitten ins Herz getroffen, die Anteilnahme war groß. Nach Worten von Pistorius hat die Tat eine Narbe hinterlassen, die verbinde. "Wir trauern gemeinsam, wir erinnern uns gemeinsam, wir teilen auch das Unverständnis und das Entsetzen, die Wut und die Machtlosigkeit." Basioudis bat im Gebet um Kraft, Hoffnung und "die Fähigkeit, einander beizustehen, wo die Kraft zum Leben fehlt". In Gebeten wurde Sprachlosigkeit geäußert, Schmerz, Angst und Ohnmachtsgefühle.
Oberbürgermeister Leibe: Trier ist nach der Tat stärker zusammengerückt
Dreyer, die privat in Trier lebt, sprach im Anschluss von einem würdigen Gottesdienst. Es sei spürbar, dass Trauer und Schmerz noch immer sehr groß seien. Sie wolle den Betroffenen zusichern: "Wir werden Sie nicht vergessen." Nach Worten von Leibe ist die Stadt nach der Tat stärker zusammengerückt. Er betonte: "Wir haben nicht resigniert." Wichtig sei ihm, dass es im zurückliegenden Jahr vor allem um die Opfer, die Verletzten und Traumatisierten gegangen sei und der Täter nicht im Vordergrund gestanden habe.
Der mutmaßliche Täter, ein 52-jähriger Mann aus Trier, steht seit August vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fünffachen Mord und versuchten Mord in 18 weiteren Fällen vor. Ihm wird vorgeworfen, mit einem Geländewagen durch die Fußgängerzone gefahren zu sein und gezielt Menschen angefahren zu haben. Die Amokfahrt ereignete sich 2020 zum Beginn der Adventszeit. Auf dem Platz vor dem Dom und am Hauptmarkt ist - nach einer Corona-Pause - in diesem Jahr wieder ein Weihnachtsmarkt aufgebaut. Neue Poller und massive Barrieren sperren das Gelände weiträumig ab - auch das eine Folge der Amokfahrt.
kna/Anna Fries