Freie Schulen fair finanzieren
„Gute Arbeit hat ihren Preis“
„Rettet die freien Schulen!“: So lautet der Appell des Aktionsbündnisses „Freie Schulen fair finanzieren“, das sich in Hessen gebildet hat und nun mit einer Petition auf die prekäre Lage der rund 200 Ersatzschulen im Bundesland aufmerksam macht. Von Hans-Joachim Stoehr
„Die Verfassung des Landes Hessen sieht vor, dass es private Schulen gibt und das Land die Verpflichtung hat, diese Schulen im Sinne der Vielfalt zu ermöglichen“, erklärt Bernward Bickmann, der das Aktionsbündnis mitgegründet hat. Er ist Geschäftsführer des Franziskanergymnasiums Kreuzburg in Großkrotzenburg. Zusammen mit dem Engelsburg-Gymnasium in Kassel startete die Schule die Petition mit der Unterschriftenaktion.
Neben den Schulen in kirchlicher Trägerschaft beteiligen sich weitere staatlich anerkannte Schulen in privater Trägerschaft. „Damit die Privatschulen gute Arbeit machen können, braucht es eine verlässliche, an die allgemeine Kostenentwicklung angepasste Finanzierung. Es hilft ja nicht, Privatschulen grundsätzlich zu ermöglichen, dann aber die Qualität der Arbeit zu verunmöglichen“, sagt Bickmann.
Thorsten Prinz ist seit 2018 Schulleiter des Engelsburg-Gymnasiums in Kassel. Das Gymnasium befindet sich in Trägerschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (SMMP). „Unter den Katholiken Kassels sind wir die erste Wahl“, sagt Prinz. Ihm ist wichtig, dass die Schüler und Schülerinnen sowie deren Eltern das christliche Schulprofil aktiv mittragen. Etwa die Hälfte der Schüler sind katholisch, die anderen evangelisch, muslimisch oder ohne Religion.
Für Prinz ist die Haltung des Landes Hessen, bezogen auf Ersatzschulen, widersprüchlich. Einerseits müssten die Schulen für alle offen sein. Das sehe das „Sonderungsverbot“ vor. Das bedeute, der Träger dürfe nicht durch ein hohes Schulgeld dafür sorgen, dass nur Kinder aus wohlhabenden Familien die Schule besuchen können. „Genau dazu sind wir aber gezwungen“, sagt Prinz für den Fall, dass das Land die Förderung der Ersatzschulen nicht erhöht.
Stephan Behr ist Geschäftsführer der St. Hildegard-Schulgesellschaft. Gesellschafter der GmbH, die sechs Schulen betreibt, ist das Bistum Limburg. „Wir brauchen für die Schulen in unserer Trägerschaft eine auskömmliche Finanzierung“, betont Behr. „Für unsere sechs Schulen erhalten wir vom Bistum Limburg großzügige Zuschüsse“, erklärt er. Fraglich sei aber, ob dies auch in Zukunft so sei. Umso wichtiger sei daher eine verlässliche Unterstützung von staatlicher Seite. Andernfalls müsse das Schulgeld drastisch erhöht werden. „Aber ein Schulgeld von mehreren hundert Euro im Monat, wie es einige private Schule erheben, ist für unsere kirchlichen Schulen nicht denkbar“, sagt Behr.
Ursula Meurer ist stellvertretende Leiterin der Ketteler-La Roche-Schule in Oberursel. Das ist eine Fachschule für Sozialwesen. Denn nicht nur allgemeinbildende Schulen sind betroffen und machen bei der Petition mit.
Die Fachschule wird wegen ihrer überschaubaren Größe mit 300 Auszubildenden und Studierenden geschätzt. „Jemand nannte mir als Grund, weshalb er unsere Schule besuchen wolle: Hier wird jeder als Mensch gesehen. Das stimmt. Wir kennen hier jeden mit Namen“, sagt Meurer.
Im Unterschied zu vergleichbaren staatlichen Fachschulen gibt es an der Ketteler-La Roche-Schule weiterhin das Fach Religion. Meurer ist Dozentin für diesen Bereich. Wer möchte, kann eine Zusatzqualifikation für „religionspädagogisches Arbeiten im sozialpädagogischen Feld“ erwerben. Und dieses Angebot werde nicht nur von kirchlich Geprägten wahrgenommen, sondern auch von eher Kirchenfernen.
Pia Radeck leitet die Elisabethenschule in Hofheim. Das dreizügige Gymnasium befindet sich in der Trägerschaft der Dernbacher Gruppe Katharina Kasper. „Seit 2013 haben wir eine massive Unterfinanzierung“, erklärt sie. Die Folge: Die Schule musste zweimal das Schulgeld erhöhen. Weil die Finanzmittel fehlen, wird die Erneuerung der Physik- und Chemieräume immer wieder verschoben. Coronabedingt hat die Schule in Filtergeräte inves-tiert – zum besseren Schutz für die Schüler. Mit Erfolg. „Noch kein einziges Kind wurde bisher positiv getestet“, freut sich Radeck. Die Nachfrage bei Neuanmeldungen ist ungebrochen hoch. Für die 90 Plätze in drei fünften Klassen gab es 340 Bewerbungen.
Doris Krumpholz ist Leiterin der Edith-Stein-Schule in Darmstadt. Die 1854 als katholische höhere Töchterschule gegründete Schule wird von 1100 Schülerinnen und Schülern besucht. Es wird kein verpflichtendes Schulgeld erhoben. „Stattdessen erbitten wir einen Solidarbeitrag, also eine Spende, von den Eltern“, erläutert Krumpholz. Das bedeutet: Eltern geben je nach ihren finanziellen Möglichkeiten. „Das Modell hat die vergangenen vier Jahre getragen“, betont die Schulleiterin. Die Finanzierung sei aber nur auskömmlich, wenn das Land seine Unterstützung in Form der Ersatzschulfinanzierung auch leistet – mit 85 Prozent und nicht mit nur 60 Prozent.
Die Petition kann in Internet online unterstützt werden über www.change.org
Von Hans-Joachim Stoehr