Interview mit Existenzgründerin in der Villa Gründergeist
„Geschenk des Himmels“
Anita Burgsmüller ist seit einem Jahr als Existenzgründerin in Frankfurt aktiv. Sie ist mit ihrem „StartUp“, ihrem Unternehmen „happy2learn“, in die Villa Gründergeist gezogen.
Frage: Wie sind Sie zur Villa Gründergeist gekommen?
Anita Burgsmüller: Die Villa Gründergeist war für mich wie ein Geschenk des Himmels. Im Sommer letzten Jahres wurde sie mir aus kirchlichen Kreisen empfohlen. Ich habe dieses Jahres damit begonnen, Studierende zu beraten, und habe nach Räumen dafür gesucht. Ich bin an der Villa vorbei spaziert und hatte davon erzählt bekommen, dass hier völlig neu ein Co-Working-Space entsteht, und das passenderweise mit dem Ziel, kirchliche und soziale Innovationen zu fördern. Nach einem längeren Gespräch mit David Schulke, dem Leiter der Villa, habe ich jetzt im zweiten Stock einen flexiblen Platz zum Arbeiten, und nutze weitere Räume, um Studierende zu beraten und für Workshops.
Was ist „happy2learn“?
„Happy2learn“ ist ein Beratungsangebote für Studierende, für mehr Lernerfolg und Glück im Beruf. Ich begleite junge Menschen während des Studiums, wenn es etwa um die Frage geht, wie man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt oder um Zeitmanagement für die Prüfungs- und Schreibphase. Und ich biete ihnen Unterstützung zum Start ins Studium und zum Einstieg ins Berufsleben.
Sie hatten zuvor eine Festanstellung in einem großen Wirtschaftsunternehmen. Warum haben Sie sich selbständig gemacht?
Letzten Winter hatte ich einen Autounfall. Dadurch habe ich gemerkt, dass ich mein Leben gerne anders gestalten möchte. Ich habe in einem großen Unternehmen deutschlandweit als Personalentwicklerin mit Auszubildenden, dual Studierenden und europäischen Nachwuchskräften gearbeitet. Nach dem Unfall habe ich beschlossen, Studierende im Lernen und Schreiben und bereits vor ihrem Berufseinstieg zu fördern. Der große Unterschied liegt nun darin, dass ich Studierende frühzeitiger begleiten kann, nämlich im wissenschaftlichen Arbeiten, und dann im Übergang vom Studium ins Berufsleben. Dieser Übergang vom Studium in den Beruf ist ein großes gesellschaftliches Thema. Allein in Hessen gibt es mehr als 300 000 Studierende. Viele von ihnen haben Fragen zu studien- und berufsbezogenen Themen und finden dafür keine Unterstützung. Genau an dieser Stelle kann ich jetzt wirken.
Wie hat sich Ihr Arbeitsleben dadurch verändert?
In meinem neuen Job als Unternehmerin trage ich Verantwortung für die Prozesse und kann sehr kreativ arbeiten. Ich mache das Marketing, konzipiere Workshops und kann die Studierenden individuell betreuen. Ich habe als Selbständige in der Villa Gründergeist gefunden, was ich gesucht habe. Das Motto der Villa lautet ja: ‚Ideen finden Räume‘, und genau das passiert hier. Ich habe ein ganz neues Geschäftsmodell entwickelt und mit diesen neuen Ideen für Studierende jetzt Räume gefunden. Hier kann ich mein New Work-Format, mein individuelles Arbeitsmodell, leben und für die Studierenden mitten in Frankfurt da sein. Für Workshops und Büroalltag kann ich mir das Mobiliar selbst zusammenbauen, wie es passt als Stehtische, Schreibtische, je nach Projekt, das ich gerade umsetzen will.
Welche Rolle spielen Gemeinschaftsräume wie zum Beispiel die Küche?
Ich freue mich sehr über die Küche im Erdgeschoss. Dort kann ich mit Studierenden vor oder nach der Beratung kochen, und im Café erlebe ich Gemeinschaft mit den sympathischen Mitarbeitenden der Villa. Im Meditationsraum im dritten Stock gewinne ich Inspiration durch Stille und ich nutze ihn zur Stressreduktion mit Studierenden.
Wie ist das Zusammentreffen mit anderen, die hier arbeiten?
Wir treffen uns im Co-Working-Bereich und tauschen uns dort aus. In den Gesprächen dreht sich viel um das Thema Berufe, oder was gerade junge Menschen beschäftigt. Wir sprechen auch darüber, zu welcher Messe wir fahren oder erzählen von Events, von denen wir gerade zurückkommen. Außerdem gibt es regelmäßige Treffen für alle Engagierten im Haus. Dort erfahren wir, woran die anderen gerade arbeiten und wo es Anknüpfungspunkte gibt. So kann man Projekte der anderen mitfördern.
Woher haben Sie gewusst, wie man ein Unternehmen gründet?
Lernen und Lesen macht mir Spaß – daher habe ich mir vieles autodidaktisch angeeignet, mithilfe von Büchern, Internetseiten und Podcasts. Außerdem hatte ich das Glück, ‚Kompass‘ nutzen zu können, ein Förderprogramm der Stadt Frankfurt im Zentrum für Existenzgründung.
Sich selbständig zu machen ist schon ein Wagnis, oder?
Als Existenzgründerin lebt man sehr von Mut und Vertrauen. Durch Gott gewinne ich immer wieder Ruhe, Inspiration und neues Vertrauen. Ich bin ja aus einer Festanstellung rein ins Vergnügen, rein ins bunte Existenzgründen. Jetzt brauche ich tatsächlich nochmal mehr Kreativität und motivierende individuelle Ziele. Das kann ich gut an die Studierenden weitergeben, weil sie ebenfalls in einer spannenden Veränderungsphase sind.
Fühlen Sie sich der Kirche verbunden?
Ja, ich bin ehrenamtlich schon seit über 15 Jahren in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv und hatte schon immer einen religionspädagogischen Fokus. Dann habe ich im Masterstudium Wirtschaftspädagogik mit Theologie kombiniert und jetzt arbeite ich als Wirtschaftspädagogin in einer bunten Villa, die von der Kirche gefördert wird.
Was sind Ihre Zukunftspläne?
Ich wünsche mir mehr Studierende, die erfolgreich ihr Studium beenden und beruflich glücklich sind. Ich möchte gerne Workshops für Studierende im Kloster anbieten, denn das hat mir selbst während des Studiums geholfen, und die Kooperation mit lokalen Hochschulen weiter ausbauen. Für die Villa Gründergeist wünsche ich mir, dass sie ein immer größeres und buntes Netzwerk für Gründer und Unternehmerinnen im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus wird.
Interview: Julia Hoffmann
Wo Anita Burgsmüller arbeitet, und wer noch dort arbeitet, lesen Sie im Artikel:
Zeitgeist trifft auf Gründergeist
Die Villa Gründergeist steht im Frankfurter Westend, zwischen alten Villen und Bürogebäuden. Der Gründergeist, der hier weht, soll Menschen darin bestärken, ihre innovativen Ideen mit sozialen Wertvorstellungen zu verbinden. Ein Besuch.