Prozess gegen Attentäter von Halle beginnt

Gegen die "Untiefen des Hasses"

Image

Neun Monate nach dem Anschlag von Halle beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Amokläufer. Religionsvertreter fordern harte Strafen - und sichtbare Zeichen gegen Rassismus. 

Am Ort des Anschlags von Halle gedenken die Menschen den Opfern mit Kerzen.
Gegen den Hass: Kerzen erinnern am Ort des Anschlags an die Opfer. 

Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle am Dienstag haben Religionsvertreter eine harte Strafe gefordert. Der Mann solle mit "der ganzen Härte des Gesetzes" bestraft werden, forderte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, in der "Rhein-Neckar-Zeitung". Auch sollten die "Untiefen des Hasses" offengelegt werden, in denen sich der Mann im Internet habe radikalisieren können.

Knobloch forderte mehr Demokratiebildung in den Schulen und in den Kindergärten. Sie begrüßte jüngste Gesetzesverschärfungen gegen Hass im Internet. Dennoch gab sie zu bedenken: "Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft haben inzwischen das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, und ehrlich gesagt kann ich sie verstehen", erklärte Knobloch. "Ein jüdischer Mensch, der in der Stadt als solcher zu erkennen ist, lebt immer noch gefährlich."

Während Extremisten die Redefreiheit missbrauchten, um Hass zu verbreiten, sei der Staat machtlos, so Knobloch. Mit jedem Vorfall schwinde das Vertrauen in den jüdischen Gemeinden. "Es müssten jetzt deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus geben von einer Gesellschaft, die versteht, dass sie selbst mit bedroht ist. Das sehen wir aber noch viel zu selten." 

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, fordert, vor allem Kinder und Jugendliche besser über das Judentum aufzuklären und so Antisemitismus vorzubeugen. Im SWR Tagesgespräch sagte er, Antisemitismus sei nicht mehr, sondern eher weniger sichtbarer geworden. "Aufklärung im schulischen Umfeld ist hier ganz, ganz wichtig." In vielen Schulbüchern gebe es Darstellungen von Juden, wie sie sonst in der nationalsozialistischen Zeitschrift "Stürmer" zu finden gewesen seien oder "der Realität in keiner Weise entsprechen".

"Rassimus ist keine Meinung" 

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, betonte, er erwarte ebenfalls ein "hartes und wegweisendes" Urteil. "Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist - sondern im schlimmsten Fall tötet", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland."

Für Täter wie dem Halle-Amokläufer mache es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen, so Mazyek. "Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus." Muslime in Deutschland fühlten sich nicht ausreichend von den Sicherheitsbehörden geschützt.

Zwar habe sich inzwischen in einigen Bundesländern einiges getan, so Mazyek, allerdings passierten weiter fast wöchentlich Angriffe auf Moscheen. Ein flächendeckender Schutz von Moscheen über 24 Stunden täglich sei unrealistisch. Manchmal reiche ein besonderer Schutz an Feiertagen oder zum Freitagsgebet.

Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle vor dem Landgericht Magdeburg.  Dem 28-Jährigen wird vorgeworfen, am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle geplant zu haben - am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Als der schwer bewaffnete Angreifer nicht in das jüdische Gotteshaus eindringen konnte, erschoss er wenig später vor der Synagoge eine Frau und den Gast eines Döner-Imbisses. 

Der Generalbundesanwalt erhebt den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung. Dem angeklagten 28-Jährigen droht lebenslange Haft. Das zuständige Oberlandesgericht Naumburg hat 40 Nebenkläger zugelassen und 18 Verhandlungstage angesetzt.

kna/vpb