Umnutzung der Hagia Sophia

Gotteshaus als "politische Provokation"

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Dass die Hagia Sophia, eine ehemals christliche Kirche in Istanbul, als Moschee genutzt werden soll, empfindet der Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner als "Selbstprofilierung Erdogans". Auch die Bundesregierung kritisiert den Umbau. 

Die Hagia Sophia war eine Kirche in Istanbul - nun soll sie als Moschee genutzt werden.
Dass die Hagia Sophia in Istanbul zur Moschee werden soll, ist laut dem Jesuiten Felix Körner eine Provokation, auf die man nicht eingehen sollte. 

Der Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner hat sich abwägend zur erneuten Nutzung der Hagia Sophia als Moschee geäußert. Es sei "ärgerlich", dass ein Gotteshaus zur "politischen Provokation" werde. Zugleich dürfe man die Umwidmung "nicht zu einer aktuellen islamischen Aggression aufspielen". Es gehe um den Versuch einer innenpolitischen Selbstprofilierung durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan; "darauf gehen wir nicht ein", sagte Körner, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana lehrt.

Körner erinnerte daran, dass es in Europa viele Kirchen gebe, die früher Moscheen waren. Als Beispiel nannte er die architektonisch herausragende Mezquita in Cordoba, in die man "eine gotische Kathedrale von mittelmäßiger künstlerischer Qualität" eingebaut habe. Wenn die Hagia Sophia von einem Museum wieder in ein Gotteshaus rückverwandelt werde, müssten sich Gläubige "eigentlich erst einmal freuen", weil dort wieder gebetet werde. "Istanbul ist nicht Mekka. Nichtmuslime dürfen die Stadt und ihre Heiligtümer betreten", betonte Körner.

Andererseits beklagte er eine "Rhetorik der Rivalität" auf beiden Seiten. Dabei werde die gottesdienstliche Nutzung "missbraucht, um Gegnerschaften aufzubauschen", so der Ordensmann, der auch Berater der päpstlichen Kommission für die Beziehungen zu den Muslimen ist.

Zur Frage nach möglichen religiösen Unruhen in der Türkei sagte Körner, der christlichen Minderheit gehe es "nicht schlechter als religiösen Minderheiten in den meisten sogenannten christlichen Ländern". Wenn es Unruhe in der Türkei gebe, gehe sie nicht von Christen aus, sondern "von dem gesellschaftlichen Ruf nach einer anderen Politik", sagte Körner.

Die meisten Muslime in der Türkei sähen das Christentum "nicht als Gegner, sondern als Gesprächspartner, als Schwesterreligion". Viele durchschauten "die Instrumentalisierung religiöser Fragen für politische Zwecke".

Bundesregierung bedauert Umwandlung 

Auch die Bundesregierung brachte ihr Bedauern über die geplante Umwandlung der Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee zum Ausdruck. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, Deutschland messe dem interreligiösen Dialog einen hohen Wert bei. Die Hagia Sophia habe große kulturhistorische und religiöse Bedeutung sowohl für das Christentum als auch für den Islam. Der Status der ausschließlichen Nutzung des Bauwerks als Museum habe Menschen aller Glaubensrichtungen zu jedem Zeitpunkt freien Zugang "zu diesem Meisterwerk" ermöglicht. Nun gelte es abzuwarten, wie die Ausgestaltung der Nutzung erfolgen werde.

Ein Außenamtssprecher äußerte am Montag sein Bedauern darüber, dass die Unesco bezüglich einer Umnutzung des Welterbes nicht konsultiert worden sei. Es sei derzeit noch unklar, wann die wegen der Corona-Pandemie abgesagte Sitzung der UN-Organisation nachgeholt werde, aber die Hagia Sophia werde dann mit Sicherheit auf die Tagesordnung kommen.

Die Hagia Sophia ist als Teil der Altstadt von Istanbul seit 1985 Unesco-Weltkulturerbe. Sie wurde als "Kirche der göttlichen Weisheit" im Jahr 537 geweiht und war fast ein Jahrtausend lang die christliche Hauptkirche Konstantinopels. Als die Osmanen 1453 die Stadt eroberten, wurde sie zur Moschee umfunktioniert. In den 1930er Jahren wandelte der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk sie in ein Museum um - dieser Beschluss wurde am vergangenen Freitag mit einem Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts annulliert.

kna