Leser fragen

Helau und Alaaf!

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In unserer Reihe „Leser fragen“ geht es diesmal um das Thema „Fasching rund um den Kirchturm“. Ihre Fragen beantwortet Pfarrer Hans-Günter Sorge. Er macht zur Zeit Vertretung in der Gemeinde Liebfrauen in Langenhagen.


Wenn Fasching im Kinder- oder Familien-
gottesdienst Thema ist, ist Verkleidung
völlig o.k.! | Fotos: kna

„Ein Teil der Fragen, wie sie hier gestellt werden, beziehen sich nur auf unsere karnevalistischen Breiten hier im Norden. In den Karnevalshochburgen im Süden und Westen Deutschlands gibt es sie nicht oder sie stellen sich dort ganz anders“, sagt Pfarrer Hans-Günter Sorge.

Die Kinder sind eingeladen, am Faschingssonntag kostümiert zum Familiengottesdienst zu kommen. Mein Sohn will unbedingt als Cowboy gehen und Revolver und Gewehr mitnehmen. Ich habe gesagt: Auch Spielzeugwaffen gehören nicht in die Kirche. War das falsch, denn jetzt will er gar nicht mehr hingehen?

Kinder verbinden mit ihrer Kos­tümierung bestimmte Vorstellungen. Wer sich als Prinzessin verkleidet, will ein schönes Kleid und eine Krone tragen. Ein Cowboy braucht eine Pistole, ein Indianer Pfeil und Bogen, ein Ritter ein Schwert oder was es sonst noch so alles gibt.
 


In Kriegsbemalung in die Kirche, ja! Aber Pfeil und
Bogen bleiben draußen.

Waffen, auch Spielzeugwaffen mit in eine Kirche zum Gottesdienst zu nehmen ist ein Widerspruch in sich. Denn eine Kirche ist ein heiliger Ort und im Gottesdienst wird um Frieden gebetet, dazu braucht man keine Waffen. Im Mittelalter mussten die Ritter ihre Waffen beim Betreten der Kirche am Portal abgeben. Nach dem Verlassen der Kirche bekamen sie sie zurück. Oder die Schweizer Gardisten im Vatikan habe ich mit einer Hellebarde bewaffnet zwar auf dem Petersplatz gesehen, –nie aber im Petersdom. Ich denke, dass man Kindern vor diesem Hintergrund leicht verständlich machen kann, auf ihre Waffen in der Kirche zu verzichten. Wenn sie das begriffen haben und einsehen, werden sie um so lieber zur Kirche gehen, weil sie merken, dass sich Kirche und Gottesdienst von „der Welt“ unterscheidet und deshalb „etwas Besonderes“ ist.

Ich habe mich im letzten Jahr darüber geärgert, dass unser Pfarrer statt Predigt vom Ambo eine Art Büttenrede gehalten hat. Muss das sein?

Eine Predigt ist keine Büttenrede! Dennoch kann es sinnvoll sein, angesichts des karnevalistischen Treibens eine Predigt in gereimter Form zu halten. Denn gerade auch humoristisch verpackt, kann man den Zuhörern auch etwas Ernsthaftes mit auf den Weg geben, über das sie noch längere Zeit nachdenken können.

Bei uns feiern wir immer Seniorenfasching im Pfarrheim. Da wird gesungen und es werden auch lustige Texte vorgetragen. Da geht es auch manchmal unter die Gürtellinie. Wo sollte da die Grenze sein? Was ist noch erlaubt und was nicht?

Lustige Texte und Büttenreden müssen sich der gleichen Frage nach dem Erlaubten unterziehen, wie es Kabarettisten auch tun müssen, wenn sie Themen wie Behinderte, Politiker, Juden, Neger oder Ausländer aufgreifen. Die jüngste Debatte um Frauen- und Judenfeindlichkeit in RAP-Songs machen dies deutlich. Wenn gesungene oder vorgetragene Texte unter die Gürtellinie gehen, kann man sein Missfallen durch Applausverweigerung zum Ausdruck bringen und im Anschluss eines Vortrags den oder die Vortragende darauf ansprechen. Dann ist es zwar schon „heraus“, aber vielleicht berücksichtigt er oder sie es beim nächsten Mal. Kommentarlos sollte man keinen menschenverachtenden oder -beleidigenden Beitrag stehen lassen.


Für Jung und Alt gilt bei Faschingsfeiern: Hauptsache
die Stimmung ist gut. Und die Qualität der karnevalistischen
Beiträge wird durch Applaus bewertet.

Seit mein Mann vor 3 Jahren gestorben ist, verkleide ich mich nicht mehr für unsere Faschingsfeier im Pfarrheim. Ein paar andere Frauen regen sich da immer wieder drüber auf. Muss man sich denn unbedingt verkleiden und sich dem Gruppenzwang unterordnen?

Wir sind freie Christenmenschen! Niemand kann uns zwingen, sich zu verkleiden. Verkleiden heißt aber auch, dem belas­tenden Alltag einmal zu entfliehen und in eine andere Rolle zu schlüpfen. So kann es vielleicht hilfreich und heilsam sein – zumindest für ein paar Stunden – durch Verkleidung der Trauer zu entfliehen. Aber zwingen kann uns keiner dazu!   
 


Pfarrer Hans-Günter Sorge. | Foto: Archiv

Warum wird eigentlich im norddeutschen Raum kaum Karneval gefeiert? Hat das was mit katholisch und evangelisch zu tun?

Karneval hat tatsächlich etwas mit der Konfession zu tun. In protestantischen Gebieten – Norddeutschland, Skandinavien und so weiter –  gibt es kaum Karneval, in katholischen Gegenden im Rheinland, in Brasilien oder Venedig sehr wohl. Karneval ist nur auf dem Hintergrund der beginnenden Fastenzeit zu verstehen. Da wurde vorher noch einmal so richtig gefeiert. Mit der Reformation wurde das närrische Treiben unterbunden.

In unserer Gemeinde wird immer ganz toll Fasching gefeiert. Manche verkleiden sich bis ins letzte Detail und sind plötzlich auch ganz andere Menschen. Sie reden anders, treten ganz anders auf – selbstbewusster. Liegt das an der Verkleidung?

Kleider machen Leute! Sich zu verkleiden, kann freier, selbstbewusster machen. Man kann für eine kurze Zeit einmal sein Alltags-Ich verlassen, in eine ganz andere Rolle schlüpfen und sich hinter dieser „Maske“ auch verstecken. Das kann richtig befreiend sein. Und am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei. Spätes­tens dann hat das Alltags-Ich  wieder das Sagen.