Glauben, Freiheit und Grenzen

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Skulptur des heiligen Joseph
Nachweis

Foto: Matthias Schatz

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Die verwitterte Skulptur des heiligen Joseph nimmt einen zentralen Platz in der Schau ein. Die Kirche an der Großen Freiheit ziert seit 1927 eine Nachbildung.

Das Altonaer Museum zeigt bis zum 15. Juli kommenden Jahres eine Ausstellung zur Entwicklung der Religionsfreiheit. In dem Stadtteil, der lange nicht zu Hamburg zählte, nahm sie schon im 16. Jahrhundert ihren Anfang.

„Glaubensfreiheit ist für mich, dass jeder nach seiner Façon selig werden kann, ohne andere zu bedrohen. Aber man muss auch alle Glaubensgemeinschaften an diesem Anspruch messen.“ Das sagt Joachim Reinig in einem der 56 auf Video gebannten Statements, die zu Beginn der Ausstellung „Glauben und glauben lassen“ im Altonaer Museum zu sehen sind. Sie stellen in der Schau quasi eine Bestandsaufnahme dar, inwiefern die im Grundgesetz verankerte Glaubensfreiheit auch in der Gesellschaft gelebt wird – auch wenn sie schon einmal vor drei Jahren dort gezeigt wurden. Denn die Ausstellung ist eine aktualisierte Neuauflage der Schau „Glaubensfreiheit. Gegeben und gefordert – seit 1601“, die das Altonaer Museum im Jahr 2020 zeigte und die nach drei Tagen wegen der Coronapandemie nicht mehr besucht werden durfte.

„Das Thema ist uns zu wichtig, daher zeigen wir sie nun nochmals“, erklärt Museumsdirektorin Anja Dauschek. Geändert wurde auch der Untertitel. Er lautet nun „Eine Ausstellung über Freiheiten und Grenzen“. Dahinter stehe die Frage, ob man auch an Grenzen der Freiheit stoße, so Dauschek. 

Gute Gründe für die Schau, nicht nur in Altona

Das Altonaer Museum hat guten Grund, sich diesem Thema vollumfänglich anzunehmen. Denn Altona war bis 1938 eine eigenständige Stadt, in die Religionsfreiheit früh Einzug gehalten hatte. Bereits 1580 duldeten die Landesherren, die Grafen von Schauenburg und Holstein-Pinneberg, Mennoniten und Reformierte. Und offenbar auch Katholiken. Jedenfalls erwarb der aus Florenz stammende Kaufmann Alessandro della Rocca bereits 1594 das Recht, katholische Gottesdienste in einem Privathaus in Altona abzuhalten.

Aber auch in Hamburg wo seit 1629 bis ins19. Jahrhundert allein die „Lutherische Lehre“ galt, bestehen gute Gründe für so eine Schau. „Hamburg gilt als Hauptstadt des interreligiösen Dialogs“, hebt Dauschek hervor: Wegen der – freilich immer umstritteneren – Staatsverträge, die auch mit muslimischen Organisationen abgeschlossen wurden, und aufgrund der Einführung des Religionsunterrichts für alle an staatlichen Schulen. Vornehmlich an Tafeln werden diese Aspekte im Schlussteil der Ausstellung thematisiert.

An die ersten Schritte zur Religionsfreiheit in Altona erinnert heute noch der Straßenname „Große Freiheit“. Sie gehörte ab etwa 1610 zu einer „Sonderwirtschaftszone“, in der Gewerbe- und Glaubensfreiheit bestand. 1658 bestätigte Frederik III. von Dänemark, der als Herzog von Holstein in Altona herrschte, das Privileg für die Katholiken. Das machte 1723 auch den Bau der bis heute bestehenden katholischen Kirche St. Joseph an der Großen Freiheit 43 möglich.

Die Würdigung des nach Plänen des Österreichers Melchior Tatz vollendeten Barockbaus bildet in der Schau den größten Teil, der den Katholiken gewidmet ist. Vor allem zieht die originale Figur des heiligen Joseph die Blicke auf sich. Die Skulptur ist allerdings sehr verwittert und wurde dem Altonaer Museum geschenkt, nachdem sie an der Kirche 1927 durch eine Nachbildung ersetzt worden war. Rund um die Figurengruppe sind auch Darstellungen der lutherischen Kirche an der Königstraße, der aschkenasischen und der sefardischen Synagoge sowie der Mennonitenkirche angeordnet. Nur die lutherische Kirche durfte einen Turm haben. Wie heute spielte auch damals die Sichtbarkeit eines Bekenntnisses eine Rolle.

Ein weiterer Themenschwerpunkt ist der Antisemitismus. 1862 erschien „Der Judenspiegel“ von Wilhelm Marr. Der Hamburger, von dem ein Portrait gezeigt wird, sollte 1879 gar die „Antisemitenliga“ gründen. Er steht für die Wandlung des Anti-Judaismus, der sich gegen die jüdische Religion wendete, in einen rassistischen Antisemitismus, der dem Nationalsozialismus den Boden bereitete. Marrs Schriften vorausgegangen war seit Ende des 17. Jahrhunderts die jüdische Emanzipation, die ebenfalls dargestellt wird.

Der Schlussteil widmet sich der Entwicklung seit 1949. Sie ist einerseits geprägt von einer größeren religiösen Vielfalt insbesondere durch den Zuzug vieler Muslime aus der Türkei und Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten, andererseits durch eine zunehmende Säkularisierung. Deutlich gemacht wird dies vor allem anhand von Fotos, etwa der Al-Nour-Moschee in Horn, deren Gebäude zuvor ein christliches Gotteshaus war. 

Glaubensfreiheit musste auch erkauft werden

Zugleich wandelte sich die Wahrnehmung des Islam aufgrund der Revolution im Iran 1979 und der Terroranschläge in New York 2001. Unter dem Bild der schiitischen Imam-Ali-Moschee an der Alster wird darauf hingewiesen, dass der Hamburger Verfassungsschutz deren Trägerverein, das Islamische Zentrum Hamburg, als extremistische Organisation des Islamismus einstufen darf. Gerade dieser Hinweis wirft die Frage nach den Grenzen der Freiheit und der Glaubensfreiheit auf. 

Am Ende der Schau sind wieder einige der 56 Video-Statements zu sehen. Auf einer Schautafel prangt dazu als Schlusspunkt ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Das reicht über die Religionsfreiheit hinaus, die selbst im freizügigeren Altona einst erkauft werden musste. Sie ist Bestandteil hart erkämpfter Demokratie, wurde aber auch erst möglich, weil sie Handel und Wirtschaft Auftrieb gab und die Steuereinnahmen erhöhte. Auch das sollte bei allem Idealismus nicht vergessen werden. Die Grenzen der Freiheit, und insbesondere der Glaubensfreiheit, hängen auch immer vom Geld ab.

Matthias Schatz